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Terror-Anschläge von Bali

Spengler: Seit Monaten erleben wir eine auf den ersten Blick nicht zusammenhängende Serie von Anschlägen, die sich zwar gegen Menschen aus Demokratien und Marktwirtschaften der Westlichen Welt richtet, die aber in Tunesien, in Pakistan, vor dem Jemen oder jetzt auch Bali stattfinden. Am Telefon sind wir verbunden mit Bernd Georg Tamm, einem Experten und Publizisten, der sich seit mehr als drei Jahrzehnten mit den Themen "organisierte Kriminalität und Terrorismus" befasst. Guten Morgen, Herr Tamm.

    Tamm: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Könnte der schreckliche Bombenanschlag auf Bali mit dem Terrornetzwerk El Kaida zusammenhängen, was einige vermuten?

    Tamm: Indirekt schon. Also die Mutmaßungen gehen ja in die Richtungen, dass die Täter aus den Reihen der Islamisten Indonesiens kommen, also genauer aus der Gruppierung der Jema Islamia.

    Spengler: Der Vorsitzende hat das allerdings vor kurzem im Fernsehen zurückgewiesen.

    Tamm: Das kann ich mir vorstellen. Dennoch ist es unstrittig, dass der Gründer dieser Gruppe, Abu Bakar, ja durchaus zurecht verdächtigt wird, auch schon Anschläge gegen westliche diplomatische Einrichtungen in Singapur vorbereitet zu haben. Er unterhält eine eigene Schule mit über 2500 jungen Leuten, und deren Moto ist: Der Djihad ist unser Weg. Diese jungen Leute, die in dieser Richtung von dem Lehrer im Djihad Bakar ausgebildet werden, sind glühende Verehrer von Osama Bin Laden, für den sie, wie es heißt, ihr Leben lassen würden. Also so ohne weiteres würde ich diese Vermutung nicht abtun.

    Spengler: Hatten Sie denn Anzeichen dafür, dass ein solcher Anschlag auch in dieser Weltregion zu erwarten war?

    Tamm: Ja, vor dem Hintergrund, dass die sogenannten Djihad-Soldaten, die ja über viele Jahre in den Kämpfen der El Kaida in Afghanistan ausgebildet wurden, eindeutig zum einen ausländische Touristen und zum anderen auch so genannte Orte des Vergnügens, also beispielsweise Diskotheken zum Ziel erklärt haben. Die Anschläge der jüngeren Zeit erfolgten ja nicht nur, wie das Beispiel Djerba gezeigt hat, im arabisch-islamischen Raum, sondern man musste und muss damit rechnen, dass solche Anschläge auch im asiatisch-islamischen Raum stattfinden, wie das Beispiel Bali jetzt ja belegt. Weitergehend muss man davon ausgehen, dass beispielsweise auch auf lange Sicht das kontinentale Europa und das Vereinigte Königreich nicht verschont bleiben werden.

    Spengler: Auch wenn Sie, Herr Tamm, diese Regionen jetzt alle aufzählen. Die Gefahr ist aber sicher doch in Abstufungen gegeben.

    Tamm: Selbstverständlich. Wir müssen davon ausgehen, dass im Augenblick nach dieser Diktion die Gefahrenpotentiale letztendlich in der muslimischen Welt mit global agierenden touristischen Zentren gegeben sind. Dazu gehören Sehenswürdigkeiten, die frequentiert werden, insbesondere auch von westlichen Touristen, und die sind mittlerweile beispielsweise im nördlichen Afrika, im Nahen und Mittleren Osten, aber auch in Südasien und Südostasien angesiedelt. Andere Regionen sind bis dato sicherer, was nicht heißt, dass das auch auf unabsehbare Zeit so bleiben wird.

    Spengler: Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie auch für Europa durchaus eine Gefahr sehen. Kann sich Europa davor besser schützen als bislang?

    Tamm: Es kann sich besser schützen. Es kann sich natürlich besser durch eine andere Informationspolitik schützen, das heißt mit einer genauere Kenntnis, was die Lagebilder, was mutmaßliche Gefahrenherde betrifft. Wir können von Ländern lernen, die über lange Jahre leidvolle Erfahrungen im Umgang mit Terror haben machen müssen, insbesondere Israel. Denn die Anschläge, auch hier in Europa, wenn sie denn stattfinden, werden nach meiner Einschätzung eben nicht durch biologische oder chemische Kampfmittel, sondern durch den Einsatz von Selbstmordattentätern verübt werden. Gegen diese gibt es kein definitives Gegenmittel. Selbst Israel, was wohl die größten Erfahrungen hat, kann leider nicht alle Attentäter abhalten und verhindern, dass diese dann auch ins Kernland geraten und dann in Tel Aviv oder wo auch immer Schrecken verbreiten.

    Spengler: Herr Tamm, im Augenblick wird ja darüber diskutiert, dass man gegen den Irak einschreiten sollte, vor allem die Amerikaner planen das. Wäre das ein sinnvoller Schritt im Kampf gegen den Terror?

    Tamm: Es wäre zweifelsohne ein wichtiger Schritt. Inwieweit dadurch der internationale Terrorismus minimiert werden kann, dass müsste eine Güteabwägung zeigen. Wir müssten uns natürlich bei einer militärischen Intervention im Irak auch zu aller erst fragen, was kommt danach.

    Spengler: Was kommt denn danach?

    Tamm: Ja, was passiert mit den Schiiten, was passiert mit den Kurden? Im Norden von Irak machen die Kurden möglicherweise einen eigenen souveränen Staat auf. Das sieht die Türkei gar nicht so gerne. An ihrem Grenzbereich bestehen möglicherweise aufgrund der alten Zerwürfnisse zu den Schiiten im Iran Gebietsansprüche. Am Schatt el-Arab wird durch den Krieg eine riesige Migrationswelle losgetreten, die Hunderttausende oder gar Millionen in der Golfregion ihre Heimatorte verlassen lässt.

    Spengler: Also diese Folgen müssten Ihrer Meinung nach berücksichtigt werden?

    Tamm: Aber selbstverständlich! Eine militärische Intervention hätte gravierende Auswirkungen auf die ganze Region und auf die Stabilität der Region. Nahost ist eine sehr wichtige Region. Vor allen die Reaktion muss man auch sehen. Es wird heute schon davon gesprochen, dass es, wenn westliche Militäreinheiten in dem arabischen Land Irak intervenieren, zu einem Djihad, einem heiligen Krieg, kommen könnte, wo muslimische Brüder mit aufgerufen werden zu helfen. Auf lange Sicht kann das natürlich bedeuten, dass in die Arme der jetzigen islamistischen, terroristischen Strukturen und der Netzwerke durch diese Aktion vermehrt Kämpfer zugetrieben werden.

    Link: Interview als RealAudio