Donnerstag, 28. März 2024

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Theologe Küng: Papst hat Restaurationsbewegung ausgelöst

Hans Küng, ehemaliger Konzilstheologe des Zweiten Vatikanischen Konzils, hat den Verzicht des umstrittenen österreichischen Priesters Gerhard Maria Wagner auch auf den Widerstand der Linzer Gläubigen und des Klerus zurückgeführt. Dieser und andere Vorfälle führten dazu, dass die Kirche kaputt gemacht werde. Wichtig sei ein neuer Modus der Bischofswahl, der dem Zweiten Vatikanischen Konzil und den heutigen demokratischen Gewohnheiten entspreche.

Hans Küng im Gespräch mit Gerd Breker | 16.02.2009
    Gerd Breker: Also doch! Nach zunehmenden Protesten innerhalb der Katholischen Kirche hat der umstrittene österreichische Priester Gerhard Maria Wagner überraschend auf das Amt als Weihbischof von Linz verzichtet. Dies gab der Linzer Diözesanbischof Ludwig Schwarz bekannt. Wagner, der von Papst Benedikt XVI. gegen den Willen der meisten Bischöfe ernannt worden war, bat den Vatikan nach eigenen Angaben, seine Ernennung zurückzunehmen. Angeblich hat die Kirchenführung in Rom auch dem stattgegeben.

    Am Telefon bin ich nun verbunden mit Hans Küng, dem ehemaligen Konzilstheologen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Guten Tag, Herr Küng.

    Hans Küng: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Herr Küng, dieser Verzicht von Gerhard Maria Wagner bietet dem Papst eine elegante Lösung eines schwierigen Konflikts.

    Küng: Ganz elegant wird er die selber vermutlich nicht nennen, denn es zeigt ja doch, dass er eine falsche Wahl getroffen hat. Es hat sich vor allem gezeigt, dass Widerstand dagegen erfolgreich sein kann. Es ist eine weitere Einbuße für die Autorität des Papstes, dass er offenkundig einen schon ernannten Bischof nicht durchsetzen kann, und ich bin froh darüber - erstens für den Herrn Wagner selber, der, glaube ich, richtig gehandelt hat. Insofern kann man ihm dazu gratulieren. Ich gratuliere aber vor allem den Leuten, den Gläubigen und dem Klerus von Linz, die energisch Widerstand angemeldet haben und ihn auch gut formuliert haben und Maßnahmen vorgesehen haben und auf diese Weise die Wahl verhindert haben.

    Breker: Herr Küng, wir haben gelernt - Sie haben es gerade betont -, dass Protest der Gläubigen und des Klerus in der Katholischen Kirche, die ja sonst als autoritär gilt, durchaus etwas bewirken kann. Aber Demokratie, ist das eine Form für die Katholische Kirche?

    Küng: Jedenfalls haben wir ein Demokratiedefizit. Und wenn Sie mich fragen, ob das Demokratie ist? - Natürlich nicht im modernen Sinn, aber man muss auch wissen, dass der Bischof in der altchristlichen Zeit vom Klerus und Volk gewählt worden ist. Größte Bischöfe aller Zeiten, Ambrosius von Mailand, Augustinus von Hippo, sind entscheidend durch das Volk gewählt worden. Nos eligimus eum, wir erwählen ihn. So lautet in den lateinischen Gemeinden die Akklamationsformel des Volkes. Und wenn Sie dann weiter sehen: im Mittelalter ist das an die Domkapitel übergegangen. Meine eigene Diözese Basel in der Schweiz ist fast noch die einzige auf der ganzen Welt, wo noch das Domkapitel ohne römische Ingerenz den Bischof wählen kann. Ich meine also, man müsste jetzt wirklich darauf achten, wenn eine Untersuchungskommission eingesetzt wird, dass man nicht nur nach den grauen Eminenzen sucht, sondern nach einem neuen Modus der Bischofswahl, der dem Zweiten Vatikanischen Konzil entspricht und den heutigen demokratischen Gewohnheiten.

    Breker: Nur Mehrheiten, Herr Küng, Mehrheiten können doch nicht über die Wahrheit entscheiden?

    Küng: Es geht ja doch nicht um die Wahrheit, wenn ein Bischof gewählt wird. Es geht darum, dass eine Repräsentation der Kirche ihn wählt. Das können Mitglieder sein, die zu diesem Zweck gewählt werden. Das könnte aber auch der Diözesanrat sein, der aus Klerus und Laien besteht, und der könnte den Bischof von Linz wählen.

    Breker: Das heißt, die Institution Kirche und die Beteiligung der Laien daran, da ist der Bewegungsspielraum noch gar nicht aus Ihrer Sicht voll ausgeschöpft?

    Küng: Der ist in keinster Weise ausgeschöpft. Man muss nur auf die Vergangenheit schauen, dass wir da sehr viel mehr Bewegungen hatten. Und nachdem jetzt immer wieder das Vatikan II auch vom Papst selber faktisch in Frage gestellt wird, ist doch daran zu erinnern, dass gerade das Vatikan II höchstes Gewicht gelegt hat auf die theologische wie praktische Aufwertung der Partikularkirche und der Ortskirche, also des Bistums und der Gemeinde. Es wurde auch gleichzeitig die Forderung der Dezentralisation erhoben, die einen Machtabbau der römischen Kurie gegenüber den Kirchen der einzelnen Länder bedingt. Das alles könnte jetzt wirklich mal in die Wege geleitet werden und nachdem die Österreicher und die Linzer vor allem so tapfer waren, könnten sie wirklich die Vorhut sein, um hier die Frage neu aufzubrechen. Jedenfalls so können wir nicht weitermachen. Wir bekommen auch nicht die richtigen Bischöfe und die katastrophalen Wahlen in Österreich von dem Kinderschänder Kardinal Groher, von dem Bischof Krenn und so weiter und so weiter haben dem Volk gezeigt, dass die ganze Kirche kaputt gemacht wird, wenn wir nicht eine bessere Bischofswahl haben.

    Breker: Dieser Herr Wagner jetzt in Österreich, dann die Piusbruderschaft, Herr Küng, ist das alles reiner Zufall, oder muss man doch von so einer Art Rechtsruck in der Kirche Papst Benedikts XVI. sprechen?

    Küng: Man kann dies heute leider nicht mehr in Frage stellen, was ich lange versucht habe. Ich bin ihm ja immer noch dankbar, dass ich vier Stunden mit ihm in Castel Gandolfo freundschaftlich reden konnte, aber ich habe natürlich schon anderes erwartet als diese Maßnahmen, die alle - ob nun nach rechts oder wie ausgedrückt - eine Restaurationsbewegung ausgelöst haben. Es soll wieder darum gehen wie zu Zeiten des alten Metternich in Österreich nach den napoleonischen Kriegen, so jetzt nach dem zweiten Vatikanum wieder die alte Ordnung aufzurichten. Dabei ist das gar nicht eine alte Ordnung, wie ich gerade eben sagte, sondern nur die zentralistische Ordnung, wie sie sich vor allem im 19. Jahrhundert mit dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870 und der Definition des Primats und der Unfehlbarkeit herausgebildet hat.

    Breker: Haben Sie den Eindruck, Herr Küng, dass für Papst Benedikt XVI. das Zweite Vatikanische Konzil - nun sagen wir mal - von geringerer Bedeutung ist?

    Küng: Er versucht, es zu domestizieren. Er versucht, es so zu interpretieren, dass es gegen den Strich gekämmt wird, nämlich insofern er sagt, das ist ja alles in Kontinuität mit der Vergangenheit. Du liebe Zeit, wenn das einfach in Kontinuität wäre mit der Vergangenheit, dann hätte man nicht diese Kampfabstimmung erlebt, bei der er dabei war und ich auch dabei war. Als die beiden jüngsten Konzilsberater haben wir doch miterlebt die Kampfabstimmung über die Religionsfreiheit, die Kampfabstimmung über das Judendekret, die Kampfabstimmung über die Liturgie. Das alles zeigt doch, dass da ein Bruch erfolgt ist, ein Bruch erfolgen musste, wenn man die Kirche erneuern wollte. Das damalige Programm war ein rinnovamento, war ein aggiornamento, war ein Ökumenismus und war nicht das, was jetzt da wieder als Tradition uns aufgetischt wird und als Kontinuität.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der Theologe Hans Küng. Herr Küng, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.

    Küng: Danke Ihnen, Herr Breker.