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Teufel fordert transparenteres Steuersystem

Liminski: Die außenpolitischen Fragen und Bilder in diesen Tagen überstrahlen einen neuen innenpolitischen Streit, bei dem es wie fast immer in den letzten Monaten um Geld geht, diesmal um das Geld der Pendler, aber damit zusammenhängend auch um andere Einsparmöglichkeiten, denn das ist allen öffentlichen Händen gemeinsam: sie sind leer. Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Erwin Teufel. Herr Teufel, die Pendlerpauschale - so wie es aussieht fährt dieser Vorschlag der Koalition im Bundesrat auf eine Wand zu. Etliche Länder, zum Beispiel Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und so weiter, haben sich dagegen ausgesprochen. Ist das nur ein Problem der Flächenländer?

    Teufel: Ja. Ich muss Ihnen sagen, wir hatten ja nicht weniger als fünf Mineralölsteuererhöhungen, je von sechs Pfennig auf jedem ersten Januar, dazu die Mehrwertsteuer. Und als es dagegen Proteste gab, hat die gegenwärtige Bundesregierung und ihre Mehrheit im Bundestag für Pendler eine verhältnismäßig günstige Ausnahmeregelung beschlossen, um sie wirklich von der Mineralölsteuererhöhung zu entlasten. Und nun, zwei Jahre später, eine Korrektur dieser Entscheidung. Das ist doch ein Betrug an den Pendlern und an den Arbeitnehmern. Ich halte das nicht für richtig!

    Liminski: Das Bundesfinanzministerium zeigt sich kompromissbereit, heißt es in Berlin. Man könne das Gesetz hier und da modifizieren, aber das Einsparvolumen von drei Milliarden Euro müsse bleiben. Sehen Sie da Möglichkeiten?

    Teufel: Ich finde eben nicht in Ordnung, dass man die Bürger überhaupt geschröpft hat mit einer solchen Mineralölsteuererhöhung. Ohne diese Erhöhung könnte man auf die Veränderung der Pendlerpauschale verzichten. Aber jetzt kann man sie doch nicht einseitig kündigen. Das geht wirklich zu Lasten derjenigen, die eben am Ort nicht ihren Arbeitsplatz haben, sondern eine größere Entfernung zurücklegen müssen. Ich bin damit nicht einverstanden. Wir werden das nicht mittragen.

    Liminski: Herr Teufel, was kann denn die Runde derjenigen, die gegen die Kürzung der Pauschale sind, dem Kanzler als Alternative vorschlagen?

    Teufel: Es ist doch nicht unsere Aufgabe, den Bundeshaushalt auszugleichen. Jeder Ministerpräsident hat zu Hause genug zu tun mit dem Ausgleich seines Landeshaushaltes, denn die wirtschaftliche Entwicklung, die wir im Augenblick haben, führt zu immer mehr Steuerausfällen. Wir haben ja in Deutschland kein Wachstum mehr. Der Internationale Währungsfonds hat in der letzten Woche erklärt, Deutschland sei das einzige Land der Welt, das überhaupt kein Wirtschaftswachstum mehr hat. Die Bundesregierung soll die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, für den Mittelstand, für den Einzelhandel so gestalten, dass wir wieder wirtschaftliches Wachstum haben. Dann können wir diese gewaltigen Ausfälle ausgleichen. Ich bin aber ganz und gar gegen Steuererhöhungen, faktische Steuererhöhungen für die Bürger. Die verschärfen das Problem.

    Liminski: Aber irgendwo muss ja nun auch im Moment wenigstens gespart werden. Wie wäre es denn mit der Eigenheimförderung? Bisher ist die Union dagegen. Vielleicht ist sie mit einer Änderung einverstanden?

    Teufel: Die Eigenheimförderung ist ein ganz besonders gutes Beispiel, um den punktuellen Ansatz der Bundesregierung zu erläutern, während ich der Meinung bin, dass wir einen ganzheitlichen Ansatz brauchen. Jetzt möchte ich Ihnen das schildern: Auf der einen Seite sagt die Bundesregierung es reicht die Rente, die sich einer durch seine Beitragsleistung anspart, nicht mehr aus, damit er im Alter ein gleichwertiges Leben wie vorher als aktiv Beschäftigter führen kann. Er muss zusätzlich privat ansparen. Wenn Sie nun die Bürger fragen, was ist eigentlich die erste und wichtigste Art privater Ansparung fürs Alter, dann ist die Antwort: Eigenkapitalbildung durch den Kauf einer Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses. Das ist auch tatsächlich die allerwichtigste Art der privaten Altersvorsorge. Gleichzeitig will man nun die Eigenheimförderung streichen. Das ist doch eine ganz kontraproduktive Sache. Außerdem: wenn nicht mehr gebaut wird, dann wird die Bauwirtschaft in noch größere Schwierigkeiten kommen. Immer mehr Baufirmen kommen in Insolvenz. Ich meine, wir sollte gerade das Bauen und die private Eigentumsbildung fördern. Dann kommen auch wieder Steuern herein und der Privatmann sorgt für sein Alter vor. Deswegen bin ich ganz und gar dagegen, dass die Wohnungsbauprämie oder die Eigentumsförderung gestrichen wird, denn das führt genau zu gegenteiliger Wirkung, nämlich zu weniger Steuereinnahmen und nicht zu mehr Steuereinnahmen.

    Liminski: Aber es ist ja nun ein Faktum, dass die Kassen leer sind. Zur Sanierung muss offensichtlich irgendwo gespart werden. Immer soll es der andere sein. Aber wer ist denn nun der andere? Eine Klientel trifft es immer. Wird es über kurz oder lang nicht doch zu Pauschalkürzungen an allen Subventionen kommen müssen?

    Teufel: Schauen Sie, wir haben unsere Haushaltsplanberatungen regierungsintern und mit den beiden Regierungsfraktionen abgeschlossen. Wir haben eine Milliarde Euro aus dem Landeshaushalt echt eingespart, ohne zu Steuererhöhungen zu greifen. Das empfehle ich auch der Bundesregierung. Sie muss im Bundeshaushalt einsparen und darf nicht die Bürger belasten.

    Liminski: Welche Gruppe muss denn nach Ihrer Meinung bei diesen Einsparungen vor allem geschont werden?

    Teufel: Wenn jemand geschont werden muss, dann müssen es Familien mit Kindern sein, denn in Deutschland sind Kinder ein Armutsrisiko. Das ist ganz und gar unmöglich in einem Land, das ohnehin viel zu wenig Geburten hat. Ein Großteil unserer Probleme resultiert ja daher, dass wir zu wenig Beitragszahler haben: erstens weil wir eine hohe Arbeitslosigkeit haben und zweitens, weil wir immer weniger Kinder haben.

    Liminski: Die Pauschalkürzung scheint auch deshalb ein Lösungsweg zu sein, weil das Steuerrecht zu kompliziert ist. Heute kommen einige Ministerpräsidenten in der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Berlin mit Professor Paul Kirchhof zusammen, der im Rahmen einer Forschungsgruppe Bundessteuergesetzbuch eine Reform des Steuerrechts ausgearbeitet hat, bei dem es auch um Subventionsabbau oder gar Wegfall von Subventionen geht. Ist das denn eine Alternative zu den diversen Einzelvorschlägen?

    Teufel: Ich glaube das ist ein ganz wichtiges Thema. Ich habe gelesen, dass 70 Prozent der Steuerrechtsliteratur der Welt in deutscher Sprache verfasst sind. Also auf diesem Gebiet möchte ich nicht Weltmeister sein. Da würde ich mir andere Bereiche aussuchen. Das heißt wir haben ein überaus kompliziertes Steuerrecht mit Tausenden von Paragraphen. Der Normalbürger versteht es nicht mehr und kann auch nicht ohne fremde Hilfe durch einen Steuerberater seine eigene Steuererklärung abgeben.

    Liminski: Können Sie das noch?

    Teufel: Nein, ich mache es auch nicht selber, erstens weil ich die Zeit gar nicht dafür habe, mich in die Themen einzuarbeiten. Ich habe es vor 20 Jahren noch selber gemacht. Heute mache ich es auch nicht mehr selber. Ich meine, ein Steuersystem muss transparent sein, für jeden Bürger verständlich sein, übersichtlich sein. Da gibt es herausragende Fachleute um den Heidelberger Professor Kirchhof herum, die ein radikal vereinfachtes Steuersystem schaffen, ein Steuersystem, das nur noch ganz wenig Tarife hat, 25 Prozent Besteuerung, hohe Freibeträge für Familien, die Kinder haben und eine Reduzierung der Bundessteuerarten von 16 auf 4. Also eine so starke Reduzierung der Paragraphen, dass man das gar nicht glauben möchte. Ich möchte, dass wir Ministerpräsidenten uns von Professor Kirchhof einmal informieren lassen, Fragen stellen können, das Detail erörtern. Ich meine, wir sollten einen solchen Plan unterstützen. Dafür könnte man dann jetzige Steuervergünstigungen als Gegenfinanzierung anbieten, aber wirklich nur dafür. Wenn den Bürgern bewiesen werden kann, dass durch eine Senkung der Tarife jeder einzelne netto mehr hat, dann sind sie auch bereit, auf die eine oder andere Steuervergünstigung zu verzichten.

    Liminski: Aber wenn es nun zu Subventionsabbau und gleichzeitig zu Steuersenkungen kommt, muss es doch irgendeinen Verlierer geben, vielleicht den Staat oder mindestens den Haushalt, denn Schulden werden durch diesen Transfer ja nicht getilgt.

    Teufel: Schauen Sie, gerade das, was ich vorher abgelehnt habe, nämlich das Streichen von Steuervergünstigungen, die wir im Augenblick haben, beispielsweise für Pendler, darüber kann man reden, ob man darauf dann verzichten kann, wenn dieser Pendler nachgewiesenermaßen mehr behalten kann, als er im Augenblick netto hat. Aber nicht jetzt zum Stopfen von Haushaltslöchern, sondern zu einer echten Steuerentlastung der Bürger und der Wirtschaft.

    Liminski: Also setzt man dann alle Hoffnung auf einen Konsum- und Wachstumsimpuls durch die Steuersenkung?

    Teufel: Ich möchte, dass alle den Vorteil haben durch ein einfacheres, überschaubares, verständliches Steuerrecht und durch ein Senken der Tarife. Dafür kann man dann als Gegenfinanzierung auf manche Steuerbegünstigung verzichten.

    Liminski: Also möglicherweise der große Wurf. Wann soll denn das als Entwurf in die legislativen Instanzen eingebracht werden?

    Teufel: Das wäre der große Wurf. Das wäre eine echte Steuerreform. Wenn es nach mir geht, würde man noch in diesem Jahr einen solchen Entwurf in das parlamentarische Verfahren einbringen können.

    Liminski: Gerechtigkeit für Pendler und wo möglich auch für alle anderen. Das war Erwin Teufel, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio