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Teures Anwohnerparken
"Den öffentlichen Raum gerechter verteilen"

In der Freiburger Innenstadt soll das Anwohnerparken ab nächstem Jahr deutlich teurer werden: 360 Euro statt bisher 30 Euro ab 2022. Bis zu 15.000 Autos betrifft wohl die Gebührenerhöhung. Grünen-Politikerin Annabelle Kalckreuth begründet den Schritt – Ziel sei es, den öffentlichen Raum gerechter zu verteilen.

Von Katharina Thoms |
Autos parken in einer Seitenstrasse in Freiburg- künftig wird das Anwohnerparken in der Freiburger Innenstadt deutlich teurer als bisher
Autos parken in einer Seitenstrasse in Freiburg. Die Stadt will Gehwegparken kuenftig sanktionieren und mit Bussgeldern (imago / Winfried Rothermel)
Freiburg, südlich der Altstadt. Dicht bewachsene Alleen mit Stadtvillen, Mehrfamilienhäusern aus dem 19. Jahrhundert. Viele radeln hier durch. Die Straßen sind aber dicht zugeparkt mit Autos. Wie in allen Vierteln rund um die Innenstadt soll auch hier ab nächstem Jahr das Parken für die Anwohner teurer werden. Deutlich teurer: 360 Euro im Schnitt, statt bisher 30 Euro im Jahr.
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Das ist noch nicht bei allen angekommen: "Waaas!? Ernsthaft? Okay, das ist natürlich ein Sprung. Damit muss ich mich befassen." Die Anwohnerin im gelben Regenmantel - ihren Namen will sie nicht verraten - kommt ins Grübeln: "Ich bin ja sowieso dafür, dass wir - also ein Dauerthema zwischen mir und meinem Mann - dass wir keine zwei Autos brauchen. – KT "Also für Sie wäre es auch noch mal ein neuer Grund, zu überlegen?" – "Absolut ja, also für die Umwelt ist es ja super so was, natürlich…"
Sagt auch Annabelle Kalckreuth. Die Grünenpolitikerin hat den Antrag für das teurere Anwohnerparken schon im Frühjahr eingebracht im Freiburger Gemeinderat. Mit Erfolg – eine knappe Mehrheit stimmte damals dafür: "Ja, wir wollen, dass die Leute darüber nachdenken, ob sie ihr Auto brauchen. Es gibt Erhebungen, die besagen, dass ein Auto im Schnitt 23 Stunden am Tag nur rumsteht. Und man kann auch mit Rad und zu Fuß und mit dem öffentlichen Nahverkehr und mit Carsharing ganz vorzüglich unterwegs sein. Und in diesen Gebieten wohnen 50, 60 Prozent Menschen, die auch ohne Auto leben. Und auch denen möchten wir natürlich mehr Platz auf unseren Straßen geben."

Südwest-Städte können selbst entscheiden

10.000 bis 15.000 Autos in Freiburg betrifft die Gebührenerhöhung, schätzt die Stadtverwaltung. Möglich geworden ist das durch eine Reform der Straßenverkehrsordnung: Sie hat die Gebühr bisher deutschlandweit gedeckelt – auf höchstens 30 Euro im Jahr. In Baden-Württemberg erlaubt die Regierung jetzt den Städten und Gemeinden: Dass sie selbst entscheiden dürfen, wie teuer Anwohnerparken ist.
Annabelle Kalckreuth von den Grünen wehrt sich gegen den Vorwurf, sie wolle den Menschen einfach nur das Leben schwermachen: "Das Ziel ist es, den öffentlichen Raum gerechter zu verteilen. Unsere Stadt wächst. Es kommen immer mehr Menschen dazu und mit den Menschen immer mehr Autos. Unser Ziel ist, dass die Leute, die dann ihr Auto wirklich brauchen, das auf der Straße parken und dafür aber auch einen angemessenen Preis bezahlen."
Und das Geld ist auch schon fest eingeplant: Mit bis zu vier Millionen Euro rechnet die Stadt durch die Anwohner-Parkgebühren. Zweckgebunden für praktischen Klimaschutz. Zusammen mit Fördergeld vom Land sollen dafür kommendes Jahr 16 Millionen Euro ausgegeben werden, sagt Martin Haag, Baubürgermeister in Freiburg: "Wir wollen auch neue Flächen gewinnen in der Stadt. Auch zum Beispiel für Freisitzflächen, die wir gastronomischen Einrichtungen zur Verfügung stellen können. Weil wir einfach glauben, dass der Stadtboden eigentlich zu wertvoll ist, um ihn mit Autos vollzustellen."
Aber: Wohin mit dem Auto, wenn man es braucht? Die Menschen im betroffenen Freiburger Stadtteil Wiehre – sind sehr zwiegespalten: "Totaler Wahnsinn. Es gibt keinen Raum, wo man es alternativ hinstellen könnte. Also ich bin quasi gegeißelt dazu, das zu bezahlen." "Alternativen sind sehr teuer, also Tiefgaragenplätze kosten wenn man Glück hat um die 50 Euro im Monat." / Mann: "Macht mir nichts aus. Ich meine, wenn ich mir ein Auto leisten kann, dann kann ich auch zahlen."
Ähnlich lief auch die Diskussion im Gemeinderat. Die CDU gehört zu den Kritikern. Ihr verkehrspolitischer Sprecher Bernhard Rotzinger: "Wir sehen das Problem in dieser Pauschalierung, dass man pauschal gegen das Auto in der Stadt agiert. Es soll nicht der über den Geldbeutel der Fahrzeugbesitzer gehen, denn das wäre sozial sehr ungerecht."

Forderung nach sozialer Staffelung

120 Euro im Jahr als Basispreis, das würde auch reichen, meint Rotzinger. So wie es die Stadt Tübingen jetzt plant. In Freiburg sollen aber – ähnlich wie in Tübingen – nicht alle das Gleiche zahlen. Martin Haag: "Ein großes Fahrzeug beansprucht viel Fläche, ein kleines Fahrzeug, beansprucht wenig Fläche. Insofern soll sich das auch am Gebührenmaßstab wiederfinden."
Die ganz großen Vans, SUVs oder Busse könnten dann auch bis zu 400 Euro im Jahr kosten, sagt Haag. Aber auch soziale Faktoren sollen eine Rolle spielen: "Die erste Idee war natürlich, dass wir auch insbesondere Empfängern von Zuschussleistungen, Sozialhilfe, Hartz IV et cetera, dass wir da Gebührenermäßigungen oder gar Gebührenbefreiung geben. Das scheint aber auch rechtlich nicht ganz so einfach zu sein."
Eine soziale Staffelung hält auch Annabelle Kalckreuth von den Grünen für zwingend. Sonst könnte die Mehrheit im Gemeinderat wackeln. Bis November will die Stadtverwaltung die Gebührenordnung ausarbeiten, über die der Gemeinderat dann nochmal abstimmen muss. Ab Januar sollen die höheren Gebühren greifen.
Und ja, es gibt auch Menschen im Freiburger Viertel, die das richtig gut finden: "Ich persönlich finde es gut. Wir haben gar kein Auto und haben zum Beispiel mit unserem Doppelanhänger für die Kinder oft das Problem, dass wir auf die Straße ausweichen müssen." / "Ich finde, dass keine Blechkiste auf der Straße stehen muss für umsonst. Ich finde es ganz okay, weil dann überlegt man sich dreimal, ob man vielleicht nicht doch die Blechkiste abschafft. Eigentlich ist sie überflüssig in Freiburg."