Liminski: Der Bund hält insgesamt 43 Prozent der Anteile bei der Telekom. Soll der größte Anteilseigner sich nicht einmischen, wenn es Unruhe gibt?
Henkel: Doch, aber nicht so, wie der Eindruck vermittelt wurde, sondern so, wie es Herr Eichel beschrieben hat, das heißt der Bund hat natürlich zwei Mitglieder im Aufsichtsrat, und das ist genau die Plattform und die Position, von der aus er Einfluss nehmen kann. Wenn man aber Glauben schenken darf, was da alles berichtet wurde über Telefonate, Gewerkschaften und Staatssekretäre, die gar nicht im Aufsichtsrat sitzen, dann ist nach meiner Meinung der Einfluss der Politik so hoch gewesen, dass er zu kritisieren ist, und er wird ja auch schon kritisiert, denn ich weiß von meinen Kollegen - und sicherlich wird es im Ausland genauso gesehen -, dass die Einmischung der Politik in eine große Publikumsgesellschaft nicht akzeptiert wird. Ich darf daran erinnern: Als Telekom Voicestream in Amerika übernehmen wollte, hatte es viele amerikanische Politiker gegeben, die das verhindern wollten, weil sie dieses privat geführte amerikanische Unternehmen eben nicht dem Einfluss des deutschen Staates unterwerfen wollten, und die Bundesregierung war vorne weg, indem sie immer wieder erklärte, dass sie keinen ungewöhnlichen Einfluss auf die Telekom nehmen würde.
Liminski: Wie hätte sich der Aufsichtsrat gegen die politische Einmischung wehren können?
Henkel: Also ich glaube, er hat es letzen Endes sehr gut gemacht. Ich muss nochmals daran erinnern, dass diese Entscheidung, wenn man davon absieht, dass Herr Sommer seine eigenen Konsequenzen gezogen hat, eigentlich für die Situation sehr gut ist, denn wir haben es auf der einen Seite mit einem äußerst erfahrenen Wirtschaftsführer zu tun, der die Telekom für maximal sechs Monate leitet, und der sie gut kennt; er war ja selbst Aufsichtsratsvorsitzender. Unter ihm ist direkt Herr Tenzer, der sicherlich sehr viel kann und dem Unternehmen loyal erhalten bleibt. Und dann haben wir einen nach meiner Meinung doch sehr gut agierenden Aufsichtsratsvorsitzenden, der sich in der Öffentlichkeit nie geäußert hat. Und jetzt ist die Telekomspitze in einer sehr guten Lage. Sie hat ja sechs Monate Zeit, sich einen neuen Chef zu suchen, und das wollen sie ja auch, und in diesen sechs Monaten findet die Bundestagswahl statt, das heißt sie kann sich so viel Zeit nehmen, dass auch die beiden Vertreter im Aufsichtsrat, die die Bundesregierung und die neue Bundesregierung dann stellen würde, ebenfalls zufrieden sind. Schlimm wäre es ja, wenn man jetzt einen Kandidaten präsentierte, der einer gegebenenfalls neuen Bundesregierung auch nicht gefallen würde. Also ich glaube, die heutige Situation gibt dem Aufsichtsrat ein Maximum an Flexibilität, und ich muss doch den Hut ziehen vor der Weisheit des Aufsichtsratsvorsitzenden, es letzten Endes so zu gestalten.
Liminski: Eine Boulevardzeitung titelt heute: Nun soll es ein Rentner machen. Ist das publizistische Vorverurteilung.
Henkel: Das würde ich sagen, ja. Übrigens sprechen Sie auch mit einem Rentner, allerdings mit einem sehr aktiven. Wir reden immer davon, dass die demografische Entwicklung in Deutschland sich verändert, dass wir alle immer älter werden. Und wir wissen auch, dass die Altersforscher den heute Alten viel mehr zutrauen als früher. Ich weiß nicht, welche Boulevardzeitung es war, vielleicht die, in der ich regelmäßig kommentiere. Das ist eine nicht besonders rentnerfreundliche Überschrift.
Liminski: Nach welchen Kriterien wird die Wirtschaft den Wechsel beurteilen?
Henkel: Eigentlich nach dem Börsenkurs. Und man darf sich natürlich nicht von dem leiten lassen, was da in den letzten zwei Wochen passiert ist. Wir sollten auch jetzt auch überreagieren, was in den nächsten zwei Wochen passiert. Die ersten Ankündigungen von Herrn Sihler sind ja eigentlich Ankündigungen, die jeder erwartet, nämlich dass in der Telekom doch Einschnitte stattzufinden haben, von denen ich nicht weiß, ob sie nicht Ron Sommer auch vorgehabt hätte. Das ist mir nicht bekannt, aber ich gehe eigentlich auch davon aus. Solche Ankündigungen plus die Möglichkeit, dass wir innerhalb der nächsten sechs Monaten einen guten Führer für das Unternehmen haben, glaube ich, werden zu einem besseren Aktienkurs führen, denn eigentlich, Hand aufs Herz, kann die Aktie nur noch besser werden. Ich selbst bin im Aufsichtsrat eines anderen ausländischen Telekom-Unternehmens und kann die Branche ganz gut beurteilen. Sie liegt weltweit am Boden, und die Telekom ist sozusagen innerhalb dieser Blinden einäugig und dadurch in relativ guter Verfassung, und das sollte sich auch auf den Börsenkurs auswirken.
Liminski: Schadet dieser Fall dem Standort Deutschland?
Henkel: Also ich würde sagen, das Hineinziehen dieses Falls in den Wahlkampf hat dem Investitionsstandort Deutschland natürlich nicht genützt. Auf der anderen Seite muss ich leider sagen, dass es in Deutschland sehr viel Einmischung in die Wirtschaft gibt. Wir haben dauernd irgendwelche Beschwerden gegenüber den Kommissaren in Brüssel von Seiten der deutschen Regierung, die angeblich im Interesse der deutschen Wirtschaft sind, aber in den seltensten Fällen ist das der Fall, meistens stehen dahinter die Interessen eines Unternehmens oder einer Branche. Das wird natürlich auch beobachtet. Ich habe bei meinem letzten Besuch in Brüssel eine gewisse Verbitterung feststellen können bei einigen Kommissaren über die - ich möchte mal sagen - wettbewerbsfeindliche Einstellung der derzeitigen Regierung, und das ist eigentlich das, was wirklich schadet. In dem Zusammenhang ist diese Telekom-Geschichte relativ banal.
Liminski: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio