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Ein Mondlander für die Tiefsee

In der Forschungsallianz "Robex" haben sich Experten aus der Raumfahrt sowie aus der Tiefseeforschung zusammengetan. Schließlich geht es in beiden Disziplinen auch darum, schwer erreichbare Orte mit ferngesteuerten Fahrzeugen zu erkunden. Nun sind zwei Tiefseeroboter vorgestellt worden, die in diesem Bündnis entwickelt wurden.

Von Tomma Schröder | 30.12.2014
    Es sieht auf den ersten Blick aus wie ein ganz gewöhnliches Schwimmbad: Auf einer Fläche von fast 25 mal 20 Metern schimmert das Wasser türkisblau, die Lüftung rauscht, das Wasser gurgelt über den Beckenrand. Und der Badegast steht auch schon bereit.
    "Sascha? Er soll jetzt ins Wasser. Martin, fahr jetzt erst mal dahinten hin..."
    Den Schwimm- beziehungsweise Tauchunterricht bekommen hier im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Bremen keine Kinder, sondern Roboter. In diesem Fall das Kettenfahrzeug "Viator", das vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, kurz Geomar, entwickelt wurde. Der gelbe, circa ein mal einen Meter große Roboter steht noch in seinem Lander, einer Art Fahrstuhl, die den Roboter zum Meeresboden und wieder zurück transportieren soll. Olaf Pfannkuche, der Experte für Tauchroboter beim Geomar, erklärt das Prinzip:
    "Sie sehen diese roten Einheiten hier. Dahinter verbergen sich Glaskugeln, das ist der Auftrieb. Und der Lander steht selber mit diesen Gewichten da unten am Meeresboden. Und wenn man diese Gewichte abschmeißt, dann zieht der Auftrieb das Ganze nach oben. Diese Glaskugeln können 700 bar - das ist analog 7.000 Meter - aushalten."
    Bevor es so tief hinabgeht, muss der kleine Roboter nun aber erst mal im acht Meter tiefen Testbecken üben. Der Kran fährt die fast zwei Tonnen schwere Konstruktion über das Becken und lässt sie dann langsam absinken. Gleichzeitig muss auch ein Taucher noch baden gehen, um den Roboter vom Haken zu nehmen
    "Ralf, geh du erst ins Wasser jetzt. Geh du mal erst mal in die Ecke, wo das Fenster ist."
    Am Hallenboden angekommen, öffnet der Taucher die Rampe, über die das Kettenfahrzeug aus dem Lander fahren kann. Die Wissenschaftler können von oben sowie durch ein Fenster am Hallenboden ihr Fahrzeug dabei beobachten. Fast wirken sie ein wenig gelangweilt: Mechanik und Steuerung klappen bestens. Doch was hier noch mit Unterstützung von einem Kran, einer kabelgestützten Steuerung und einem Taucher geschieht, soll der Roboter in ein paar Monaten selbstständig machen. Olaf Pfannkuche:
    "Zwischen dem Viator und dem Lander gibt es ein sogenanntes Docking. Da wird sowohl Energie als auch Daten übertragen. Das heißt, der Roboter fährt autonom herum, sammelt Daten, fährt wieder zurück, gibt sie ab und kriegt gleichzeitig wieder neue Energie."
    Um ein solches autonomes System zu entwickeln, erhalten die Tiefseewissenschaftler tatkräftige Unterstützung von ungewöhnlicher Seite: Neben dem Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz ist auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR, sowie die Abteilung Defence & Space von Airbus an der Entwicklung beteiligt, erzählt Sascha Flögel vom Geomar:
    "Es geht hier um den Zusammenschluss von Robotik im Weltraum und in der Tiefsee. Und was wir hier zusammen mit dem DFKI, DLR und Airbus entwickelt haben, ist ganz ähnlich zu Mondlandern, wo dann auch Mondrover entkoppelt werden, selbstständig über die Oberfläche fahren und verschiedene Messsensoren mit sich führen und auch ihre Umgebung kartieren. Ähnliches machen wir jetzt erstmals in der Tiefsee."
    Sowohl für den Weltraum als auch für die Tiefsee braucht es widerstandsfähige Roboter, die durch ein ausgefeiltes Energiemanagement und aufwendige Softwareprogramme selbstständig Messungen vornehmen. Deswegen ist neben dem Kieler Geomar unter anderem auch das Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung mit einem eigenen Roboter an der Forschungsallianz beteiligt. Das ebenfalls gelbe Kettenfahrzeug dreht schon geraume Zeit seine Runden am Beckenboden und bekommt nun Besuch vom Viator.
    "Okay, ihr könnt rausfahren."
    Weil der Viator durch die Energieversorgung und die Datenübertragung monatelang am Meeresboden bleiben kann, wird es erstmals möglich sein über lange Zeiträume und auf einer relativ großen Fläche Messungen vorzunehmen. So kommt der Roboter mit jeder Menge Daten etwa über Strömungsrichtungen und -geschwindigkeiten, Temperatur, Salzgehalt, Druck und pH-Wert aus der Tiefe zurück.
    "Jetzt liegen die Gewichte am Boden des Beckens, und der Lander kommt hoch. So mit 0,5/0,6 Metern pro Sekunde, und dann würde das Forschungsschiff ranfahren und das Gerät bergen."
    Bei einem ersten Testlauf 2017 soll der Viator vor Spitzbergen wieder auf Tauchstation gehen. Mithilfe spezieller Sensoren wird er dort über sechs Monate lang Messungen zum Methanaustritt am Meeresboden aufzeichnen. Das Forschungsschiff Polarstern soll ihn anschließend wieder bergen – und die Forscher hoffen, dass es dann auch so gut klappt wie in dem Bremer Tauchbecken.