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Theatersatire "The Box"
Klischees des Gefängnisalltags

Einer von neun afroamerikanischen Männern sitzt im Gefängnis - oft mit unverhältnismäßig hohem Strafmaß für kleine Delikte. Marcus Gardley kritisiert nun in seiner New Yorker Theatersatire das Gefängnissystem in den USA. Er will damit Wut und Zorn im Publikum wecken.

Von Andreas Robertz | 07.05.2014
    Eine Gittertor steht in einem Gang offen.
    Gardley kritisiert in seiner Satire nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Stereotypen, in denen die Männer gefangen sind. (picture alliance / dpa)
    "Die USA haben das größte Strafvollzugssystem der Welt und in der Geschichte der Menschheit", schrieb der bekannte New Yorker Essayist Adam Gopnik 2012 im New Yorker Magazine. "Mit sechs Millionen Insassen kommen wir spielend an die Blütezeit von Stalins Archipel Gulag heran", schrieb er damals provozierend. Und nichts scheint sich seitdem geändert zu haben. Einer von neun afroamerikanischen Männern geht ins Gefängnis - oft mit unverhältnismäßig hohem Strafmaß für kleine Delikte. Meist werden die Verurteilten in den Süden des Landes gebracht, um dort für große Betriebe härteste Arbeit zu leisten, für viele eine moderne Form der Sklaverei. Umso interessanter ist es, dass Autor Marcus Gardley aus diesem traurigen Thema eine politische Satire gemacht hat. Er sagt dazu:
    "Die politische Satire benutzt Wut. Das mag schockieren, aber eigentlich geht es darum, Wut und Zorn im Publikum zu wecken."
    Ein bisschen Gebrüder Grimm
    Und so laden fünf schwarze Schauspieler das Publikum am Anfang von "The Box" dazu ein, das süße Gefängnisleben mit ihnen zu teilen. Sie preisen die gesunde Diät, das kostenlose Fitnesstraining und die gute Gemeinschaft. Gardley, den manche als neuen August Wilson der zeitgenössischen amerikanischen Dramatik sehen, benutzt dabei die Sprache des Hip-Hop, traditioneller Sklavensongs und des Poetry Slam. Die fünf Spieler spielen etliche Rollen, darunter Gefängniswärter, Direktoren, Politiker, Polizisten, Götter, Großmütter und natürlich Insassen. Und dann benutzt einer der Spieler auch schon mal einen rollbaren Putzeimer und den Wischer, um Charon am Styx zu spielen. Sie erzählen das Märchen vom naiven Teenager Icarus, der im Getto Marihuana verkauft, um die Medikamente seiner armen Großmutter bezahlen zu können. Er muss dabei vor den bösen Wölfen der schwarzen Gangs weglaufen und gerät in die Arme korrupter Polizisten, die ihm seine Drogen abnehmen und für zwölf Jahre ins Gefängnis stecken. Sein Vater Deadlust, der ihm helfen will, versucht hingegen, aus dem Gefängnis zu kommen, indem er dem schleimigen Direktor die Anführer eines Hungerstreiks verrät. Ein bisschen Gebrüder Grimm, ein bisschen griechische Sagen und ein bisschen Realsatire. Doch die Geschichten, die dahinter stecken, sind wahr. Dazu Marcus Gardley:
    "Die Geschichten, die ich erzählen will, wurden begraben. Ich nehme diese Geschichten, die Ängste, die wir mit ihnen begraben haben, und das Gefühl, dass wir eh nichts ändern können. Ich grabe sie aus und zeige sie den Leuten."
    Wut richtig genutzt
    Die Satire in "The Box" wird plötzlich bitterernst, wenn Vater und Sohn durch eine Drehtür aus Eisenstäben aneinander vorbeigehen und man begreift, dass beide Seiten, das Gefängnis und das Getto, derselbe Ort sind. Gardley kritisiert dabei nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Stereotypen, in denen die Männer gefangen sind.
    "Es ist das Klischee, dass alle Gefangene zornige und böse Menschen sind. Aber was ich sagen will ist: Natürlich sind wir zornig, aber wenn wir Zorn auf positive Weise benutzen, dann muss man uns anhören."
    Wie sehr Rassismus hier unter der Oberfläche der Political Correctness liegt, zeigt der aktuelle Fall des Milliardärs Donald Sterling. Der Besitzer der Basketballmannschaft Los Angeles Clippers war letzte Woche durch rassistische Bemerkungen in die Presse geraten. Doch das Besondere dieses Vorfalls war, dass nur drei Tage später der amerikanische Basketballverband den Tycoon aufgrund des Aufschreis der meist schwarzen Spieler den Besuch jeglichen Spieles auf Lebenszeit untersagte und auf 25 Millionen Dollar verklagte. Wut richtig genutzt, kann viel verändern. Es wird Zeit, dass dies im Strafvollzug genauso passiert.