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Teltschik: Abhören durch Amerikaner bisher völlig undenkbar

Es sei absolut richtig, dass eine deutsche Delegation zu Gesprächen über die Ausspähungen in die USA reise, sagt der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik. Der Vorwurf der USA, auch Deutschland würde befreundete Staaten ausspähen, nannte er eine Unverschämtheit.

Horst Teltschik im Gespräch mit Bettina Klein | 30.10.2013
    Bettina Klein: Die Anhörung vor dem Kongressausschuss war bereits länger geplant, doch nicht nur aus deutscher Sicht erhielten die Befragungen von Geheimdienstechef James Clapper und NSA-Direktor Keith Alexander nun zusätzliche Bedeutung, wurden sie doch nun auch gezielt nach dem Ausspähen befreundeter Regierungen befragt.

    Eine Delegation des Kanzleramtes also heute in Washington. Horst Teltschik war ab 1983 Vizechef des Bundeskanzleramtes, später leitete er die Münchner Sicherheitskonferenz und er ist jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Teltschik.

    Horst Teltschik: Guten Tag.

    Klein: Gespräche auf Kanzleramtsebene in Washington – ist das die richtige Strategie im Augenblick?

    Teltschik: Ja ich halte das für absolut richtig, dass Herr Heusgen als der zentrale außen- und sicherheitspolitische Berater der Bundeskanzlerin und der Beauftragte für die Geheimdienste im Bundeskanzleramt jetzt im Weißen Haus angetreten sind und mit Frau Rice sprechen. Das ist die politische Ebene, das ist die Arbeitsebene und ich gehe davon aus, dass hier ein Vertrauensverhältnis besteht und dass man im Zusammenhang mit dem amerikanischen Präsidenten jetzt deutliche Worte erstens sagt und zweitens auch eine Botschaft über diese amerikanischen Kollegen vom amerikanischen Präsidenten an die Bundeskanzlerin bekommt, wie es nun weitergehen soll, was man jetzt tun will ...

    Klein: Herr Teltschik, um da noch mal nachzufragen. Wie Erfolg versprechend sind denn solche Gespräche, wenn man doch den Eindruck bekommt, dass in Washington eigentlich wenig Neigung besteht, die bisherige Praxis infrage zu stellen?

    Teltschik: Ja gut, die Frage ist jetzt: glaubt man oder vertraut man dem amerikanischen Präsidenten, der gesagt hat, dass man die gesamte Tätigkeit von NSA gerade gegenüber den Bündnispartnern neu durchforsten will und hoffentlich auch neu gestalten will. Das ist die politische Ebene und deshalb die Gespräche im Weißen Haus: Was ist da vorgesehen, will man Bündnispartner, befreundete Staaten weiter abhören oder nicht? Und das Zweite ist natürlich die Senatorin Feinstein, die in der Tat sehr mächtig und sehr einflussreich ist und jetzt doch eine Kontrolle der NSA durchsetzen kann.

    Klein: Herr Teltschik, James Clapper – der Name fiel jetzt schon mehrfach in der Sendung -, er weist darauf hin, das sei ja wohl nichts Neues, dass auch befreundete Staaten, Regierungen und Regierungschefs ausspioniert werden. Das würden schließlich alle machen und die Europäer sollen bitte nicht so scheinheilig tun. Hat er recht?

    Teltschik: Nein. Ich halte das für eine Unverschämtheit. Wenn es die Amerikaner getan haben, auch gegenüber gerade den befreundeten und verbündeten Staaten, halte ich das für einen Skandal.

    Klein: Dass er das behauptet, halten Sie für einen Skandal?

    Teltschik: Nein, wenn sie es gemacht haben. Sollten sie es gemacht haben, halte ich das für einen Skandal. Dass er es behauptet, ist eine typische amerikanische Verhaltensweise, die Verhaltensweise einer Großmacht, die auf niemanden und auf nichts Rücksicht nimmt und nehmen will, wenn es um die eigenen Interessen geht. Zu unserer Zeit im Bundeskanzleramt, wir wären doch nie auf den Gedanken gekommen, dass die amerikanischen Verbündeten uns abhören. Wir sind davon ausgegangen, dass der KGB und die Stasi uns abhören, aber doch nicht NSA.

    Klein: Der BND-Chef Schindler hat nun zumindest auch bestritten, dass in der deutschen Botschaft in Washington irgendwelche Abhöraktivitäten gestartet würden. Ansonsten blieb das aber offen. Aber Sie gehen davon aus, der BND ist nicht in vergleichbarer Weise in Washington unterwegs, wie das ja umgekehrt offenbar der Fall in Berlin ist?

    Teltschik: Davon bin ich überzeugt, dass wir in der deutschen Botschaft in Washington nie die amerikanische Administration abgehört haben. Wir haben Residenten des Bundesnachrichtendienstes natürlich in Washington gehabt, aber deren Aufgabe war es, den engen Kontakt zur CIA zu halten, um die Kooperation, soweit sie notwendig war, zu pflegen, aber nicht abzuhören.

    Klein: In Deutschland herrscht auch einiges Unverständnis darüber, dass die Geheimdienstchefs jetzt argumentierten, wie sie immer argumentiert haben, nämlich die Geheimdienstaktivitäten seien wichtig, um nicht nur für die Sicherheit der USA, sondern auch für die in Europa zu sorgen. Muss man dafür in Europa Verständnis aufbringen?

    Teltschik: Die ganze Aktion oder die Intensivierung dieser Aktionen hat ja mit dem schrecklichen Terroranschlag am 11. September 2001 in New York und gegenüber dem Pentagon begonnen, und der Terrorismus hat seitdem natürlich eine ganz andere Dimension angenommen. Und gerade für die Amerikaner war es ja ein Schockerlebnis, das auf ihrem eigenen Territorium ein solcher Anschlag möglich war. Seitdem spricht ja die amerikanische Administration und praktisch jeder Präsident, dass sie sich im Krieg gegen den Terrorismus befinden. Sie gehen von einem Kriegszustand aus, den wir in Europa eigentlich nie so richtig wahrgenommen haben, wie ernst es den Amerikanern ist.

    Klein: Das heißt, mehr Verständnis wäre da angeraten aus Ihrer Sicht?

    Teltschik: Ja, das schon. Aber nicht, dass es so weit geht, dass sie jetzt nun befreundete Regierungen abhören. Dafür habe ich null Verständnis.

    Klein: Die Einschätzung von Horst Teltschik, ehemaliger Vizechef im Bundeskanzleramt und ehemaliger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, heute Mittag im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Teltschik.

    Teltschik: Ja gerne.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.