Zagatta: Aber wo soll das Geld denn herkommen, das belastet doch wieder den Steuerzahler. Wenn dann das Modell von Merz umgesetzt wird, dann fehlt ja noch mehr Geld in der Staatskasse. Wie soll das zusammengehen?
Teufel: Natürlich. Aber Sie müssen sehen, sonst fehlt es in den Krankenkassen. Heute Morgen lese ich, dass drei Milliarden Defizit auch in diesem Jahr gemacht werden und die Krankenkassen sich deshalb weigern, die Beiträge zu senken. Es ist gerechter, wenn es der Steuerzahler bezahlt, den Sozialausgleich, als wenn das die Kassenpatienten bezahlen und die Kassenmitglieder bezahlen. Der zweite Teil ist die Steuerentlastung. Ein große Steuervereinfachung, die wir anstreben. Aus 120 Steuergesetzen eine Radikalreduzierung, die muss aufkommensneutral erfolgen, das heißt Tarifsenkung, die wir anstreben, die muss finanziert werden durch den Abbau von Steuervergünstigungen. Wir werden den Bürgern nachweisen können, dass sie netto mehr in der Tasche haben, wenn sie keine Steuervergünstigungen mehr haben, aber einen niedrigeren Tarif. Und deswegen muss hier ein voller Ausgleich erfolgen.
Zagatta: Glauben Sie denn, dass Sie die Bevölkerung von Ihrer Kopfpauschale, von Ihrem gestrigen Beschluss überhaupt überzeugen können. Wie wollen Sie denn den Menschen diese Kopfpauschale schmackhaft machen, wenn selbst die CSU sagt, das ist der falsche Weg, das ist unsozial?
Teufel: Ich glaube durch Argumente. In einer Demokratie muss man an die Kraft der Argumente glauben, die Leute sehen ein, das Allerwichtigste ist, dass wir die hohe Arbeitslosigkeit beseitigen, Menschen in Arbeit bringen und damit auch wieder zu Beitragszahlern machen, dafür müssen wir wettbewerbsfähig sein auf den Märkten der Welt, das sind wir nicht, wenn die Lohnnebenkosten so hoch sind, wie die tatsächlichen Löhne, das ist unser Problem. Die CDU hat den Mut in diese Lohnzusatzkosten einzusteigen. Finanziert werden müssen aber die hohen Gesundheitskosten und wir wollen das nicht durch einen Leistungsabbau ausgleichen, sondern wir müssen die tatsächlichen Kosten decken und dafür suchen wir ein gerechtes Ausgleichsystem für alle diejenigen Menschen, die hohe Beiträge in der Krankenversicherung nicht bezahlen können.
Zagatta: Aber wenn Sie sich da noch nicht einmal mit der CSU einigen können, Herr Teufel ...
Teufel: ... Man sollte in der Politik immer einen Schritt nach dem anderen tun. Zum Ersten braucht man selbst ein Konzept, das ist durchdacht in der Herzog-Kommission, das ist gestern eingehend diskutiert worden, die CDU stellt sich damit an die Spitze der Reformbewegung. Und das Zweite ist, dass wir dann mit der CSU reden. Wir sind im Augenblick nicht an der Regierung, leider nicht, aber wir werden allerspätestens bis zu diesem Zeitpunkt dann auch mit der CSU und mit einem künftigen Koalitionspartner einig werden.
Zagatta: Und das die CSU zu Ihrem Konzept sagt, das ist unsozial, das kann man hinnehmen in so einer Diskussion?
Teufel: Das glaube ich, ist für einige Wochen hinzunehmen. Wir werden im sachlichen Gedankenaustausch mit der CSU zu einer Lösung kommen, davon bin ich überzeugt. Sachverstand auf beiden Seiten überzeugt, wir haben noch jedes Mal ein gemeinsames Konzept gefunden, auch vor der letzten Bundestagswahl.
Zagatta: Herr Teufel, wie geht das jetzt weiter nach dem Parteitag? Stichwort: Vermittlungsausschuss. Bis zum Wochenende hat die Union ja ihre Zustimmung zur Steuerreform an eine weitgehende Lockerung des Tarifrechts gekoppelt, gilt das jetzt noch? Da hat es ja zuletzt unterschiedliche Signale gegeben.
Teufel: Das gilt auch heute noch. Nur müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass, wenn die Tarifpartner, und dafür gibt es Anzeichen, sich selbst auf ein solches Konzept einigen, dann ist das ja ein neuer Sachverhalt. Frau Merkel hat gestern in ihrer Rede dazu ganz klar Position bezogen. Sie hat gesagt, wir wollen ein Gesetz nach wie vor, wir bleiben bei unserer Lösung, aber wir sagen, wenn die Tarifpartner sich auf das Gleiche verständigen, dann geht das dem Gesetz vor, das Gesetz wollen wir nicht aufgeben, wir brauchen betriebliche Bündnisse für Arbeit, wir brauchen Maßanzüge, statt einer einheitlichen Konfektion, Flächentarifvertrag für alle Betriebe.
Zagatta: Aber da haben ja die Arbeitgeber schon Einwände angemeldet und die Gewerkschaften haben gestern klipp und klar gesagt, das kommt für sie nicht in Frage. Viel Zeit ist ja nicht mehr bis zur entscheidenden Sitzung des Vermittlungsausschuss am zehnten Dezember. Glauben Sie da noch an eine Einigung im Vermittlungsausschuss?
Teufel: Wir streben eine Einigung an, ich weiß, dass die SPD sich an dieser Stelle besonders schwer tut, aber die hat ganz entscheidend zur gegenwärtigen Arbeitslosigkeit beigetragen. Wir müssen deshalb das Tarifkartell in dieser Frage aufbrechen.
Zagatta: Das ist dann eine Bedingung, die im Vermittlungsausschuss dann so erhalten bleibt. Mit dieser Forderung gehen Sie in diese Verhandlungen?
Teufel: Ich habe mich gewundert, dass in den letzten Tagen verschiedentlich in den Medien die Folgerung gezogen worden ist, wir würden hier von einer Position abweichen. Das ist überhaupt nicht der Fall. Wir haben drei Positionen aufgebaut für ein Vorziehen der Steuerreform, für die ich immer eingetreten bin. Die erste Position ist, sie kann nicht nur über Schulden finanziert werden. Wir verschulden uns ja in einem Übermaß zu Lasten der künftigen Generation schon heute, verstoßen gegen alle EU Regeln, die ja Gesetz sind und von uns einzuhalten sind und würden das noch einmal erweitern, das geht nicht. Die zweite Gegenfinanzierung wäre ein Betrug an den Bürgern, wenn man sie nämlich auf der einen Seite entlastet und auf der anderen Seite in gleich hohem Maße durch den Abbau von Steuervergünstigungen, also faktisch durch Steuererhöhungen belastet, davon geht auch keine Anreizwirkung für eine gute wirtschaftliche Entwicklung aus. Das Dritte ist: Auflockerungen im Bereich des Arbeitsmarktes. Alle drei Voraussetzungen müssen gegeben sein, die Bundesregierung muss sich bewegen, in ihrem Spielfeld liegt der Ball, wir sind bereit zu einem Vorziehen der Steuerreform, wenn diese drei Konditionen stimmen.
Zagatta: Wie weit sind denn Sie bereit, sich zu bewegen? Können Sie sich eine Kompromiss vorstellen, bei dem das Vorziehen der Steuerreform zu mehr als 25 Prozent über Schulden finanziert wird?
Teufel: Das kann ich mir deshalb nicht vorstellen, weil die 25 Prozent nicht eine gegriffene Zahl sind, sondern das würde wieder herauskommen durch eine Steuerentlastung. Weil sie ja auch größere Investitionen in der Wirtschaft auslöst und weil sie ja auch dem Normalbürger eine größere Kaufkraft zur Verfügung stellt. Deswegen würden zwar nicht zu hundert Prozent, aber sicher zu 25 Prozent höhere Steuereinnahmen beim Staat ankommen, deswegen ist eine Verschuldung in dieser Höhe vertretbar.
Zagatta: Dann liegen Sie aber, jetzt wenige Tage vor dem entscheidenden Gespräch ganz weit auseinander mit der Regierung. Glauben Sie überhaupt noch an einen Erfolg im Vermittlungsausschuss?
Teufel: Ich persönlich gehe davon aus, dass der Regierung ein Erfolg sehr wichtig ist, denn jeder Erfolg geht mit der Regierung Heim und jeder Misserfolg geht mit der Regierung Heim. Die Bundesregierung muss sich also bewegen und sie hat einen schmalen Pfad, auf dem wir zusammenkommen können, nämlich: Streichung auf der Ausgabenseite im Bundeshaushalt und nicht Erhöhung der Einnahmen zu Lasten der Bürger.
Zagatta: Aber da bei Streichungen, Eigenheimzulage oder Pendlerpauschale, ziehen Sie auch nicht so recht mit?
Teufel: Das ist deswegen ein Witz, weil es ja nur um das Vorziehen einer Steuerentlastung auf ein Jahr geht. Wenn Sie nun Steuervergünstigungen streichen, die für alle Zeiten gelten, ist das doch kein seriöser Ausgleich. Das Zweite ist, wir müssen ja unbedingt zu privater Vorsorge kommen fürs Alter, wenn die gesetzliche Rente nicht mehr ausreicht. Die Rürupp-Kommission will auf 40 Prozent des Bruttolohns herunter und das nur bei 45 Beitragsjahren. Viele werden also bei weit unter 40 Prozent landen. Ich will Altersarmut unter allen Umständen vermeiden und deswegen liegt mir sehr daran, dass wir Alternativen fördern. Wohneigentumsbildung ist aus der Sicht der Bürger die aller erste eigene Investition für das Alter und die sicherste Möglichkeit, die eigene Rente zu ergänzen. Und bei der Pendlerpauschale, diese Regierung hat doch fünfmal sechs Pfennig die Mineralölsteuer zu Lasten der Pendler erhöht, und dafür die Pendlerpauschale vor zweieinhalb Jahren erhöht. Ich halte das für einen reinen Betrug an den Pendlern, wenn man nach zweieinhalb Jahren etwas, was man für richtig und notwendig gehalten hat, schon wieder korrigiert.
Zagatta: Herr Teufel, wenn Sie, so wie es jetzt aussieht, im Vermittlungsausschuss nicht so recht weiterkommen. Was ist denn dann mit einem Spitzengespräch mit Kanzler Schröder? Die Unions-Ministerpräsidenten sollen dem ja schon zugestimmt haben?
Teufel: Die Verfassung hat ganz klare Regeln für den Fall der jetzt eingetreten ist. Der Bundestag hat Gesetze beschlossen, der Bundesrat lehnt sie, um Schaden für die Bürger und für die Wirtschaft zu vermeiden, ab. Dafür gibt es den Vermittlungsausschuss, das ist das richtige Organ. Wir haben viel zu viel in andere Kaffeekränzchen und Gremien abgeschoben, aber als eine Möglichkeit ist das immer im Raum, dass sich die Spitzenleute von Parteien treffen.
Zagatta: Erwin Teufel, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Herr Teufel, ich bedanke mich für das Gespräch.
Teufel: Das ist gerne geschehen. Wiedersehen. Guten Tag.