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Technologie gegen Pandemien
Impfstoffe aus dem Drucker

Das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac arbeitet nicht nur an einem RNA-Impfstoff gegen Covid-19, sondern auch an einer Technologie, um ihn überall auf der Welt herzustellen. Ein Drucker, so groß wie ein Auto, soll den Impfstoff vollautomatisiert produzieren können.

Von Piotr Heller | 25.03.2021
Ein RNA-Drucker
Mit der Technologie sollen Impfstoffe zukünftig in jedem Reinraum hergestellt werden können, also auch direkt in Krankenhäuser (picture alliance/dpa/AFP Poo/Tobias Schwarz)
In den Großanlagen beginnt die Herstellung von mRNA-Impfstoffen mit DNA. Darin ist die genetische Information gespeichert. Die DNA wird üblicherweise in Bakterien, also lebenden Zellen, vervielfältigt. Dann wird nach ihrer Vorlage die mRNA produziert und später mit speziellen Fetten, so genannten Lipiden umhüllt. Das alles passiert mitunter in verschiedenen, spezialisierten Fabriken quer über den Globus verteilt.
"Der RNA-Printer ist im Prinzip dieser Produktionsprozess identisch zu der industriellen Produktion in einem kleinen Maßstab und vollständig automatisiert", erklärt Produktionsvorstand Florian von der Mülbe vom Tübinger Biotechnologieunternehmen Curevac, das seit Jahren an dem Drucker arbeitet. Das Gerät ist etwa so groß wie ein Auto.
"Neben der Verkleinerung und der Automatisierung bietet der Printer eben alle Produktions-Prozessschritte in einer Linie direkt hintereinander geschaltet und es wird vollständig auf jede Art von Zellen verzichtet."

Impfstoffproduktion in Krankenhäusern denkbar

Anstatt Bakterien zur Vervielfältigung der DNA nutzt der Drucker die Polymerase-Kettenreaktion, kurz PCR – also eine Kopiermaschine für Gene. Die restliche Schritte ähneln der Großanlagenproduktion, sollen aber vollautomatisch laufen: DNA rein, mRNA-Impfstoff raus. Mit diesem System könnte man etwa bei einer neuen Krankheit blitzschnell Impfstoffe für klinische Studien herstellen. Oder, wenn man sie schon heute hätte, an lokale Mutanten angepasste Corona-Impfstoffe direkt vor Ort drucken. Mehrere 100.000 Impfdosen pro Woche sind denkbar und das überall, wo es einen Reinraum gibt, in dem die Maschine stehen kann, zum Beispiel direkt in Krankenhäusern.
"Wir erfahren ja gerade, dass Grenzen in Pandemie-Fällen schnell geschlossen werden können, dass Lieferwege schwierig werden. Deshalb ist eine dezentrale Versorgung sicherlich hilfreich. Wir als Curevac bauen gerade auch im größeren Bereich ein Produktions-Netz auf. Ein Netzwerk aufzubauen ist per se erst aufwendiger, aber dann robuster. Mit den RNA-Printern glauben wir, können wir sehr schnell und unproblematisch Netzwerke aufbauen. Und das macht eben diese schnelle Reaktionsfähigkeit am Anfang besonders interessant."
Astrazeneca-Vakzin
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Damit würde man auch einen bisherigen Flaschenhals der mRNA-Produktion umgehen. Der steckt nämlich in dem simpel anmutenden Schritt, bei dem die RNA mit Lipiden umhüllt wird. Experten gehen davon aus, dass die großen Hersteller wie Pfizer dafür in einer Fabrik viele speziell angefertigte Mikrofluidik-Geräte parallel laufen lassen müssen. Beim RNA-Printer ist die Grundidee ja ohnehin eine Parallelisierung über mehrere Standorte.

Kooperation mit Tesla

Die Idee und der Prozess stammen von Curevac. Bei der Umsetzung hilft die Firma Tesla Automation – ein vom US-Elektroautobauer übernommenes Maschinenbauunternehmen aus Rheinland-Pfalz. Der erste Prototyp steht jetzt in Tübingen. Noch in dieser Jahreshälfte will Curevac Impfdosen produzieren, darunter auch für Covid-19. Jedoch noch nicht direkt zur Bekämpfung der aktuellen Pandemie.
"Als nächster Schritt wäre von Curevac-Seite ein Proof of Concept, mit dem klinischen Material am Menschen zu zeigen, dass das wirksam ist, was da aus dem RNA Printer kommt. Damit zeigen wir dann, dass alle Produktionsschritte genau identisch sind, wie das, was wir aus der Vergangenheit kennen. Wenn wir diesen Proof of Concept haben, ist der Printer serienreif und wir wollen mit ausgewählten Partnern dann entsprechende Printer Hubs entstehen lassen, um dann dieses dezentrale Netzwerk zu knüpfen."
Wie lange das dauern wird, sagt von der Mülbe nicht. Aber er hat schon Pläne die Maschine weiterzuentwickeln. Heute muss man ihr die Ausgangsinformation noch in Form von DNA eingeben. In Zukunft soll das rein digital, quasi übers Internet möglich sein. Das würde die Reaktionszeit beim nächsten gefährlichen Krankheitsausbruch nochmal ein wenig verkürzen.
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