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"Testierter Finanzplan" für 2008 fehlt

Der NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart hat die Streichung der Landesmittel für die Privat-Universität Witten-Herdecke verteidigt. Zur Begründung sagte der FDP-Politiker, die Uni-Leitung habe es trotz wiederholter Aufforderungen durch die Landesregierung versäumt, die entsprechenden Finanzpläne für das laufende Jahr vorzulegen.

Andreas Pinkwart im Gespräch mit Armin Himmelrath |
    Armin Himmelrath: Die Privat-Universität Witten-Herdecke kommt nicht zur Ruhe. Gestern war bekannt geworden, dass sie von der Staatsanwaltschaft jahrelang Bußgeldzahlungen in Millionenhöhe erhalten hatte. Verantwortlich dafür war unter anderem die Bochumer Wirtschaftsstaatsanwältin Margrit Lichtinghagen. Heute nun wurde bekannt, dass die NRW-Landesregierung der uni die Zuschüsse für das laufende Jahr komplett gestrichenhat. Es geht um immerhin 4,5 Millionen Euro für 2008. Andreas Pinkwart ist Wissenschaftsminister in NRW und ich habe ihn vor der Sendung gefragt, ob diese beiden Ereignisse rund um Witten-Herdecke in einem Zusammenhang stehen.

    Andreas Pinkwart: Nein, es gibt da überhaupt keinen Zusammenhang. Wir haben auch keine Zuschüsse oder Zuwendungen gestrichen, sondern wir haben wie in jedem Jahr, und das liegt ja für Witten-Herdecke schon lange zurück, dass die private Universität auch auf Landeszuwendungen sich, zum Teil jedenfalls, in ihrer Finanzierung stützt, nach dem nordrhein-westfälischen Zuwendungsrecht zu prüfen, ob wir die im Haushalt vorgesehene Zuwendung in Höhe von viereinhalb Millionen Euro an die Universität Witten-Herdecke auszahlen können oder nicht. Das ist nach Zuwendungsrecht an Voraussetzungen gebunden. Wir sind über die letzten Monate in sehr engen Gesprächen und Verhandlungen auch mit der Hochschule darüber, dass diese Voraussetzungen auch erfüllt werden können. Das ist durch die Hochschule leider nicht gelungen. Deswegen sahen wir uns veranlasst, der Hochschule zu erklären, dass wir uns aufgrund der vielen rechtlichen Grundlagen dafür die Zuwendungen in diesem Jahr nicht werden auszahlen können.

    Himmelrath: Was hat die Hochschule denn konkret versäumt, was hat sie nicht geliefert, dass Sie hätten zahlen können?

    Pinkwart: Ganz entscheidend ist, dass eine entsprechende Fortführungsperspektive besteht. Das heißt, es ist jeweils notwendig, dass wir einen testierten Finanzplan haben für das laufende Jahr, durch einen Wirtschaftsprüfer testiert, wie auch für die drei folgenden Jahre einen Finanzplan, der deutlich macht, dass, selbst wenn die Zuwendung des Landes nicht eingerechnet wird, dann auch der fortlaufende Betrieb sichergestellt ist. Dazu sah sich die Hochschule nicht in der Lage.

    Himmelrath: Jetzt geht es aber ja nicht nur um die 4,5 Millionen Euro, die Sie für dieses Jahr nicht auszahlen können, sondern Sie haben auch gesagt, wir fordern als Land drei Millionen aus dem vergangenen Jahr zurück, weil die Hochschule damals mehr Geld zur Verfügung hatte, als sie uns erzählt hatte.

    Pinkwart: Das ist richtig. Es ist ja in der rechtlichen Ausgestaltung die Landesförderung eine Fehlbedarfszuwendung, das heißt, die Landesmittel werden nur in dem Umfang bereit gestellt, in dem tatsächlich dem Zuwendungsnehmer auch ein Defizit entstanden ist. Und hier war es so, dass Teile unserer Zuwendung, wie sich dann im Laufe dieses Jahres herausstellte, nicht notwendig gewesen wäre, da es andere Zahlungen an die Hochschule gab. Und deswegen mussten wir nach der rechtlichen Klärung dazu diese zu viel geleisteten Zuwendungen zurückfordern.

    Himmelrath: Das heißt, es gibt keine feste Zusage unabhängig davon, wie es der Hochschule geht, oder die gab es nicht in der Vergangenheit, sondern immer gekoppelt tatsächlich an den aktuellen Haushaltsstand dort?

    Pinkwart: An die Notwendigkeiten der Hochschule, staatliche Zuschüsse zum Zwecke eines ausgeglichenen Hochschulhaushaltes in Anspruch nehmen zu müssen.

    Himmelrath: Jetzt ist das für die Hochschule aber ein ganz schwerer Schlag. Gestern hat Margrit Lichtinghagen, die Bochumer Staatsanwältin, in der Wirtschaftsstaatsanwaltschaft gesagt, sie scheidet aus der Staatsanwaltschaft aus. Sie alleine hat in den vergangenen Monaten für millionenschwere Zuwendungen für Witten gesorgt. Eigentlich war das ja ein wichtiges Standbein wahrscheinlich für Witten. Da gab es jetzt gestern die Diskussion darüber, dass Sie das möglicherweise auch unterstützt haben. Getroffen haben Sie Frau Lichtinghagen einmal, ja?

    Pinkwart: Das ging nicht darum, dass wir die Staatsanwaltschaft oder wen auch immer in der Frage gebeten hätten, tätig zu werden. Das war insoweit auch gar nicht notwendig, als dass nach den mir vorliegenden Erkenntnissen bereits seit dem Jahre 2003 Einnahmen aus Bußgeldverfahren auch an die Universität Witten-Herdecke als gemeinnützige Einrichtung geflossen sind, so wie es andere gemeinnützige Einrichtungen auch erhalten haben. Das war offensichtlich ein Teil der Einnahmen dieser Hochschule, und das lag nicht in unserem Fokus.

    Himmelrath: Diese Einnahmen haben andere Hochschulen, das können wir auch dazu sagen, auch andere Universitäten und Fachhochschulen werben gezielt um Bußgelder, kümmern sich darum, machen sogenanntes Bußgeldmarketing. Aber wenn man das jetzt noch mal auf Witten bezieht, gestern eben wird klar, diese Zuwendungen aus den Bußgeldbereichen werden wahrscheinlich wegbrechen, heute ein erheblich größerer Batzen noch, von dem Sie jetzt sagen, wir können das leider nicht mehr ausbezahlen, weil die Voraussetzungen nicht stimmen. Was bedeutet das für die Hochschule, ist das nicht der Todesstoß? Das wird zumindest so an der Hochschule ein wenig gemunkelt.

    Pinkwart: Das ist sicherlich für die Hochschule, die Entscheidung, die wir heute treffen mussten, die völlig losgelöst zu sehen ist von dem, was Sie aus der gestrigen Entscheidung ableiten, wobei ich hinweisen möchte darauf, dass durch den Vorgang gestern in keiner Weise damit entschieden ist, dass die Hochschule in Zukunft solche Einnahmen nicht mehr bekäme, sondern hier gehen wir von der Unabhängigkeit der Gerichte aus. Und wenn es dort einen gemeinnützigen Förderzweck gibt, und Sie haben ja zu Recht darauf hingewiesen, der wird ja auch bei anderen Hochschulen gesehen, dann dürfte auch die Universität Witten-Herdecke in Zukunft sicherlich damit rechnen können, dass es solche Einnahmen für sie gäbe. Hier geht es uns um das, was das Land tun kann. Wir werden nach Kräften weiterhin diese Universität nach Recht und Gesetz unterstützen. Es ist aber die Aufgabe der Hochschule, selbst dafür zu sorgen, dass sie entsprechende Finanzpläne und auch eine entsprechende Nachhaltigkeit sichern kann, das ist ihre Verantwortung. Und ich hoffe sehr, dass das der Hochschule gelingt. Wir werden alles tun, was in unseren rechtlichen Möglichkeiten steht, um die Hochschule weiter dabei zu begleiten. Dabei möchte ich hervorheben, dass in den letzten beiden Jahren ja auch zwei strategische, potenzielle strategische Partnerschaften durch die Hochschule überlegt worden sind, mit zwei potenziell sehr ernst zu nehmenden Partnern. Auch das haben wir jeweils sehr konstruktiv seitens der Landesregierung begleitet. Das heißt, alles das, was die Universität tut, um im Interesse ihrer Studierenden und auch ihrer Forschungsaktivitäten die Arbeit fortsetzen zu können, wird von uns nach Kräften auch weiter in Zukunft unterstützt.

    Himmelrath: Beide Partner, die Sie aber angesprochen haben, das ist einmal die Droege Group International und die SRH-Stiftung, beide sind mit der Uni nicht handelseinig geworden, haben sich nicht engagiert. Wie viel Zeit, welche Galgenfrist hat die Universität noch, um Ihnen, um dem Wissenschaftsministerium noch nachzuweisen, dass doch alles funktioniert in Zukunft, um dann möglicherweise doch noch an das Geld zu kommen?

    Pinkwart: Wir haben in diesem Jahr die letzten Anstrengungen unternommen, das haben wir auch der Hochschule dargestellt. Sie müssen sehen, das Jahr neigt sich dem Ende zu. Wir haben das ganze Jahr über der Hochschule dargelegt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Wir haben es in den letzten Tagen und Wochen noch einmal deutlich gemacht. Es war ihr bisher nicht möglich, das Jahr geht dem Ende entgegen, insofern sehe ich in diesem Jahr dafür keine Möglichkeit. Aber wenn die Hochschule darüber hinausgehend Anstrengungen unternimmt, die es erlauben, in Zukunft dann erneut auch eine Zuwendung leisten zu können, sie sind auch im nächsten Jahr im Haushalt etatisiert, dann würde das Land Nordrhein-Westfalen zu seiner Verantwortung natürlich weiterhin stehen.