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Die Industrieländer leiden nicht an Wassermangel. Ihr Problem ist es vielmehr, wie das Grundwasser sauber gehalten werden kann, so dass es als Trinkwasser genutzt werden kann. Dafür sorgen die Kommunen mit bundesweit 6.700 Betrieben, die für rund 18.000 Wasserwerke verantwortlich sind. Durch Verordnungen über Wasserschutzgebiete tragen die jeweiligen Länder in Deutschland zur Reinhaltung des Wassers bei. Bei neuen Verordnungen sind vor allem diejenigen betroffen, die im Geltungsbereich Flächen in irgendeiner Form bewirtschaften. Darunter vor allem die Landwirte. In vielen Fällen basiert Wasserschutz in Deutschland darauf, dass es Kooperationsvereinbarungen zwischen Wasserwerken und Landwirten gibt. Im Vorfeld einer neuen Verordnung müssen auch sie gehört werden. In Schleswig-Holstein fand ein solches Rechtssetzungsverfahren für die Ausweisung eines Wasserschutzgebietes statt, bei dem die dort betroffenen Landwirte sich erfolgreich einschalten konnten.

Von Annette Eversberg | 15.10.2001
    Das Wasserhaushaltsgesetz sorgt für den Schutz unseres Grundwassers. Im Rahmen des Gesetzes werden die Wasserschutzgebiete ausgewiesen. Welchem Zweck sie genau dienen, erläutert Dr. Tilmann Giesen, Rechtsanwalt aus Kiel.

    Es ist so, dass ein Wasserschutzgebiet gemacht wird für den Schutz seines Wassers und der Brunnen. D.h. man muss zunächst einmal fragen, ist Schutzbedarf überhaupt vorhanden, muss das Wasser geschützt werden, oder ist das nicht vielmehr durch die natürlichen Gegebenheiten, durch den hydrologischen Aufbau, durch den geologischen Schichtenaufbau, ist das Grundwasser nicht ausreichend geschützt?

    Als schädliche Einwirkungen auf das Grundwasser werden im Wasserhaushaltsgesetz zwei Faktoren besonders herausgehoben: Dünger und Pflanzenschutzmittel. Bei der Ausweisung von Wasserschutzgebieten wird deshalb von den Behörden die Landwirtschaft ganz besonders ins Visier genommen. Das war auch der Fall, als ein Wasserschutzgebiet in Quickborn am Stadtrand von Hamburg ausgewiesen werden sollte. Tilmann Giesen vertrat als Rechtsanwalt die betroffenen Landwirte:

    Das Wasserschutzgebiet Quickborn ist ausgewiesen worden unter einem Vorsorgesichtspunkt. Es könnte ja sein, dass doch einmal etwas ankommt. Das ist dann die zentrale Frage und das zentrale Kriterium, wie groß, wie klein darf ein Restrisiko sein, was man in Kauf nimmt. Besteht es überhaupt, also das ist im einzelnen hochstreitig.

    Die Landwirte sollten Auflagen erhalten. Sie sollten jeden Umbruch von Grünland genehmigen lassen, die Stickstoffmenge war begrenzt, ohne dass dabei der Nährstoffbedarf der Pflanzen berücksichtigt werden konnte, und die Landwirte sollten eine lückenlose Liste über Düngemaßnahmen führen. Sie gingen auf die Barrikaden und nahmen die geologischen Verhältnisse des Gebietes einmal genauer unter die Lupe. Tilmann Giesen:

    Im Beispiel Quickborn ist es so, dass das Grundwasser aus dem zweiten Grundwasserstockwerk entnommen wird. Sie haben also einen oberflächennahen Grundwasserleiter, der in Quickborn nicht angebohrt wird durch die Brunnen und einen durch eine sehr mächtige Tillschicht davon getrennt liegenden etwa 60 Meter tiefliegenden Grundwasserleiter. Und da ist das Wasser absolut sauber.

    Auch die Größe des geplanten Gebietes kam den Landwirten spanisch vor. Sie richtete sich nach der Menge von Grundwasser, die maximal als Entnahme genehmigt war. Die Landwirte hielten auch diesmal dagegen. Berechnet wurde die tatsächliche Menge der Entnahme. 2 Millionen Liter statt ursprünglich 2,6 Millionen. Das Ergebnis: Das Wasserschutzgebiet wurde um ein Drittel verkleinert. Das bedeutet, statt ursprünglich 19 landwirtschaftliche Betriebe liegen jetzt nur noch 7 im Einzugsgebiet. Dass Landwirte bei Rechtssetzungsverfahren und noch danach Erfolge verbuchen können, das zeigte sich 1999 auch in den Kreisen Prignitz und Spree-Neiße. Dort wurden 18 ehemalige Wasserschutzgebiete aufgehoben, weil die vorhandenen das Grundwasser ausreichend schützen. In Bayern und Niedersachsen haben sich Landwirte ebenfalls erfolgreich gegen überzogene Forderungen gewehrt. Aber sie befürchten dennoch, dass sich die Situation bald noch verschärfen könnte. Denn auch die überwiegend kommunalen Wasserwerke stehen vor der Privatisierung. Gewinne lassen sich vor allem durch Kostensenkung erwirtschaften. Dies mache deutlich, so Tilmann Giesen, dass der Wasserschutzgedanke überprüft werden müsse. Vor allem im Hinblick auf die Stickstoffgrenzwerte für die Landwirtschaft.

    Wir haben einen enorm hohen Eintrag aus diffusen Stickstoffquellen aus der Luft. Und wir stellen eben fest, dass das Gefährdungspotential, das aus der Landwirtschaft kommt, im Vergleich zu anderen Gefährdungspotentialen sehr viel geringer ist. Und ein Vorwurf ist, dass diese Wasserschutzverordnungen das Gefährdungspotenzial sehr stark beackert, dort die Daumenschrauben ansetzt und die Grenzwerte erhöht, während andere Gefährdungspotentiale, Straßenverkehr, Bahnverkehr, Altablagerungen völlig unbeachtet bleiben. Landwirtschaft angelastet werden.