Die islamistische Gruppierung "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (ISPK) hat sich zu dem Terrorangriff auf die Konzerthalle an der Stadtgrenze von Moskau am 22. März 2024 mit mehr als 130 Toten bekannt. Im Westen wird dies für glaubwürdig gehalten. Frankreich hat nach dem Anschlag in Russland die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. So etwas wie Terrorwarnstufen gibt es in Deutschland nicht, laut Bundesinnenministerin Faeser ist die Gefahr aber "akut". Was ist über die ISPK-Gefahr in Deutschland bekannt?
Faeser: ISPK derzeit die größte islamistische Bedrohung
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Gefahr, die durch diesen IS-Ableger für Deutschland ausgeht, in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" als "akut". Der ISPK sei in Deutschland derzeit die größte islamistische Bedrohung überhaupt.
Nach Erkenntnissen des deutschen Verfassungsschutzes sind aus Tadschikistan, Afghanistan und Usbekistan stammende Islamisten in Deutschland untergetaucht, mutmaßlich ungefähr 50. Die meisten davon sollen in Nordrhein-Westfalen leben.
Sorgen wegen bevorstehender Fußball-Europameisterschaft
In Deutschland besteht nun in der Politik die Sorge, dass die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft mit ihren zahlreichen Großveranstaltungen, bei denen in den Stadien oder auch beim Public-Viewing Tausende Menschen zusammenkommen, zum Ziel von Terroranschlägen werden könnte.
Bundesinnenministerin Faeser kündigte Kontrollen an allen deutschen Grenzen während der Fußball-EM an. Faeser sagte der „Rheinischen Post“, die Sicherheit des internationalen Großereignisses habe höchste Priorität. Die vorübergehenden Kontrollen sollten mögliche Gewalttäter an der Einreise hindern. Dabei gehe es um Islamisten und anderen Extremisten, aber auch um Hooligans.
Nach dem Terroranschlag bei Moskau gab es vermehrt Forderungen nach umfassenderen Schutzmaßnahmen, bisherige Konzepte sollten überprüft werden. Laut Bundesinnenministerium sind die Sicherheitsmaßnahmen für die Europameisterschaft schon hoch. Auch die Gewerkschaft der Polizei hält die Sicherheitsbehörden für den Schutz der EM für gut gerüstet.
Die Grünen-Sicherheitsexpertin und Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor warnte auch im Dlf davor, sich zu sehr auf Großereignisse zu fokussieren. Islamistischer Terror drohe jederzeit auch bei anderen Veranstaltungen. Der Islamische Staat habe seine Anhänger dazu aufgerufen, Terror auf den Straßen in den USA und Europa zu verbreiten.
Mehr Kompetenzen für Sicherheitsbehörden gefordert
Die CDU-Innenminister aus Nordrhein-Westfalen und Sachsen, Herbert Reul und Armin Schuster forderten mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden. Reul sagte im Deutschlandfunk, der Austausch von Informationen sei der Schlüssel, um geplante Anschläge rechtzeitig aufzudecken. Derzeit würde Kommunikation eher eingeengt, und wichtige Informationen dürften unter anderem aus Datenschutzgründen nicht weitergegeben werden.
Schuster sagte im ARD-Fernsehen, Deutschland sei oft auf Hinweise aus dem Ausland angewiesen. Das müsse dringend korrigiert werden.
ISPK in Deutschland kein Unbekannter
Den Behörden in Deutschland, auch dem Verfassungsschutz ist der ISPK schon seit vielen Jahren bekannt. Thomas Haldenwang, der Präsident des Verfassungsschutzes, hat immer wieder betont, dass das Erstarken dieser Gruppe auch die Gefährdungslage in Deutschland verstärke. Dass der ISPK auch in Deutschland aktiv ist, hat man erst wieder am 13. März 2024 in Gera in Thüringen gesehen, wo zwei Afghanen festgenommen wurden, die dem ISPK angehören und Anschläge auf das Parlament in Stockholm vorbereitet haben sollen.
Auch die kurz vor Weihnachten in Köln vereitelten Anschlagspläne gehen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes auf den IS-Ableger ISPK zurück. Dabei sei es wohl darum gegangen, Anschläge auf den Stephansdom in Wien und eben auf den Kölner Dom zu verüben. Da habe es mehrere Festnahmen gegeben.
Deutliche Zunahme versuchter Anschläge
Man müsse Sicherheitsbehörden gratulieren, dass sie so viele von diesen Anschlagsplänen verhindert hätten, sagte der Terrorismusexperte Peter Neumann vom King's College in London im Dlf. Die Gefahr sei nach dem 7. Oktober 2023, als nach dem Terrorangriff der palästinensischen Hamas auf Israel, deutlich gestiegen. So habe es im gesamten Jahr 2022 laut Europol in ganz Europa sechs versuchte dschihadistische Anschläge gegeben. Seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres seien es innerhalb von rund fünf Monaten schon acht versuchte Anschläge gewesen.
Die Einschläge würden häufiger und manchmal sei es auch eine Frage des Glücks, wenn nichts passiert sei, sagte Neumann. Deswegen sei es richtig, dass die Politik darauf hinweise, dass eine Gefahr bestehe und dass diese Gefahr in den vergangenen Monaten deutlich höher geworden sei.
Islamistische Mobilmachung seit dem 7. Oktober 2023
Die größte aktuelle terroristische Bedrohung in Deutschland und Europa gehe jetzt wieder von der islamistischen, von der dschihadistischen Seite aus, sagte Neumann. Seit dem 7. Oktober, seit der Terroroffensive der Hamas und dem daraus resultierenden Konflikt habe es eine riesige Mobilmachung von Islamisten und Dschihadisten überall im Westeuropa gegeben. Der ISPK, also dieser Ableger des sogenannten Islamischen Staates in Afghanistan, sei sehr ambitioniert und aggressiv. Er versuche, auch Anschläge im nicht-muslimischen Ausland, darunter auch in Westeuropa zu verüben.
Was den ISPK besonders gefährlich macht
Mit dem ISPK, Islamischer Staat Provinz Khorasan, gebe es eine organisiertere Gefahr des islamistischen Terrors als in den vergangenen Jahren, so der Sicherheitsexperte Neumann. Das sei eine professionelle Gruppe, die wieder in der Lage sei, Netzwerke zu organisieren. Das mache die Gefahr noch einmal stärker. Es seien eben keine Einzeltäter. "Wir haben es jetzt auch wieder mit Netzwerken zu tun wie bereits vor zehn Jahren, als sie diese Terrorwelle in Europa mit Anschlägen in Paris, Brüssel, Berlin, Stockholm und London getroffen hat."
Der ISPK sei 2014 offiziell gegründet worden, sagte die Grünen-Sicherheitsexpertin und Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor im Dlf. Seit 2016 werde der ISPK von den USA als Terrorgruppe eingestuft.
Neben dem ISPK gebe es natürlich nach wie vor einige Anhänger des sogenannten Islamischen Staates in Europa und Deutschland, die aber nicht in festen Netzwerken organisiert seien, wie man in den letzten Jahren immer wieder gesehen habe, sagte Neumann. Das seien Anhänger des IS, die zum Beispiel über das Internet Propaganda konsumierten und die dann als Einzeltäter auf eigene Initiative etwas unternehmen.
Oftmals gingen sie mit sehr kruden Methoden vor, mit Messern oder versuchten, mit Autos in Menschenmengen zu fahren. Das seien die sogenannten Einzeltäter, die die Hauptgefahr in den vergangenen Jahren gewesen seien.
gü