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"The Profane" von Zayd Dohrn
Romeo und Julia unter amerikanischen Muslimen

Das neue Stück des amerikanischen Autors Zayd Dohrn handelt von zwei muslimischen Familien in New York: die eine säkular-liberal, die andere religiös-traditionell. Ganz gewöhnliche Menschen mit ihren Vorurteilen, die sich für genauso amerikanisch halten wie alle anderen. Wegen großer Nachfrage wurde das Stück um mehrere Wochen verlängert.

Von Andreas Robertz | 12.04.2017
    Betende Muslime an Ramadan in Los Angeles
    Sie sehen sich als Amerikaner wie alle anderen: betende Muslime an Ramadan in Los Angeles. (Michael Nelson/dpa)
    "Das ist ja lustig", sagt Sam, "bei Ihnen riecht es genauso wie bei meinen Eltern." Dieser Satz drückt das ganze Dilemma in Zayd Dohrns klugem neuen Stück "The Profane" aus. Denn es handelt von zwei muslimischen Familien, deren Selbstverständnis unterschiedlicher nicht sein könnte und deren Wurzeln doch dieselben sind.
    Emina und Sam haben sich ineinander verliebt und wollen heiraten. Sie sind beide Kinder von Einwanderern, die sich in der amerikanischen Gesellschaft erfolgreich integriert haben. Eminas Familie ist liberal, anti-religiös und lebt im intellektuellen West Village in Manhattan; Sams Familie ist traditionell, religiös und lebt im betuchten New Yorker Vorort White Plains. Anders als in Ayad Akhtars viel gespieltem Stück "Disgraced" – im deutschen: "Geächtet" – indem ein muslimischer Anwalt in New York sich mit Vorurteilen und Diskriminierung in seiner Arbeitswelt konfrontiert sieht - erzählt "The Profane" von den Konflikten innerhalb zweier muslimischer Familien. Es handelt von Freiheit und Fundamentalismus, den Grenzen der Toleranz und von Kindern, die genau das erfahren wollen, was ihre Eltern hinter sich gelassen haben. Autor Zayed Dohrn zur Aktualität seines Stückes:
    "Ich habe vor zwei Jahren begonnen, das Stück zu schreiben, als die Probleme mit Immigration und muslimisch-amerikanischer Kultur sicher da waren, aber anders als sie es heute sind."
    Intellektuelle Freiheit lässt sich nicht mit Quadratmeterzahlen messen
    Der erste Akt des Stückes spielt in Eminas Familie, der zweite in Sams. Bühnenbildner Takeshi Kata hat diese beiden Welten präzise ausstaffiert: Erst die enge, aber durchaus gemütliche Welt eines West Village Apartments mit zentralem Wohn- und Arbeitszimmer, einem Klappsofa und die Wänden voller Bücher und Kunst, ein enger Flur führt in andere Räume, eine Schwingtür in die Küche. Im zweiten Akt dann das geräumige Haus von Sams Familie mit der hellen Eingangshalle des zu Geld gekommenen Unternehmers mit Marmorböden, viel Kunstgewerbe an den Wänden und einer prächtigen Koranausgabe als einzigem Buch. Geistige Offenheit und räumliche Dimensionen sind hier sehr schön gegenübergestellt, intellektuelle Freiheit lässt sich nicht mit Quadratmeterzahlen messen.
    Eminas Vater Raif ist ein bekannter Autor, ein Intellektueller, der in seiner Heimat bedroht wurde und dessen Bücher von seiner Erfahrung als Immigrant und Dissident erzählen. Er kann nicht begreifen, warum die atheistisch aufgewachsene Emina plötzlich religiös geworden ist und sich nach einer Familie sehnt, die nach traditionellen Werten lebt. Eminas jüngere lesbische Schwester Aisa, die nachts in einem Club arbeitet, wäre in solch einer Familie sicher nicht willkommen. Der schüchterne Sam, Eminas Verlobter, dagegen bewundert die intellektuelle Freiheit Raifs und gesteht ihm heimlich, dass er seinen Glauben an den Islam längst verloren hat. Er fragt ihn sogar um Rat, weil er nicht weiß, wie er seinen Glaubensverlust Emina und seiner Familie beibringen soll.
    Vorurteile, Missverständnisse und die Suche nach Heimat
    Sams Eltern, Peter und Carmen, haben, obwohl sie religiös-konservativ sind, ihre Namen amerikanisiert, um sich besser integrieren zu können. Sie scheinen ein orientalisches Bilderbuchpaar zu sein: sie, die sorgende Hausfrau; er, der gemütliche Patriarch. Als Raif und seine Frau entdecken, dass die, aus einem Ehearrangement stammende, aber mittlerweile geschiedene erste Frau Sams auch dort lebt, verlassen sie entrüstet das Haus, nicht ohne dass Raif ein paar Seiten aus dem kostbaren Koran der Gastfamilie reißt. Am Ende entscheidet sich Emina gegen ihren Vater und bleibt bei ihrer neuen Familie. Nochmals Autor Zayed Dohrn:
    "Ich hoffe, dass das Stück eine Kultur, die in den amerikanischen Medien und der Politik so dämonisiert wird, letztlich als eine voll häuslicher Menschlichkeit zeigt."
    "The Profane" ist ein hochaktuelles Stück, das danach fragt, wer die "Anderen" sind, die von so vielen in Trumps Amerika mit Mistrauen bedacht werden. Es handelt von Vorurteilen und Missverständnissen, von alten Verletzungen und der Suche nach Heimat. Wegen großer Nachfrage wurde es bereits vor der Premiere um mehrere Wochen verlängert.