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Telegrafen-Miterfinder Wilhelm Weber
Das Morsealphabet quer durch Göttingen geschickt

Wind- und wetterunabhängig sollten Nachrichten verschickt werden können und das schaffte der erste elektrische Telegraf. Erfunden haben ihn Carl Friedrich Gauß und der Göttinger Physiker Wilhelm Eduard Weber, der heute vor 125 Jahren in seiner Heimatstadt starb.

Von Frank Grotelüschen | 23.06.2016
    Der elektrische Telegraf – vor der Erfindung des Telefons die gängige Methode, in Echtzeit über große Entfernungen zu kommunizieren. Erfunden haben ihn zwei Deutsche: das Universalgenie Carl Friedrich Gauß und der Physiker Wilhelm Eduard Weber.
    Weber hatte sich in Halle an der Saale mit einer Arbeit über Orgelpfeifen habilitiert, um 1831 einem Ruf nach Göttingen zu folgen. Dort schloss der 27-Jährige Bekanntschaft mit dem älteren, bereits arrivierten Gauß.
    Arnulf Quadt:
    "Die beiden waren persönlich enge Freunde und haben auch in ihren Forschungen eng zusammengearbeitet."
    Sagt Arnulf Quadt, Physiker an der Universität Göttingen. Weber und Gauß zeigten sich von zwei Phänomenen fasziniert – Elektrizität und Magnetismus. 1833 kam ihnen die Idee für einen trickreichen Aufbau.
    Arnulf Quadt:
    "Das ist ein Eisenkern, den man durch die Spule bewegt, der mit einer Feder wieder zurückbewegt werden kann. Also, es ist alles sehr robust, aber funktioniert gut."
    Teststrecke: Von der Uni zur Fernwarte
    Bewegte man den Eisenkern hin und her, entstand in der Spule ein schwacher Stromstoß. Dieser Stromstoß lief durch einen Draht und lenkte an anderer Stelle eine Kompassnadel aus. Um das Gerät zu testen, spannten Weber und Gauß einen Draht von der Universität zur einen Kilometer entfernten Sternwarte. Der erste Test folgte Ostern 1833.
    Arnulf Quadt:
    "Die haben damit in so einer Art Morsealphabet quer durch die Stadt Göttingen auch schon erste Nachrichten verschickt."
    Über den Inhalt dieser ersten Nachrichten aber kursieren verschiedene Varianten.
    "Wissen vor meinen, sein vor scheinen."
    So sagen die einen. Andere dagegen behaupten:
    "Michelmann kommt."
    Wobei Michelmann schlicht der Institutsdiener war. Wie dem auch sei – das neue Patent sollte das Fernmeldewesen revolutionieren. Bis dato hatte es einzig die optische Telegrafie gegeben, bei der Nachrichten mit Hilfe von Türmen, Fernrohren und schwenkbaren Signalarmen übertragen wurden. Dem war die elektrische Telegrafie haushoch überlegen, so Gauß in einem Brief an den Astronomen Heinrich Olbers.
    Carl Friedrich Gauß:
    "Diese Art zu telegrafieren hat das Angenehme, dass sie von Wind und Wetter ganz unabhängig ist. Jeder, der das Zeichen gibt und der dasselbe empfängt, bleibt in seinem Zimmer, wenn er will bei verschlossenen Fensterläden. Ich bin überzeugt, dass unter Anwendung von hinlänglich starken Drähten auf diese Weise auf einen Schlag von Göttingen nach Hannover und von Hannover nach Bremen telegrafiert werden könnte.
    1839 ging in London die weltweit erste kommerzielle Telegrafenverbindung in Betrieb. 1847 folgte die Erste in Deutschland zwischen Bremen und Bremerhaven. Wilhelm Weber indes war zu dieser Zeit längst in andere Belange verstrickt:
    Arnulf Quadt:
    "Weber in Göttingen ist hoch gefeiert immer noch, weil er einer der ‚Göttinger Sieben’ war."
    1837 hatte im Königreich Hannover Ernst August den Thron bestiegen – und umgehend die für damalige Verhältnisse sehr freiheitliche Verfassung außer Kraft gesetzt. Sieben Professoren der Universität Göttingen reagierten mit einem Protestschreiben, darunter Wilhelm Weber und die Gebrüder Grimm. Das aber wollte sich Ernst August nicht gefallen lassen – und jagte die Göttinger Sieben aus Amt und Würden. Eine Affäre, die als eine der frühesten Episoden in der deutschen Demokratiegeschichte gilt:
    Weber einer der Göttinger Sieben
    Arnulf Quadt:
    "Aus dieser Initialzündung heraus haben sich dann die demokratischen Bewegungen entwickelt. Auch da war Weber dran beteiligt."
    Weber kam in Leipzig unter, erst nach der Revolution von 1848 konnte er auf seine alte Stellung in Göttingen zurückkehren. Dort lebte er bis zu seinem Tod am 23. Juni 1891 und konnte sich in seine Lieblingsthemen Elektrizität und Magnetismus vertiefen: Zwei Phänomene, die damals noch als völlig verschiedenartig galten.
    Arnulf Quadt:
    "Weber wird zugeschrieben, dass er die elektrische Ladung und eine Grundeinheit, die magnetische Phänomene auslöst, untersucht hat und festgestellt hat, dass die letztendlich identisch sind."
    Magnetismus entsteht, wenn elektrische Ladung bewegt wird. Dieser Umstand mag bereits Weber gedämmert haben. Auf den Punkt aber brachte ihn der schottische Physiker James Clerk Maxwell, als er 1864 seine berühmte Theorie vorstellte, die Elektrizität und Magnetismus zum Elektromagnetismus vereint. Wilhelm Weber hat dazu wichtige Beiträge geleistet – weshalb die Einheit einer physikalischen Größe, des magnetischen Flusses, nach ihm benannt ist. Und: Gemeinsam mit Gauß ist Weber in Göttingen als bronzenes Denkmal verewigt.
    Arnulf Quadt:
    "Der eine steht, und der andere sitzt. In so eine offene Hand passt genau diese Spule rein als Symbol für den Telegrafen. Aber weil es eben ein separates Bauteil ist, wird die oft geklaut und durch ein Fünf-Liter-Fässchen Bier ersetzt. Also es ist auch heute noch ein beliebter Ort für Studierende, dort Traditionsübungen zu vollführen."