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Tarifrunde
Harte Verhandlungen im Baugewerbe

Nicht nur bei den Gehältern gehen die Vorstellungen in unterschiedliche Richtungen. Arbeitgeber und Gewerkschaft haben sich deshalb auf eine zähe vierte Tarifrunde für die knapp 760.000 Beschäftigten im deutschen Bauhauptgewerbe eingestellt.

Von Michael Braun | 05.05.2014
    Sie hatten nicht nur Aktentaschen dabei, sondern auch den kleinen Rollkoffer mit dem Hemd zum Wechseln und der Zahnbürste drin. Gut möglich, dass beides gebraucht wird. Denn trotz des ersten Treffens heute schon am Morgen, dürften Gewerkschaften und Arbeitgeber heute nicht fertig werden. Aber, so der stellvertretende Vorsitzende der IG BAU, Dietmar Schäfers, man bemühe sich:
    "Ich gehe eher davon aus, dass das hier eine intensive und auch lange Verhandlung werden wird und dass wir die ganze Nacht durch verhandeln. Die Baubeschäftigten wollen ein Stückchen vom Kuchen abhaben."
    Die Leute auf dem Bau merken natürlich, dass viel zu tun ist. Voriges Jahr waren die Umsätze in der Branche um 2,5 Prozent gestiegen. Die Zahl der Beschäftigten stieg um 1,5 Prozent auf 755.000. Weil der Winter dieses Jahr praktisch ausgefallen ist, wurde zum Jahresauftakt deutlich mehr gebaut als 2013. So lag der Umsatz im Januar und Februar um fast ein Viertel höher als vor einem Jahr. Die Belegschaft in der Baubranche dürfte dieses Jahr auf 760.000 wachsen. Die Gewerkschaft hat deshalb ein Forderungspaket von sieben Prozent geschnürt, vor allem mehr Lohn, aber auch höhere Spesen für die Fahrten zur Baustelle und die Unterbringung dort, wenn eine Heimfahrt abends nicht möglich ist. Sieben Prozent für ein Jahr steht ein Angebot gegenüber von zweimal zwei Prozent innerhalb einer Laufzeit von 30 Monaten. "Einen Witz" nennt das die Gewerkschaft. Ist deshalb die Arbeitgeberseite unter Andreas Schmieg, dem Vizepräsidenten des Hauptverbandes der Bauindustrie, mit einem neuen Angebot gekommen?
    "Nein. Wir haben genügend Themen, die wir besprechen müssen. Dass Forderungen und Angebote sich irgendwann angleichen und in einer Richtung sich bewegen, wo immer die auch hingeht, das wird auch sicherlich hier der Fall sein."
    Die Arbeitgeber geben zu, dass die Bauwirtschaft gut zu tun hat. Aber das sei vor allem vom Wohnungsbau getrieben. Im Straßenbau seien wegen des milden Winters viele Aufträge abgearbeitet, Anschlussaufträge fehlten. Zudem sei die Tarifrente ein schwieriges Thema, sagte Schmieg:
    "Diese Rente ist umlagefinanziert, sie ist nur in Teilen kapitalgedeckt. Und es ist jetzt die Aufgabe, diese Rente in ein kapitalgedecktes System zu überführen und natürlich auch flächendeckend in der Bundesrepublik einzuführen. Das ist nicht ganz leicht."
    Mit Tarifrente ist eine betriebliche Altersvorsorge gemeint, in die Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam einzahlen, die Arbeitgeber gerne das Dreifache des Arbeitnehmeranteils. Vor allem in Ostdeutschland ist sie noch wenig verbreitet, und die Betriebe dort scheuen natürlich die Kosten.
    Dietmar Schäfers macht Druck:
    "Der Geduldsfaden wird reißen, wenn heute nichts Vernünftiges auf den Tisch kommt. Dann werden die Verhandlungen auch unter Umständen scheitern. Das möchten wir nicht. Weil es wäre ja auch kaum zu erklären, dass in eine Branche, die Fachkräfte sucht, dass man da nicht in der Lage wäre, eine Tarifeinigung zu erzielen."
    Zu Anfang hatten sich beide Seiten auf die drei Runden eingestellt. Die vierte Verhandlungsrunde sollte den Durchbruch bringen. Danach sieht es derzeit nicht aus. Ein neues Angebot der Arbeitgeber gab es bis zum Nachmittag nicht. Der Ausgang sei offen, hieß es vor wenigen Minuten. Die Gewerkschaft kann noch darauf hoffen, dass im Sommer, der Hochzeit der Bautätigkeit, die Industrie auf jeden Fall einen Streik vermeiden will.