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Teuscher: Initiative "Einer von uns" wird in Brüssel ernst genommen

Die Europäischen Bürgerinitiative "Einer von uns" setze sich dafür ein, dass sich die Europäische Union an ihre Regeln halte, so Tobias Teuscher, Koordinator der Petition. 2011 hatte der Europäische Gerichtshofs entschieden, dass ein Verfahren nicht patentiert werden darf, wenn dabei menschliche Embryonen zerstört werden.

Tobias Teuscher im Gespräch mit Jürgen Liminski | 28.09.2013
    Jürgen Liminski: Seit dem Vertrag von Lissabon gibt es die Möglichkeit, dass sich Bürgerinnen und Bürger direkt in die europäische Politik einmischen. Wenn nach einem bestimmten Schlüssel nämlich eine Million Unterschriften zu einem Thema in Europa gesammelt werden, dann muss sich die EU-Kommission mit dem Thema beschäftigen. Das war einmal gelungen mit einer Petition zur Wasserversorgung, das gelingt jetzt zum zweiten Mal mit einer Initiative zum besseren Schutz von Embryonen. Die eine Million ist zusammen und gut überschritten, die Initiative läuft noch und wird auch unterstützt von Politikern verschiedener Parteien, etwa Hubert Hüppe, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, oder Robert Antretter aus der SPD und Peter Liese, der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament, der EVP.

    Die Europäische Bürgerinitiative will nun unter dem Titel "Einer von uns" das sogenannte Brüstle-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2011 politisch umsetzen. Damals hatten die Richter entschieden, dass Forschung mit menschlichen Embryonen und embryonalen Stammzellen in der EU nicht patentiert werden darf. In der Begründung des Urteils wurde unter anderem auch die Menschenwürde angeführt, und wenn das so ist, so die Initiatoren, dann sollte die EU diese Technik auch nicht aus Steuermitteln fördern. Wir sind nun verbunden mit dem Koordinator der Petition, dem deutschen Politikwissenschaftler in Brüssel, Tobias Teuscher. Guten Morgen, Herr Teuscher!

    Tobias Teuscher: Guten Morgen, Herr Liminski!

    Liminski: Herr Teuscher, die Million ist zusammen. Was machen Sie damit und wird das in der EU-Kommission überhaupt ernst genommen? Immerhin gibt es 500 Millionen Menschen in der EU!

    Teuscher: Ja, das ist richtig. Die Initiative, dieses europäische Bürgerbegehren "Einer von uns" wird in der Tat sehr ernst genommen. Die Europäische Kommission hat sehr wohl registriert, dass die eine Million Mindestanzahl an Unterschriften bereits zusammengekommen ist, und zwar einen Monat, bevor die Deadline, die Einreichungsfrist für diese Europäische Bürgerinitiative abgelaufen ist. Das heißt, die Kollegen in Brüssel nehmen das schon sehr sehr ernst. Wir können uns auch nicht über fehlende Unterstützung beklagen. Und vor allen Dingen sind die Institutionen sich auch dessen bewusst, dass sie vermutlich 16 Mitgliedsstaaten haben, die die Mindestzahl an Unterstützern zusammenbringt.

    Liminski: Wer steht denn nun hinter dieser Petition, wer hat sie angezettelt? Sie sind ja nur so eine Art Aushängeschild!

    Teuscher: Ja klar, es braucht ja immer irgendwie einen, der seinen Kopf hinhält. Aber angezettelt wurde das Ganze eigentlich mehr oder weniger durch den Europäischen Gerichtshof und durch Greenpeace. Also, wenn wir heute als Bürger, die einfach wollen, dass sich die Europäische Union an ihre eigenen Regeln hält, diese Initiative auf den Weg bringen können, dann ist das einfach nur Greenpeace zu verdanken, weil Greenpeace in Deutschland einen Prozess angestrengt hat, um die Patentierbarkeit von Produkten, die auf der Grundlage der embryonalen Stammzellforschung entstanden sind, zu verbieten. Dieser Vorgang wurde dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt und die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs hat höchstrichterlich für die Europäische Union festgestellt, dass der menschliche Körper mit der Befruchtung im Mutterleib beginnt und dass der menschliche Embryo ein spezielles Entwicklungsstadium des menschlichen Körpers ist. Das ist die Anzettelung. Wir machen ja im Grunde genommen nichts anderes, als mit diesem Bürgerbegehren darauf hinzuwirken, dass dieses Grundsatzurteil auch in allen Perspektiven umgesetzt wird.

    Liminski: Was passiert denn nun mit den Steuermitteln, die möglicherweise frei werden, also Mittel, die meinetwegen an Institutionen gehen, die Abtreibung fördern?

    Teuscher: Die fließen wieder in den Reservehaushalt zurück. Beispielsweise sind das schon mal 144 Millionen Euro, die im Rahmen des siebten Rahmenforschungsprogramms eingestellt waren für Forschungsvorhaben. Die dürfte es dann im achten Forschungsrahmenprogramm – Horizont 2020, das wir gerade beraten – nicht mehr eingestellt werden. Da ist einmal eine Reserve. Und das, was Sie ansprechen, Herr Liminski, mit den Organisationen, die Abtreibung als Mittel der Bevölkerungsplanung fördern oder zumindest nicht ausschließen, diese Haushaltsposten werden im Grunde genommen eingefroren und fließen in den Reservehaushalt der Europäischen Kommission zurück.

    Liminski: Gab es da keinen Widerstand gegen die Petition?

    Teuscher: Ja, den gibt es natürlich. Da, wo man sich bewegt, entsteht natürlich auch Wind. Und Sie haben es gerade richtig gesagt, es bedarf dann auch immer eines Aushängeschilds. Das sind nun diejenigen, die in Brüssel und in den Mitgliedsstaaten dazu arbeiten. Der Protest, der politische Protest ist natürlich groß, weil wir hier natürlich ein Thema anschneiden, das sich auf der Kreuzung zwischen dem juristisch Korrekten und dem politisch Machbaren bewegt. Juristisch ist dieses Bürgerbegehren zur Einhaltung des Lebensrechtsschutzes wasserdicht, sonst hätten wir es nämlich gar nicht machen dürfen. Der Vorteil einer Europäischen Bürgerinitiative ist nämlich, dass die Kollegen der Kommissionen jeden Vorschlag einer Europäischen Bürgerinitiative zunächst einmal prüfen, ob die auch in den Zuständigkeitsbereich der europäischen Institutionen fallen. Würden wir nicht in den Zuständigkeitsbereich fallen, hätten wir es gar nicht machen dürfen. Und da hätten wir auch gar nicht die Unterschriften sammeln brauchen.

    Liminski: Das ist ja politisch interessant, denn hier werden Bürger europaweit aktiv. Gibt es noch weitere Petitionen in der Pipeline, oder welche Voraussetzungen müssen noch gegeben sein, um solch eine Initiative überhaupt zu starten?

    Teuscher: Das Wichtigste ist, dass die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass es mit dem Lissabon-Vertrag ein ganz konkretes Machtmittel gibt. Man kann alle Themen vorschlagen, die in den Bereich der Zuständigkeit der Europäischen Union fallen. Sie können in der Tat alles verlangen, solange es konform ist mit dem, was die Europäische Kommission gemäß des Vertrags machen kann.

    Liminski: Weiterer Voraussetzung bedarf es nicht?

    Teuscher: Dann müssen Sie natürlich den ganzen Verwaltungskram erfüllen und einen Vorstand der Initiative zusammenstellen, der repräsentativ die Mitgliedsstaaten vertreten muss, dann gibt es natürlich die doppelte Zählmenge, das heißt, Sie müssen eine Mindestanzahl an Mitgliedsstaaten haben, aber gleichzeitig auch ein Mindestquorum in den Mitgliedsstaaten. Das heißt, es gibt eine doppelte Mehrheit, die man erreichen muss. Aber das sind technische Fragen, die eigentlich jeder beherrschen kann, der sich mit dem Thema beschäftigt. Es ist nicht so wahnsinnig kompliziert.

    Liminski: Eine erfolgreiche Initiative zum Schutz von Embryonen, also gegen Abtreibung, schafft neue Wege zur Bürgerbeteiligung in Europa. Das war der Koordinator dieser Initiative Tobias Teuscher hier im Deutschlandfunk. Besten Dank nach Brüssel, Herr Teuscher!

    Teuscher: Für Sie auch vielen Dank!


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