Heinemann: Was stört Sie genau an der Ökosteuer? Ist es die Steuer an sich oder der Ansatz, mit dem Benzinpreis die Rentenversicherung zu stabilisieren?
Teufel: Eine ganze Reihe von Dingen stören mich. Erstens der Name. Hier wird der positive Begriff Ökologie verwandt für eine Sache, die die Bürger negativ bewerten, nämlich für eine reihe Steuererhöhung. Zweitens. Mit Ökologie hat das deshalb nichts zu tun, weil die einzige Energieart, die wirklich die Umwelt belastet, die Kohle nämlich mit der CO2-Belastung, ausgenommen ist von der Ökosteuer. Das dritte ist, dass einfach die Autofahrer stärker geschröpft werden und das Geld nicht einmal für den Straßenbau verwendet wird. Im übrigen die nächste Täuschung ist, dass die Bundesregierung den Eindruck erweckt, als ginge dieses Geld in die Rentenversicherung. Es geht nur ein Bruchteil dieses Geldes in die Rentenversicherung. Ein erheblicher Teil geht in den laufenden Haushaltsausgleich. Das einzige was die Bundesregierung tun kann gegen die Steigerung der Benzinpreise: Sie hat ja nicht Einfluss auf das Euro/Dollar-Verhältnis, sie hat nicht Einfluss auf die Verhandlungen der OPEC, aber das, was sie tun kann, ist, dass die künstliche, von der Regierung verursachte Benzinpreiserhöhung zurückgenommen wird.
Heinemann: Aber besteht denn nicht die Gefahr, dass die Ölkonzerne ein Aussetzen der Ökosteuer dazu nutzen werden, ihrerseits die Preise zu erhöhen?
Teufel: Das glaube ich nicht. Umgekehrt muss ich sagen, die Ölkonzerne haben doch nicht die geringste Hemmung, die Preise zu erhöhen, wenn nach wie vor drei Viertel der Kosten eines Liters Benzin ausschließlich Steuerkosten sind.
Heinemann: Herr Teufel, Geologen sagen voraus, dass bereits im Jahr 2020 die maximal mögliche Ölförderung überschritten sein wird und dass in 40 Jahren der Rohstoff knapp und extrem teuer sein wird. Was folgt daraus für die Verkehrspolitik?
Teufel: Für mich sind diese Prognosen, die zum erstenmal vom Club of Rome mit präzisen Jahreszahlen vor jetzt etwa 25 Jahren vorausgesagt worden sind, zeitlich gesehen alle nicht eingetreten. Ich muss allerdings sagen, dass die natürlichen Ressourcen auf jeden Fall begrenzt sind. Deswegen kommt es nicht so sehr auf das Jahr an als auf die Tatsache überhaupt. Wir brauchen neue Antriebstechniken, beispielsweise die Brennstoffzelle, die in unserem Land aus der Forschung heraus kommt und in die Nähe der Realisierung kommt. Lange vor dem Zeitpunkt, den Sie vorher genannt haben und von dem ich glaube, dass er viel zu früh angenommen ist, lange bevor das Öl erschöpft sein wird wird man über Wasserstofftechnologie, wird man über die Brennstoffzelle, wird man über andere neue Technologien, über Elektroantriebe Alternativen für das Öl schaffen.
Heinemann: Aber das geht doch nicht von einem Tag auf den anderen. Wie gestaltet man bis dahin die von glaube ich keinem bestrittenen Notwendigkeit einer Verkehrswende?
Teufel: Nein, das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Deswegen haben wir in Baden-Württemberg vor 25 Jahren begonnen, nach alternativen Energiearten zu forschen, und zwar sowohl an den Universitäten wie an Forschungsinstituten wie auch bei den großen Unternehmen unseres Landes. Deswegen sind wir jetzt nicht am Anfang, sondern vor der Serienreife von solchen neuen Antriebssystemen. Ich glaube also, dass es ohne weiteres möglich ist, die Zeit bis zur Serienreife zu überbrücken mit den derzeitigen Energiearten, die wir haben. Ich setze insgesamt auf ein Energiemix, nämlich auf Kohle, auf Kernenergie, auf Gas, auf Öl, auf Wasserkraft und auf alternative Energiearten.
Heinemann: Und was bedeutet das für den Benzinpreis?
Teufel: Für den Benzinpreis bedeutet es, dass es politisch gewollt ist, dass der Benzinpreis steigt. Die Grünen haben vor vier Jahren in Baden-Württemberg die Forderung nach einem Benzinpreis von fünf Mark im Landtagswahlkampf erhoben, und zwar für Jahr für Jahr solle der Benzinpreis um 50 Prozent steigen. Jetzt erkennen sie, welchen Flurschaden sie anrichten selbst bei einem Benzinpreis von über zwei Mark. Ich möchte den Schaden aber noch präzise begründen auch mit der derzeitigen Autokonjunktur. Wir haben eine vorzügliche Situation für unsere Automobilindustrie. Diese Konjunktur auf dem deutschen Markt ist aber nicht durch die Binnennachfrage getragen, sondern hängt ausschließlich vom starken Export ab. Wir haben beim Autoabsatz seit dem 01. Januar dieses Jahres monatlich gegenüber dem Vorjahresmonat einen Rückgang auf dem Binnenmarkt von zehn Prozent. Das heißt wenn morgen die Exportsituation nicht mehr so günstig sein sollte, dann werden wir bei der Automobilindustrie und allen Zulieferbetrieben, die damit zusammenhängen, einen Einbruch bekommen. Deswegen herunter mit dem Benzinpreis!
Heinemann: Herr Teufel, Sie sprachen eben von den Pendlern. Wer mit öffentlichen Verkehrsmittel fährt, der verliert relativ viel Zeit. Beispiel aus Ihrer Region: vom Stuttgarter Killesberg aus ist man immer noch schneller mit dem Taxi am Flughafen in Echterdingen als mit Bussen und S-Bahn. Das muss ja nicht so sein. Deshalb die Frage: Ist das politisch gewollt, dass der öffentliche Nahverkehr immer hinterherfährt?
Teufel: Nein! Es ist gut, dass Sie es an einem praktischen Beispiel aufzeigen. Deswegen wollen wir Stuttgart 21 realisieren mit einer Schnellverbindung, ICE-Anschluss vom Stuttgarter Hauptbahnhof zum Flughafen Stuttgart innerhalb von wenigen Minuten. Die einzigen, die bremsen, das ist die Bundesregierung. Sobald sie grünes Licht gibt, können wir dieses Verkehrsprojekt, das ein Jahrhundertprojekt für die ganze Region Stuttgart und für das Land Baden-Württemberg ist, realisieren.
Heinemann: Aber im Prinzip ist es doch so, dass der öffentliche Nahverkehr viel zu langsam ist?
Teufel: Schauen Sie, wir haben im öffentlichen Personennahverkehr ganz gewaltige Verbesserungen. Beispielsweise bauen wir in unserem Land eine regionale S-Bahn im Rhein-Neckar-Raum aus, eine in Karlsruhe, eine in Freiburg und in der ganzen Region Breisgau, eine in Ulm, in Stuttgart ist ohnehin der beste Ausbauzustand, und eine in der Region Heilbronn. Wir kommen große Schritte beim Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, aber nicht nur in den Verdichtungsräumen, sondern auch im ländlichen Raum voran.
Heinemann: Herr Teufel, ist die Ökosteuer für die Union nicht ein gefundenes Fressen? Bei jeder geplanten Benzinerhöhung steigt autofahrenden Bürgern wieder die Zornesröte ins Gesicht. Da wird der Stimmzettel schnell zum Denkzettel.
Teufel: Ja, aber schauen Sie, wir haben das Thema ja nicht erfunden. Die Bundesregierung, wenn sie fürchtet, dass der Stimmzettel zum Denkzettel wird, braucht es ja nur zu korrigieren und die Ökosteuer zu beseitigen. Wenn sie das aber nicht tut, dann werden wir die Bürger selbstverständlich unterstützen. Das halte ich für eine der vordringlichen Aufgaben einer Opposition.
Heinemann: Das heißt die Union wird die Regierung mit dem Benzinpreis in den kommenden Monaten jagen?
Teufel: Ganz bestimmt, und die Bundesregierung wird gar nicht anders können, als eine Kurskorrektur einzuleiten und halbherzige Maßnahmen, die sie im Augenblick erwägt, aufzugeben. Es muss die politisch gewollte und ideologisch begründete Benzinpreiserhöhung durch die Grünen und Teile der SPD wieder einer rationalen Betrachtung weichen und damit einer Beseitigung.
Heinemann: Das Gespräch mit Erwin Teufel (CDU), dem Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, haben wir vor dieser Sendung aufgezeichnet
Link: Interview als RealAudio