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Technologische Tigersprünge

Einen Qualitätssprung im Antidopingkampf möchte die Weltantidopingagentur WADA erreichen. Um Forschungsschwerpunkte für die nächsten drei bis vier Jahre abzustecken, lud sie jüngst sechzig internationale Spitzenwissenschaftler zu einem Symposium in Rom ein. Auch Vertreter des Kölner Dopinglabors waren zugegen.

Von Tom Mustroph | 18.06.2011
    Forschungsgegenstand waren die Peptidhormone. Zu ihnen zählen Dopingsubstanzen wie das Erythropoetin- der Grundstoff des Blutdopingmittels EPO, Wachstumshormon, Insulin sowie Sexualhormone. Diese Hormone regen die Muskelbildung an, sorgen für stärkere Energiezufuhr in den Muskeln oder maskieren andere Dopingsubstanzen. Die WADA möchte besser werden. Um Forschungsschwerpunkte für die nächsten drei bis vier Jahre abzustecken, lud die Weltantidopingagentur in dieser Woche 60 Spitzenwissenschaftler zu einem Symposium in Rom ein. Auch Vertreter des Kölner Labors waren zugegen.

    Diskussionsstoff Nummer eins waren die Peptidhormone. Das sind so bekannte Dopingsubstanzen wie das Erythropoeitin - der Grundstoff des Blutdopingmittels EPO - Wachstumshormon, Insulin sowie männliche und weibliche Sexualhormone. Diese Hormone regen die Muskelbildung an. Sie sorgen für stärkere Energiezufuhr in den Muskeln oder sie maskieren - etwa im Falle der weiblichen Sexuelhormone - die Zufuhr anderer Dopingsubstanzen.

    Die prinzipielle Schwierigkeit bei diesen Substanzen liegt darin, sie von denen zu unterscheiden, die der Körper auf natürlichem Wege produziert. Francesco Botré, Leiter des Antidopinglabors in Rom und Gastgeber der Veranstaltung, vergleicht die körpereigenen und die körperfremden Substanzen mit zwei Zwillingen von fast identischem Gewicht.

    "Einer wiegt ein Gramm mehr als der andere. Auf der Waage, die ich zu Hause habe, sehe ich das nicht. Wenn mir eine genauere Waage zur Verfügung gestellt wird, bemerke ich die Differenz. Die Labortechnik hat in den letzten fünf Jahren gigantische Fortschritte gemacht. Wir überprüfen nun, ob die neuen Geräte, die leider ein Vermögen kosten, uns erlauben, die Unterschiede zwischen zwei Substanzen, die bis gestern noch identisch waren, zu erkennen."

    Für Botré ist dieser technologische Ansatz einer von drei Wegen des Fortschritts. Er ist noch der konventionellste Ansatz, denn er versucht, eine Substanz zu isolieren. Angesichts der Tatsache, dass die Pharmaunternehmen in den letzten Jahren die Produktbreite an potentiell leistungssteigernden Substanzen enorm erhöht haben, scheint dies ein zwar notwendiger, aber auch recht aussichtslos anmutender Weg zu sein. Der Forschungsdirektor der WADA, Olivier Rabin, erinnerte auf dem Symposium daran, dass es vor zehn Jahren lediglich zwei, drei verschiedene EPO-Präparate gab. Heute sind hingegen 120 EPO-Varianten auf dem Markt. Jedes Molekül ist etwas anders.

    "Der zweite Aspekt ist das physio-pharmakologische Wissen. Welche Effekte lösen diese Substanzen im Organismus aus? Beim Erythropoeitin war das zuerst die Erhöhung des Hämatokritwerts. Wir müssen dann herausfinden, ob diese Effekte nur durch Doping hervorgerufen werden und nicht durch eine andere Ursache.....,"

    sagt Francesco Botré von Antidopinglabor Rom. Dieser indirekte Weg beobachtet die Veränderung bestimmter Parameter. Vor allem zum Nachweis von Blutdoping wird diese Methode gegenwärtig angewendet.

    "Die dritte Möglichkeit ist, danach zu suchen, was die normale Komposition des Körpers, seines Urins oder des Bluts, ändert und dessen Ursache nur das Doping sein kann."

    Francesco Botré regt einen individuellen Hormonpass an, in dem die Änderungen der Hormonwerte langfristig beobachtet werden.

    "Man kann eine Proteinkarte eines normalen Menschen studieren und die eines Menschen, der gedopt hat. Das unverzichtbare Instrument für diese dritte Methode ist der biologische Pass eines Sportlers. Man muss beginnen, wenn sie 17 Jahre alt sind und sehen, ob es Veränderungen gibt und sehen, ob diese Veränderungen allein durch das Doping ausgelöst sein können.",

    Ziel ist also ein Hormonpass. Er ist dem Blutpass vergleichbar, den der Radsportweltverband UCI bereits eingeführt hat und mit dessen Hilfe ein knappes Dutzend Fahrer bereits als Doper identifiziert wurden. Der Hormonpass ist allerdings wissenschaftlich noch anspruchsvoller als der Blutpass, denn die Variation der Hormone ändert sich schneller als die Parameter des Blutes. Botré ist aber optimistisch, dass das Vorhaben in naher Zukunft glücken könnte. Auf die Frage, wann diese Methode einsatzbereit wäre, antwortet er:
    "Morgen schon. Wir arbeiten seit gestern daran"
    Botré hatte noch eine Neuigkeit parat. Sein Labor arbeitet gemeinsam mit dem Londoner Labor an einem neuen Nachweisverfahren für Wachstumshormon. Es erhöht das Nachweisfenster von gegenwärtig ein bis zwei Tagen auf das Fünffache. Das wäre ein beachtlicher Qualitätssprung. Der Test soll spätestens zu den Olympischen Spielen 2012 in London einsatzbereit sein. Vielleicht auch schon jetzt zur Tour de France 2011?
    "Das ist eine gute Frage......"

    sagt Botré und verweist auf Wada-Forschungsdirektor Olivier Rabin. Doch der erinnert an das Prinzip seiner Organisation, niemals anzukündigen, wann ein Test wirklich einsatzbereit ist.
    Rabin zeigte sich mit dem Verlauf des Symposiums zufrieden. Er glaubt, dass die finanziellen Ressourcen für Erfolg versprechende Projekte eingesetzt werden. Sorge bereitet ihm aber das Ungleichgewicht der Geldströme im globalisierten Sport.

    "Wenn man auf die Geldbeträge schaut, die weltweit für den Antidopingkampf eingesetzt werden, dann ist das ein minimaler Betrag im Vergleich mit dem Geld, das durch Sport generiert wird. Wenn man wirklich glaubt, dass Doping ein Thema im Sport ist, ist es offensichtlich, dass wir mehr Ressourcen brauchen."

    Weil die Bundresregierung derzeit eine Kürzung des Zuschusses für die nationale Antidopingagentur NADA in Erwägung zieht und auch in Zahlungsrückstand gegenüber der WADA ist, liegt der Verdacht nahe, dass es hierzulande trotz der großen Aufregung um Sportveranstaltungen wie die Tour de France um den Willen zu einem effektiven Antidopingkampf nicht sonderlich gut bestellt ist.
    Dass die Wissenschaft Fortschritte macht, ist erfreulich. Aber auch die Politik muss ihre Hausaufgaben machen.