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Teltschik für bessere Vorbeugung gegen Terrorismus

Elke Durak: Der Streit zwischen Regierung und Opposition hierzulande über Sicherheitsfragen im neuen Zuwanderungsgesetz macht deutlich, wie schwer es ist, sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen. Wie viel Sicherheit muss sein und wie viel Toleranz darf sein? Ähnlich verhält es sich international, siehe Brüssel und die EU-Verhandlungen heute Abend, wir haben darüber berichtet. Und wie es möglicherweise schief gehen kann, zeigt sich ja anhand der Arbeit des Untersuchungsausschusses in Washington, von dem wir eben gehört haben, unter anderem der Brief von Richard Clarke an die Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, wenn das alles so stimmt. Frage ist: wie viel Einfluss sollen Geheimdienste auf die aktuelle Politik nehmen dürfen, ab wann wird übertrieben? Horst Teltschik ist am Telefon, Politologe und als Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz bekannt. Guten Tag, Herr Teltschik.

Moderation: Elke Durak |
    Horst Teltschik: Guten Tag, Frau Durak.

    Durak: Wie möchten Sie diese Frage beantworten?

    Teltschik: Ich selbst habe ja sehr persönliche Erfahrungen mit den Diensten gemacht als ich acht Jahre beim Bundeskanzleramt tätig war und die Berichte ja zum Teil fast täglich auf den Tisch kamen. Damals hat sich schon herausgestellt, dass es sehr schwierig ist, Schlussfolgerung aus diesen Berichten zu ziehen, weil sie oft in der Auswertung, in der Berichtsform wenig Schlüsse zulassen, was man operativ daraus machen muss. Deshalb verstehe ich schon, dass auch in den USA, wenn Berichte auf den Tisch kommen, es immer eine Entscheidung von Einzelpersonen ist, ob daraus Konsequenzen gezogen werden oder nicht. Ich lehne es aber grundsätzlich ab, dass die Dienste selbst Vorschläge entwickeln, wie die Politik agieren soll. Sie sollen Berichte geben, die Informationen bewerten und es ist dann die Entscheidung der Politik, ob sie Schlussfolgerungen zieht und welcher Art.

    Durak: Aber widersprechen Sie sich damit nicht selbst, Herr Teltschik? Sie sagten eben, als Empfänger solcher Briefe und Auswertungen sehen Sie sich vor der Tatsache, dass Sie keine Hinweise bekommen, wie Sie agieren sollen. Gleichzeitig sagen Sie, Sie möchten keine Hinweise konkret der Geheimdienste haben, wie man reagieren kann.

    Teltschik: Ja, Sie haben Recht, das ist widersprüchlich, was ich eigentlich meine ist, dass es schwierig ist, die Berichte in ihrer Bedeutung zu bewerten, darum geht es mir und da hätte ich oft klarere Hinweise haben wollen, ob die Berichte den Politiker dazu veranlassen sollen, jetzt zu handeln oder ob das mehr oder weniger nur eine Unterrichtung ist unter dem Gesichtspunkt, wir werden das weiterverfolgen und wenn sich da Brisanz aufbaut, werden wir zurückkommen. Es geht mir mehr um die Gewichtung, die Schlussfolgerung muss die Politik ziehen und ich habe oft beklagt, dass wir eigentlich nicht wissen, damals ging es ja noch um den Warschauer Pakt, ist die Quelle so, dass die Politik jetzt handeln muss oder ist es mehr oder weniger eine Unterrichtung nach dem Motto, ja sie sollten es wissen, dass man so denkt und solche ...

    Durak. ... es könnte dies und jenes passieren. Herr Teltschik, die Zeiten haben sich in der Tat aber geändert. Die internationalen Terroristen machen uns qua Handlung klar, was sie mit uns vorhaben. Glauben Sie denn, jetzt mal mit Blick auf Brüssel und den Aktionsplan und dem, worüber man sich noch nicht einigen kann, dass es wirklich möglich ist, mit Hilfe eines Sonderbeauftragten für den Terrorismus, mit der Zusammenarbeit der Polizeien und der Geheimdienste, sich dieser Bedrohung zu stellen? Ist man überhaupt in der Lage dazu, dies herzustellen?

    Teltschik: Mein Problem besteht darin, dass wenn Probleme sich abzeichnen in der Regel die Politik überhaupt nicht reagiert. Es muss immer erst was geschehen. Wir haben ja längst einen Kommissar, der eigentlich für all diese Fragen zuständig ist. Warum brauchen wir jetzt eigentlich einen Sonderbeauftragten? Was soll der darüber hinaus leisten? Der Vorteil, den wir ja heute haben im Vergleich vor zehn Jahren ist, dass die Vielzahl an Informationen, die von den Diensten aufbereitet werden, heute vernetzt werden können. Das Problem in früheren Jahren lag ja darin, dass die verschiedenen Sicherheitsdienste untereinander Schwierigkeiten hatten, Informationen auszutauschen.

    Durak: Das ist heute anders?

    Teltschik: Heute haben sie Software, heute haben sie Computer und das Wichtigste, was ich heute fordern würde, ist die Vernetzung aller Dienste, von der Polizei über Kriminalämter, über Verfassungsschutz, über den Bundesnachrichtendienst und das international. Schauen Sie an, Helmut Kohl als Bundeskanzler hat schon in den achtziger Jahren, ich war Zeuge dieser Gespräche, den Vorschlag gemacht, ein europäisches FBI zu gründen. Das heißt einfach eine Verbrecherverfolgung europaweit zu ermöglichen. Das war nicht möglich, das ist nicht durchsetzbar gewesen, wir haben am Ende dann Europol gegründet, wir haben Europol in Brüssel gegründet, ohne dass wir Europol mit den genügenden Kompetenzen ausgestattet haben.

    Durak: Das soll sich ja möglicherweise ändern?

    Teltschik: Aber erst nachdem Terrorakte erfolgen, das ist das Problem. Warum macht man das nicht vorbeugend, in der Vorausschau? Die Probleme des Terrorismus sind ja nicht neu, wir haben in den siebziger, achtziger Jahren in Deutschland Terrorismus gehabt und international Terrorismus gehabt. Die Probleme sind längst auf dem Tisch.

    Durak: Ein Vorwurf an die Politik, eine Beratung auch für die Politik durch Horst Teltschik, Politologe und Leiter der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik und ehemaliger Kanzlerberater. Danke schön, Herr Teltschik.