Thierse: Ich bin leider kein Prophet, aber ich glaube doch, daß die beiden Parteien, dies sich ja auf diesen Präsidentschaftskandidaten geeinigt haben, auch für ihn stimmen werden.
DLF: Glauben Sie – gesetzt den Fall, Rau würde gewählt, wäre heute abend der neue Bundespräsident: Wäre diese Wahl ein politisches Signal für die Bundesrepublik?
Thierse: Wenn Johannes Rau gewählt wäre, dann hätten wir einen sehr erfahrenen Politiker gewählt und einen – wie ich finde – hochanständigen Menschen. Ich jedenfalls habe großen Respekt und große Achtung vor Johannes Rau und seiner Lebensleistung. Und diese Lebensleistung bringt er ja in dieses sehr wichtige Amt ein.
DLF: Herr Thierse, heute wird nicht nur ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Wir feiern auch den 50. Jahrestag des Grundgesetzes. In den letzten Jahrzehnten ist es ja zu einer Art nationalem Kultobjekt geworden. Aber in die Freude über die freiheitlichste Verfassung der deutschen Geschichte mischen sich auch Sorgen, ob sich das Verfassungsklima nicht klammheimlich ändert, ob nicht Sicherheit zunehmend höher geschätzt wird als Freiheit. ‚Der Respekt vor der Verfassung sei geschwunden‘ – so schrieb kürzlich ein Kommentator. Ist das so?
Thierse: Zunächst mal muß man wirklich sagen: Dies ist eine großartige Verfassung. Und daß sie nun schon 50 Jahre die Grundlage einer stabilen, demokratischen, sozialen, politischen Entwicklung in Deutschland ist – 40 Jahre der alten Bundesrepublik und 10 Jahre nun einer gemeinsamen Republik –, das ist doch schon eine historisch außerordentliche Tatsache. Daß es immer auch Besorgnis gibt, Kritik daran, daß Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit nicht deckungsgleich sind, das gehört zur Demokratie dazu, denn dieses Grundgesetz ist ja eine politische Grundorientierung, eine Normierung der Grundlagen unseres politischen Zusammenlebens, eine Normierung der Werte, nach denen wir leben. Daß von daher klar ist, daß im konkreten politischen Alltag, in der sozialen Realität, man auch immer hinter diesem Anspruch zurückbleibt – sonst wäre er ja kein Anspruch, sonst wäre er ja deckungsgleich mit dem, was schon ist –, auch darin bewährt sich ja das Grundgesetz, daß es immer auch in einem bestimmten Sinne der Wirklichkeit voraus ist. Und wenn man das mit Besorgnis sieht, mit Kritik verfolgt, dann ist das im Grunde selber ein Zeichen für die Lebendigkeit unserer Verfassung und für die Tatsache, daß es genügend Menschen in diesem Lande gibt, die sich eben Sorgen machen, daß dieses Grundgesetz die wirklich vitale Grundlage unseres Zusammenlebens bleibt.
DLF: Herr Thierse, für Zündstoff sorgte kürzlich die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach. Sie zeigte sich besorgt über mangelndes Demokratiebewußtsein der Ostdeutschen. Die Akzeptanz der Demokratie sei dort nicht sonderlich ausgeprägt, sagte sie, und löste - vor allem in den neuen Ländern natürlich - einen Sturm der Entrüstung aus. Aber geben der Erfolg rechtsextremer Parteien, die Ausländerfeindlichkeit, die hohe Zahl von Gewalttaten gegen Ausländer in Ostdeutschland der Präsidentin nicht recht?
Thierse: Zunächst einmal muß man nüchtern – und ich tue es ganz unpolemisch – darauf hinweisen, daß es rechtsextreme und ausländerfeindliche Gewalttaten nicht nur im Osten Deutschlands gibt. Die Behauptung, daß das immer nur und vor allem im Osten stattfände, ist ja selber eine Verfälschung der Wirklichkeit. Ich will nicht bestreiten, daß es das in Ostdeutschland auf eine besonders auffällige Weise gibt, aber das hat mit der sozialen, ideellen, moralischen Umwälzung zu tun, mit der Ostdeutsche, oder nicht alle Ostdeutschen gleichermaßen gut zu Rande kommen. Bezogen auf das, was die Präsidentin des Verfassungsgerichts gesagt hat, will ich nur daran erinnern, daß sie ja in aller Behutsamkeit sich beziehen konnte auf Umfragen, die darin stabil sind. Gerade ist wieder eine veröffentlicht worden, daß die Ostdeutschen in einem viel größeren Ausmaß ein sehr viel skeptischeres Verhältnis zur Demokratie und zu dieser Verfassung haben. Und da bitte ich zunächst um Verständnis: Das ist in keinerlei Weise wirklich überraschend. Erstens: Grundgesetz und Demokratie sind für die Ostdeutschen ja wirklich noch neu. 10 Jahre sind eine noch nicht sehr lange Zeit. Man muß sich daran erinnern, daß die Westdeutschen doch auch nicht nur ein paar Jährchen und ein paar Monate gebraucht haben, um wirklich vollständige Demokraten zu werden, sondern das war ein Entwicklungsprozeß, der zwanzig, dreißig Jahre dauerte – bis weit in die sechziger, ja in die siebziger Jahre hinein. Desweiteren - auch an eine andere elementare Tatsache will ich erinnern: Der rechte Gebrauch der Freiheit, ja sogar der recht Genuß der Freiheit, hängt von Voraussetzungen ab, für die die Freiheit nicht von selber sorgt, sondern für die vernünftige Politik sorgen muß, nämlich: Die Erfahrung von sozialer Ungerechtigkeit, von sozialer Verunsicherung, die massenhafte Erfahrung von Arbeitslosigkeit oder der Angst um die Arbeitsplätze, die macht es doch Menschen schwerer, nun das leidenschaftliche ‚Ja‘ zur Demokratie, zu den Freiheiten – den Risiken auch, die mit der Freiheit verbunden sind, mit der Kälte der Freiheit, dazu insgesamt ‚Ja‘ zu sagen. Also, die Ostdeutschen haben eine große Wertschätzung für soziale Gerechtigkeit, für soziale Gleichheit. Ich kann nicht sehen, daß das etwas Schädliches oder Nachteiliges sei, sondern wir haben fertigzubringen, daß Freiheit und Gerechtigkeit wirkliche Schwestern sind. Und wenn uns das gelingt, dann wird auch das ‚Ja‘ zur Demokratie, das ‚Ja‘ zur Freiheit und die Leidenschaft für die Freiheiten in Ostdeutschland so sein, wie die Westdeutschen es auch in einem sehr langen und mühseligen Prozeß erlernt haben.
DLF: Welche Rolle spielt denn dabei – neben den Erfahrungen des sozialen Umbruchs – die autoritäre Erziehung in der früheren DDR?
Thierse: Ich will das nicht geringschätzen, daß Erziehung - also die Prägungen von Verhaltensweisen - ja lange nachwirkt. Mentalitäten entstehen langsam und ändern sich entsprechend langsam. Aber es ist doch eine Verkürzung, wie das neulich ein Hannoveraner Professor behauptet hat, daß die Krippenerziehung eine ganz unmittelbare Auswirkung hatte. Das ist – finde ich – dann doch ein Kurzschluß. Da könnte man ja auch sagen: Die Kriminalität, die im Westen Deutschlands ja nun wahrlich insgesamt nicht geringer ist, an welchen Erziehungsprozessen liegt die? Liegt das an der Freiheit? Also, das sind Kurzschlüsse, die niemandem helfen. Daß wir in Deutschland nach unseren Prägungen zu fragen haben, und was ist dafür förderlich für ein Leben in der Freiheit, für ein Leben in Toleranz und Solidarität, und was ist dabei hinderlich, dafür bin ich sehr, und da haben Ostdeutsche kritisch mit ihrer eigenen Geschichte umzugehen. Aber gelegentlich wünschte ich mir auch, daß Westdeutsche dann, wenn sie an ostdeutschen Biographien und Geschichten etwas kritisieren, auch zurückfragen nach ihren eigenen Geschichten und Biographien.
DLF: Muß man denn in Ostdeutschland auch einen Prozeß von Jahrzehnten veranschlagen, um zu einem Verfassungs- und Demokratieverständnis zu gelangen, wie es sich in Westdeutschland allmählich durchgesetzt hat?
Thierse: Ach ich hoffe, wir sind schneller und wir lernen schneller. Wir beginnen ja nicht mit einer vergleichbaren Katastrophe, wie die Westdeutschen 45 oder wie die Deutschen überhaupt 1945, sondern die Ostdeutschen sind Teil einer lebendigen Demokratie geworden – eben der Bundesrepublik Deutschland, sind Teil eines gut funktionierenden – natürlich mit Schwächen behafteten – marktwirtschaftlichen Systems einer Gesellschaft, die vital ist. Und das sind doch ganz gute Voraussetzungen für Lernprozesse. Die Voraussetzung ist dann allerdings auch eine weitere: Daß die Ostdeutschen sich tatsächlich als Gleichberechtigte erfahren, als Subjekte ihrer eigenen Entscheidung, und nicht eben immer wieder neu die mehr oder minder stimmende Erfahrung machen, daß sie doch zweiter Klasse sind, Benachteiligte sind. Solche Art Ohnmachtserfahrungen, Zurücksetzungserfahrungen, erschweren ja eher das, was wir in einem pathetischen – und wie ich finde – sympathischen Sinne ‚Verfassungspatriarchismus‘ nennen, nämlich zu begreifen, daß dieses Grundgesetz die eigene Sache ist, zum Vorteil des eigenen freiheitlichen Lebens dient.
DLF: Unabhängig vom Wohnort eint viele Bundesbürger das Gefühl, die Politik entscheide über ihre Köpfe hinweg. Viel ist jetzt von einer ‚Bürgergesellschaft‘ die Rede. Können denn plebiszitäre Elemente in der Verfassung – könnte etwa die Direktwahl des Bundespräsidenten – daran etwas ändern?
Thierse: Ach ich weiß nicht, warum man immer mit der Direktwahl des Bundespräsidenten anfängt. Die Väter und Mütter unserer Verfassung haben ja in der Erinnerung an die Weimarer Republik und ihr Scheitern das Staatsoberhaupt ausdrücklich aus der Konkurrenz der Verfassungsorgane herausgehoben; sie haben daraus ein Amt gemacht, das tagespolitisch keine Macht hat. Ich finde, das ist auch ganz gut so. Also, wenn man über plebiszitäre Elemente redet – also über mehr Möglichkeiten direkter Bürgerbeteiligung –, dann müßte man reden, ob es nicht gelingt, tatsächlich Volksbefragung, Volksentscheide, Volksinitiativen, in unser Grundgesetz einzuführen. Nun, leider ist das nicht gelungen. Wir hatten eine Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat – ich war deren Mitglied –, und zu meinen größten Enttäuschungen gehört, daß genau dieses, was meine Leidenschaft war aus der Erfahrung des Aufbruchs 1989/90 – mehr Möglichkeiten direkter Bürgerbeteiligung in unsere Verfassung einzubringen –, das ist gescheitert an einer Mehrheit, die dagegen war und meinte, die repräsentative Demokratie, die Parteiendemokratie, würde so gut funktionieren, das bräuchte man nicht. Ich bin schon dafür, daß wir mehr Möglichkeiten direkter Bürgerbeteiligung einführen – als Ergänzung zum System der repräsentativen Demokratie, denn man soll sich auch keinen Illusionen hingeben: Auch Volksentscheide führen immer zu Enttäuschungen. Eine Minderheit wird sich immer - im wahrsten Sinne des Wortes - ‚überfahren‘ fühlen.
DLF: Herr Thierse, geteilt ist Deutschland bei der Beurteilung des Kosovo-Krieges. Während eine Mehrheit der Westdeutschen noch die Luftangriffe befürwortet, werden sie in Ostdeutschland mehrheitlich abgelehnt. Spielen da alte Ressentiments gegen die NATO, gegen die USA, eine Rolle? Thierse: Ich will das nicht ausschließen. Naheliegenderweise ist den Ostdeutschen die NATO fremder, und die USA sind den Ostdeutschen auch fremder, und sie waren ja über 40 Jahre hin ideologisch politische Feindbilder. Das mag nachwirken. Aber das scheint mir nicht die einzige und vielleicht noch nicht einmal die eigentliche Ursache zu sein. Im Osten gibt’s vielmehr so etwas – wie ich es nenne – eine geradezu dramatische, emotionale Friedenssehnsucht. Und sie hat wohl damit zu tun, daß wir Ostdeutschen die Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges viel länger erfahren haben. Die Wirkungen des Krieges sind in unseren Geschichten, in unserer Lebensentwicklung, viel mehr präsent gewesen als bei den Westdeutschen, die glücklicherweise die Wirkungen des Krieges schneller haben überwinden können. Und dann kommt auch hinzu, daß wir tatsächlich ein anderes Verhältnis zur Sowjetunion, also zu Rußland entwickelt haben. Das war nicht nur eine Besatzungsmacht mit manchen Aversionen, die das erzeugt hat, sondern die Ostdeutschen haben – glaube ich – ein ganz selbstverständliches Verständnis dafür, daß Rußland Teil unseres Schicksals und Teil unserer Zukunft ist, und daß es keine friedlichen Lösungen in Europa gibt – auch in Jugoslawien nicht –, wenn man Rußland außen vor läßt. Also, die Erinnerung, die viel lebendigere Erinnerung an den Krieg uns seine Folgen und seine Wirkungen führt dazu, daß es ein ganz emotionaleres Verhältnis zu diesem Thema gibt, als ich es im Westen bemerke.
DLF: Herr Thierse, die Grünen haben einen Bruch wegen dieses Krieges mit Mühe vermeiden können. Auch in der SPD wächst aber das Unbehagen, wenngleich es sich nicht ganz so lautstark artikuliert. Wie lange hält die Partei zusammen, wenn eine politische Lösung weiter auf sich warten lassen sollte und die Frage von Bodentruppen akut wird?
Thierse: Also, soweit ich sehe, sind SPD und Grüne sich ja darin einig, daß wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, diesen Krieg zu beenden, zu politischen Lösungen zu kommen; und die Bundesregierung, Bundeskanzler Schröder, Außenminister Fischer, unternehmen ja nun wirklich große Anstrengungen, innerhalb des Bündnisses, innerhalb der NATO zu solchen politischen Lösungen zu kommen. Bundeskanzler Schröder hat den Generalsekretär der Vereinten Nationen eingeladen und hat Rußland in diesen Prozeß einbezogen. Soweit diese Anstrengungen weitergehen – und sie sind mühselig, wie wir sehen, ich bin selber auch ungeduldig, warum das nun nicht endlich den Erfolg zeitigt –, solange diese Anstrengungen sichtbar sind, wird Rot-Grün beieinander bleiben. Dessen bin ich sicher, zumal wir uns einig sind im Ziel. Das Ziel muß bleiben: Die Vertriebenen und die Flüchtlinge müssen zurückkehren, und wir brauchen verläßlichen Schutz für sie, und der muß auch militärischer Schutz sein – und natürlich das weitergehende Ziel: Eine europäische Perspektive für die Balkanländer. Darin sind wir uns einig, daran arbeitet diese Koalition. Und deswegen – denke ich – wird sie auch zusammenbleiben können.
DLF: Wenn die Grünen nun auf ihrer Forderung nach einer sofortigen Feuerpause beharren sollten: Könnte daran die Koalition zerbrechen?
Thierse: Also, das ist ja gar nicht so strittig, also jedenfalls weniger strittig, als es auf den ersten Eindruck erscheint. Die Bundesregierung tut doch alles, daß wir millimeterweise, zentimeterweise auf das Ende der Bombardements hinkommen können und den Friedensprozeß wirklich einleiten. Wir können nur nicht akzeptieren, daß durch irgendeine politische Handlung Milosevic so wie ein Sieger erscheint, denn das wäre unser aller Niederlage. Das wäre eine Niederlage der Menschenrechtspolitik, und die wäre sehr folgenreich.
DLF: Der Krieg im Kosovo hat vorübergehend die innenpolitischen Schwierigkeiten der Bundesregierung in den Hintergrund gerückt. Jetzt sorgen die rigorosen Sparforderungen des Bundesfinanzministers für Streit. Er verlangt, daß alle Ressorts 7,4 Prozent einsparen. Beim Bundesarbeitsministerium wären das alleine rund 13 Milliarden DM. Auch Forschung und Bildung sollten nach der ursprünglichen Konzeption nicht verschont werden. Hat denn diese sogenannte ‚Rasenmähermethode‘ überhaupt eine Chance auf Erfolg?
Thierse: Zunächst einmal ist es ja unbestreitbar, daß die neue Regierungskoalition mit einem schweren Erbe einer gigantischen Staatsverschuldung fertig werden muß - einem Erbe, das sie von der vorherigen Regierung übernommen hat. Wenn jede vierte Mark des Staatshaushaltes für Zins und Tilgung ausgegeben werden muß wegen der Staatsverschuldung, dann ist das eine Politik, die sich an der Zukunft und an der nachwachsenden Generation versündigt. Und deswegen ist es sinnvoll und notwendig, zu sparen, also alles zu überprüfen, was der Staat ausgibt. Das ist hoffentlich unbestreitbar. Nur – wenn es ins einzelne geht, dann erleben wir, daß alle Interessengruppen, alle Ressourcen natürlich dafür kämpfen, daß in ihrem Bereich weniger gespart werden muß. Das ist zunächst einmal ein relativ normaler Krach, nicht nur innerhalb der Regierung, sondern in der Öffentlichkeit. Jede Ankündigung, da Subventionen zu streichen, da weniger Geld auszugeben, führt zu sofortigem heftigen Getöse in dieser Gesellschaft, und nicht nur in der politischen Sphäre. Da müssen wir durch. Da muß diese Regierung gute Nerven besitzen und sie muß zugleich im Sparen – das meine ich nun wirklich sehr ernst – auch politische Akzente setzen, also Zukunftsakzente. Für Forschung und Bildung werden wir hoffentlich viel weniger sparen. Wir haben ja angekündigt, daß wir da die Mittel, die Investitionsausgaben erhöhen wollen. Und ich hoffe, daß wir daran festhalten können. Aber das Sparziel, das Konsolidierungsziel, das bleibt gültig.
DLF: Für neuen Aufruhr sorgt jetzt die Debatte um eine mögliche Mineralölsteuer-erhöhung, da ist von bis zu 40 Pfennig ab 2001 die Rede – eine Schocktherapie, die ja auch Erinnerungen an das Debakel der Grünen mit ihrer Forderung nach 5 DM pro Liter Benzin weckt, und die erneut für ein verheerendes Bild dieser Koalition in der Öffentlichkeit sorgt. Beunruhigt Sie das nicht?
Thierse: Wissen Sie, ich kann mir nicht helfen: Ich habe versucht nachzuvollziehen, wer von der Regierung und wer von den Koalitionsfraktionen eine solche Forderung erhoben hat. Es gibt niemanden. Gelegentlich erzeugen Journalisten ein Bild, das sie dann in schrecklichen Farben malen können. Daß man darüber debattiert, wie wir durch Einsparungen, durch Abbau von Subventionen den Haushalt konsolidieren, wie wir zugleich aber die unausweichlich notwendigen Ausgaben des Staates für Soziales, für Gesundheit, für Verteidigung, für Forschung und Bildung finanzieren können – also, in welchen vernünftigen Relationen Geldausgeben und -einsparen stehen –, daß man darüber debattiert, das halte ich für sinnvoll. Nur, man kann in diesem Lande nicht mehr debattieren, Ideen diskutieren, ohne daß sofort ein Riesengeschrei inszeniert wird. Sie können nachfragen, wer von der Regierungskoalition die Forderung nach radikalen Steuererhöhungen erhoben hat: Es gibt keinen – aber es steht trotzdem in der Zeitung.
DLF: Ja, aber der Fraktionsvorsitzende Peter Struck hat . . .
Thierse: . . . nein, darf ich Sie unterbrechen? Er hat nur die Erwägung angestellt, ob die bereits in der Koalitionsvereinbarung angekündigten Schritte zur ökologischen Steuerreform – also einer maßvollen höheren Besteuerung des Energieverbrau-ches –, ob diese Schritte, die wir vereinbart haben, ob der zweite und dritte Schritt in eins gelegt werden können. Nur diese Debatte – da war überhaupt nicht von Pfennigen keine Rede. Aber die kann man natürlich sofort erfinden und dann ein großes inszeniertes Geschrei erheben. Und darunter leidet die Regierung. Das ist schon ein Problem, ich sehe das. Aber gelegentlich finde ich, daß normale Gesetzesarbeit, normale politische Diskussionen über das Pro und Contra von Vorschlägen – das etwas besser, das etwas schlechter – gar nicht mehr möglich ist, sondern daraus immer Katastrophenmeldungen werden. Und auf diese Weise – denke ich – leiden auch demokratische Entscheidungsprozesse in diesem Lande.
DLF: Also bestreiten Sie, daß diese 40 Pfennig gefallen sind?
Thierse: Also, ich habe den Fraktionsvorsitzenden der SPD gefragt, ob er einen solchen Vorschlag gemacht hat. Er hat nur die Erwägung angestellt, ob wir die zwei Stufen der ökologischen Steuerreform, ob wir die um ein Jahr verschieben und dann in einem Schritt erledigen oder nicht. Und da ist von 40 Pfennig nicht die Rede gewesen.
DLF: Aber an diesem Erscheinungsbild der Koalition ist doch nicht nur die Presse Schuld?
Thierse: Nein, selbstverständlich nicht. Daß diese Regierungskoalition im ersten halben Jahr ihrer Tätigkeit irrsinnig viele Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen versucht hat , wirklich schwierige Reformaufgaben: Wenn man denkt - der Mißbrauch der 630-Mark-Jobs, der Mißbrauch von selbständig – scheinselbständigen Verhältnissen. Den abzubauen, ist eine sehr schwierige Arbeit. Und daß da Interessenkollisionen eintreten, die man aushalten muß, und daß man da einen möglichst klaren Kurs fahren muß, das will ich ausdrücklich zugestehen. Aber daß wir nichts tun gegen Mißbrauch, der zu Lasten der Allgemeinheit geht, das hatten wir nicht angekündigt, sondern wir hatten angekündigt vor der Wahl, daß wir da für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen wollen – im Interesse übrigens auch der gerechteren Verteilung von Arbeitsplätzen und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Dazu gehört übrigens auch Entlastung der Wirtschaft. Wir wollen eine Steuerreform, die zur Entlastung der Wirtschaft und zur Entlastung von Arbeitsplätzen, von Kosten, führt. Das werden wir erreichen. Finanzminister Eichel hat das Konzept dieser Steuerreform für diesen Sommer angekündigt. Da wird man dann heftig darüber debattieren können, und da wird es noch viel Streit geben. Aber ich hoffe, daß wir dieses Konzept dann auch umsetzen können – nach Debatte.
DLF: Glauben Sie also an eine große Steuerreform?
Thierse: Ich bin sicher. Wir brauchen sie um der Arbeitsplätze willen, um der Schaffung von Arbeitsplätzen willen. Und diese Regierungskoalition will diese große Steuerreform. Daß das sehr mühselig wird - angesichts der Interessengegensätze - und daß ganz viele aufschreien werden, das weiß ich auch.
DLF: Der Sozialstaat ist der Stolz der Deutschen, aber in seiner jetzigen Form – das wissen eigentlich alle – nicht zu bezahlen. Die SPD müßte dazu auch der eigenen Klientel etwas zumuten, aber nach jedem Aufschrei – so war jedenfalls bisher der Eindruck – knickt sie ein. Woher diese Mutlosigkeit?
Thierse: Also, ich bin schon dafür, daß man energisch an eine Reform des Sozialstaates geht – nicht, um ihn abzuschaffen, nicht, um den Staat aus seiner Verantwortung zu entlassen, sondern um ihm eine Zukunft zu ermöglichen, ihn bezahlbar zu machen, seine Leistungen auf die zu konzentrieren, die tatsächlich bedürftig sind, die auch dieses soziale Netz brauchen. Da wünsche ich mir schon weniger Ängstlichkeit, auch weniger Nachgiebigkeit – auch gegen die verschiedenen Lobbyverbände, die dann jeweils ihre – was ja legitim ist – Interessen vertreten. Also, da wünsche ich mir schon mehr Klarheit. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben mit dem Thema 630-Mark-Beschäftigung, Scheinselbständigkeit, sind zunächst nicht ermunternd, aber ich hoffe, daß wir das - nur mit leichten Blessuren - überstehen.
DLF: Fehlt es Schröder an der nötigen Kraft und Durchsetzungsfähigkeit?
Thierse: Ach, unser Regierungssystem insgesamt ist ja nicht so eingerichtet, daß der Regierungschef mit der Faust auf den Tisch schlägt, und dann ist es geregelt. Wir sind ein Staatswesen und ein Gemeinwesen, in dem die unterschiedlichen Interessenverbände, die verschiedenen sozialen Gruppierungen, immer auch das Wort ergreifen, und wo es darum geht, Interessen und Vorschläge auszutarieren und dann einen Weg zu finden. Dieser schwierige Prozeß ist nicht abzukürzen durch ein Machtwort des Kanzlers.
DLF: Vor ein paar Tagen, Herr Thierse, hat sich Oskar Lafontaine in Bonn wieder zu Wort gemeldet. In seinem selbstverordneten Ruhestand – so scheint es – wird er immer unruhiger, und er scheint zumindest die Parteiführung auch zu beunruhigen. Welche Rolle soll er noch spielen?
Thierse: Also, ich habe keinen Anlaß, Oskar Lafontaine einen Rat zu erteilen. Und für ihn gilt auch – wie für jeden anderen Bürger dieses Landes –, daß er das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. Und ich habe Phantasie genug, mir vorzustellen, daß ein so politischer Mensch wie Oskar Lafontaine es nicht ganz leicht hat, jetzt plötzlich schweigen zu müssen, plötzlich nur noch ein Privatmann zu sein. Ich fände auch ganz sinnvoll, daß er seine Meinung äußert und sich in einer von ihm zu entscheidenden Weise am politischen Leben fürderhin beteiligen kann. Er wird nicht mehr die Rolle spielen, die er vorher hatte. Aus der hat er sich ja freiwillig zurückgezogen. Aber daß er damit ein Nobody, ein politischer Nobody sein muß, das finde ich auch nicht einsichtig.
DLF: Könnte er – wie in Mannheim seinerzeit – sozusagen als ‚Phönix aus der Asche‘ noch mal einen großen Auftritt mit einer Rückkehr inszenieren?
Thierse: Ich glaube nicht, daß er das will und daß er das kann. Man kann nicht große Vorgänge wiederholen. Das, was beim ersten Mal gelingt und eine große dramatische Situation ist, das ist vielleicht beim zweiten Mal nur noch eine Komödie.
DLF: Herr Thierse, nun noch zum Schluß zu einem Thema, das Ihnen am Herzen liegt: Der Bau eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin. In Kürze wird sich der Bundestag damit beschäftigen; die Lage ist allerdings im Augenblick jedenfalls noch unübersichtlich. Glauben Sie, daß nach über 10-jähriger Diskussion eine Entscheidung kommt?
Thierse: Ja, ich hoffe das sehr, und ich wünsche mir das sehr. Der Deutsche Bundestag will noch vor der Sommerpause die Entscheidung fällen. Nach 10 Jahren Debatte ist es an der Zeit, daß wir das tun, denn es gibt kein qualitativ neues Argument. Jedes weiter Verschieben kann nur peinlich sein und der Sache schaden, die wir im Interesse unseres Selbstbewußtseins brauchen. Wir brauchen einen Ort des Gedenkens mitten in der Hauptstadt Berlin. Das sind wir unserer Geschichte, unseren Nachbarn und an die Erinnerung an die ermordeten Juden schuldig.
DLF: Glauben Sie – gesetzt den Fall, Rau würde gewählt, wäre heute abend der neue Bundespräsident: Wäre diese Wahl ein politisches Signal für die Bundesrepublik?
Thierse: Wenn Johannes Rau gewählt wäre, dann hätten wir einen sehr erfahrenen Politiker gewählt und einen – wie ich finde – hochanständigen Menschen. Ich jedenfalls habe großen Respekt und große Achtung vor Johannes Rau und seiner Lebensleistung. Und diese Lebensleistung bringt er ja in dieses sehr wichtige Amt ein.
DLF: Herr Thierse, heute wird nicht nur ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Wir feiern auch den 50. Jahrestag des Grundgesetzes. In den letzten Jahrzehnten ist es ja zu einer Art nationalem Kultobjekt geworden. Aber in die Freude über die freiheitlichste Verfassung der deutschen Geschichte mischen sich auch Sorgen, ob sich das Verfassungsklima nicht klammheimlich ändert, ob nicht Sicherheit zunehmend höher geschätzt wird als Freiheit. ‚Der Respekt vor der Verfassung sei geschwunden‘ – so schrieb kürzlich ein Kommentator. Ist das so?
Thierse: Zunächst mal muß man wirklich sagen: Dies ist eine großartige Verfassung. Und daß sie nun schon 50 Jahre die Grundlage einer stabilen, demokratischen, sozialen, politischen Entwicklung in Deutschland ist – 40 Jahre der alten Bundesrepublik und 10 Jahre nun einer gemeinsamen Republik –, das ist doch schon eine historisch außerordentliche Tatsache. Daß es immer auch Besorgnis gibt, Kritik daran, daß Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit nicht deckungsgleich sind, das gehört zur Demokratie dazu, denn dieses Grundgesetz ist ja eine politische Grundorientierung, eine Normierung der Grundlagen unseres politischen Zusammenlebens, eine Normierung der Werte, nach denen wir leben. Daß von daher klar ist, daß im konkreten politischen Alltag, in der sozialen Realität, man auch immer hinter diesem Anspruch zurückbleibt – sonst wäre er ja kein Anspruch, sonst wäre er ja deckungsgleich mit dem, was schon ist –, auch darin bewährt sich ja das Grundgesetz, daß es immer auch in einem bestimmten Sinne der Wirklichkeit voraus ist. Und wenn man das mit Besorgnis sieht, mit Kritik verfolgt, dann ist das im Grunde selber ein Zeichen für die Lebendigkeit unserer Verfassung und für die Tatsache, daß es genügend Menschen in diesem Lande gibt, die sich eben Sorgen machen, daß dieses Grundgesetz die wirklich vitale Grundlage unseres Zusammenlebens bleibt.
DLF: Herr Thierse, für Zündstoff sorgte kürzlich die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach. Sie zeigte sich besorgt über mangelndes Demokratiebewußtsein der Ostdeutschen. Die Akzeptanz der Demokratie sei dort nicht sonderlich ausgeprägt, sagte sie, und löste - vor allem in den neuen Ländern natürlich - einen Sturm der Entrüstung aus. Aber geben der Erfolg rechtsextremer Parteien, die Ausländerfeindlichkeit, die hohe Zahl von Gewalttaten gegen Ausländer in Ostdeutschland der Präsidentin nicht recht?
Thierse: Zunächst einmal muß man nüchtern – und ich tue es ganz unpolemisch – darauf hinweisen, daß es rechtsextreme und ausländerfeindliche Gewalttaten nicht nur im Osten Deutschlands gibt. Die Behauptung, daß das immer nur und vor allem im Osten stattfände, ist ja selber eine Verfälschung der Wirklichkeit. Ich will nicht bestreiten, daß es das in Ostdeutschland auf eine besonders auffällige Weise gibt, aber das hat mit der sozialen, ideellen, moralischen Umwälzung zu tun, mit der Ostdeutsche, oder nicht alle Ostdeutschen gleichermaßen gut zu Rande kommen. Bezogen auf das, was die Präsidentin des Verfassungsgerichts gesagt hat, will ich nur daran erinnern, daß sie ja in aller Behutsamkeit sich beziehen konnte auf Umfragen, die darin stabil sind. Gerade ist wieder eine veröffentlicht worden, daß die Ostdeutschen in einem viel größeren Ausmaß ein sehr viel skeptischeres Verhältnis zur Demokratie und zu dieser Verfassung haben. Und da bitte ich zunächst um Verständnis: Das ist in keinerlei Weise wirklich überraschend. Erstens: Grundgesetz und Demokratie sind für die Ostdeutschen ja wirklich noch neu. 10 Jahre sind eine noch nicht sehr lange Zeit. Man muß sich daran erinnern, daß die Westdeutschen doch auch nicht nur ein paar Jährchen und ein paar Monate gebraucht haben, um wirklich vollständige Demokraten zu werden, sondern das war ein Entwicklungsprozeß, der zwanzig, dreißig Jahre dauerte – bis weit in die sechziger, ja in die siebziger Jahre hinein. Desweiteren - auch an eine andere elementare Tatsache will ich erinnern: Der rechte Gebrauch der Freiheit, ja sogar der recht Genuß der Freiheit, hängt von Voraussetzungen ab, für die die Freiheit nicht von selber sorgt, sondern für die vernünftige Politik sorgen muß, nämlich: Die Erfahrung von sozialer Ungerechtigkeit, von sozialer Verunsicherung, die massenhafte Erfahrung von Arbeitslosigkeit oder der Angst um die Arbeitsplätze, die macht es doch Menschen schwerer, nun das leidenschaftliche ‚Ja‘ zur Demokratie, zu den Freiheiten – den Risiken auch, die mit der Freiheit verbunden sind, mit der Kälte der Freiheit, dazu insgesamt ‚Ja‘ zu sagen. Also, die Ostdeutschen haben eine große Wertschätzung für soziale Gerechtigkeit, für soziale Gleichheit. Ich kann nicht sehen, daß das etwas Schädliches oder Nachteiliges sei, sondern wir haben fertigzubringen, daß Freiheit und Gerechtigkeit wirkliche Schwestern sind. Und wenn uns das gelingt, dann wird auch das ‚Ja‘ zur Demokratie, das ‚Ja‘ zur Freiheit und die Leidenschaft für die Freiheiten in Ostdeutschland so sein, wie die Westdeutschen es auch in einem sehr langen und mühseligen Prozeß erlernt haben.
DLF: Welche Rolle spielt denn dabei – neben den Erfahrungen des sozialen Umbruchs – die autoritäre Erziehung in der früheren DDR?
Thierse: Ich will das nicht geringschätzen, daß Erziehung - also die Prägungen von Verhaltensweisen - ja lange nachwirkt. Mentalitäten entstehen langsam und ändern sich entsprechend langsam. Aber es ist doch eine Verkürzung, wie das neulich ein Hannoveraner Professor behauptet hat, daß die Krippenerziehung eine ganz unmittelbare Auswirkung hatte. Das ist – finde ich – dann doch ein Kurzschluß. Da könnte man ja auch sagen: Die Kriminalität, die im Westen Deutschlands ja nun wahrlich insgesamt nicht geringer ist, an welchen Erziehungsprozessen liegt die? Liegt das an der Freiheit? Also, das sind Kurzschlüsse, die niemandem helfen. Daß wir in Deutschland nach unseren Prägungen zu fragen haben, und was ist dafür förderlich für ein Leben in der Freiheit, für ein Leben in Toleranz und Solidarität, und was ist dabei hinderlich, dafür bin ich sehr, und da haben Ostdeutsche kritisch mit ihrer eigenen Geschichte umzugehen. Aber gelegentlich wünschte ich mir auch, daß Westdeutsche dann, wenn sie an ostdeutschen Biographien und Geschichten etwas kritisieren, auch zurückfragen nach ihren eigenen Geschichten und Biographien.
DLF: Muß man denn in Ostdeutschland auch einen Prozeß von Jahrzehnten veranschlagen, um zu einem Verfassungs- und Demokratieverständnis zu gelangen, wie es sich in Westdeutschland allmählich durchgesetzt hat?
Thierse: Ach ich hoffe, wir sind schneller und wir lernen schneller. Wir beginnen ja nicht mit einer vergleichbaren Katastrophe, wie die Westdeutschen 45 oder wie die Deutschen überhaupt 1945, sondern die Ostdeutschen sind Teil einer lebendigen Demokratie geworden – eben der Bundesrepublik Deutschland, sind Teil eines gut funktionierenden – natürlich mit Schwächen behafteten – marktwirtschaftlichen Systems einer Gesellschaft, die vital ist. Und das sind doch ganz gute Voraussetzungen für Lernprozesse. Die Voraussetzung ist dann allerdings auch eine weitere: Daß die Ostdeutschen sich tatsächlich als Gleichberechtigte erfahren, als Subjekte ihrer eigenen Entscheidung, und nicht eben immer wieder neu die mehr oder minder stimmende Erfahrung machen, daß sie doch zweiter Klasse sind, Benachteiligte sind. Solche Art Ohnmachtserfahrungen, Zurücksetzungserfahrungen, erschweren ja eher das, was wir in einem pathetischen – und wie ich finde – sympathischen Sinne ‚Verfassungspatriarchismus‘ nennen, nämlich zu begreifen, daß dieses Grundgesetz die eigene Sache ist, zum Vorteil des eigenen freiheitlichen Lebens dient.
DLF: Unabhängig vom Wohnort eint viele Bundesbürger das Gefühl, die Politik entscheide über ihre Köpfe hinweg. Viel ist jetzt von einer ‚Bürgergesellschaft‘ die Rede. Können denn plebiszitäre Elemente in der Verfassung – könnte etwa die Direktwahl des Bundespräsidenten – daran etwas ändern?
Thierse: Ach ich weiß nicht, warum man immer mit der Direktwahl des Bundespräsidenten anfängt. Die Väter und Mütter unserer Verfassung haben ja in der Erinnerung an die Weimarer Republik und ihr Scheitern das Staatsoberhaupt ausdrücklich aus der Konkurrenz der Verfassungsorgane herausgehoben; sie haben daraus ein Amt gemacht, das tagespolitisch keine Macht hat. Ich finde, das ist auch ganz gut so. Also, wenn man über plebiszitäre Elemente redet – also über mehr Möglichkeiten direkter Bürgerbeteiligung –, dann müßte man reden, ob es nicht gelingt, tatsächlich Volksbefragung, Volksentscheide, Volksinitiativen, in unser Grundgesetz einzuführen. Nun, leider ist das nicht gelungen. Wir hatten eine Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat – ich war deren Mitglied –, und zu meinen größten Enttäuschungen gehört, daß genau dieses, was meine Leidenschaft war aus der Erfahrung des Aufbruchs 1989/90 – mehr Möglichkeiten direkter Bürgerbeteiligung in unsere Verfassung einzubringen –, das ist gescheitert an einer Mehrheit, die dagegen war und meinte, die repräsentative Demokratie, die Parteiendemokratie, würde so gut funktionieren, das bräuchte man nicht. Ich bin schon dafür, daß wir mehr Möglichkeiten direkter Bürgerbeteiligung einführen – als Ergänzung zum System der repräsentativen Demokratie, denn man soll sich auch keinen Illusionen hingeben: Auch Volksentscheide führen immer zu Enttäuschungen. Eine Minderheit wird sich immer - im wahrsten Sinne des Wortes - ‚überfahren‘ fühlen.
DLF: Herr Thierse, geteilt ist Deutschland bei der Beurteilung des Kosovo-Krieges. Während eine Mehrheit der Westdeutschen noch die Luftangriffe befürwortet, werden sie in Ostdeutschland mehrheitlich abgelehnt. Spielen da alte Ressentiments gegen die NATO, gegen die USA, eine Rolle? Thierse: Ich will das nicht ausschließen. Naheliegenderweise ist den Ostdeutschen die NATO fremder, und die USA sind den Ostdeutschen auch fremder, und sie waren ja über 40 Jahre hin ideologisch politische Feindbilder. Das mag nachwirken. Aber das scheint mir nicht die einzige und vielleicht noch nicht einmal die eigentliche Ursache zu sein. Im Osten gibt’s vielmehr so etwas – wie ich es nenne – eine geradezu dramatische, emotionale Friedenssehnsucht. Und sie hat wohl damit zu tun, daß wir Ostdeutschen die Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges viel länger erfahren haben. Die Wirkungen des Krieges sind in unseren Geschichten, in unserer Lebensentwicklung, viel mehr präsent gewesen als bei den Westdeutschen, die glücklicherweise die Wirkungen des Krieges schneller haben überwinden können. Und dann kommt auch hinzu, daß wir tatsächlich ein anderes Verhältnis zur Sowjetunion, also zu Rußland entwickelt haben. Das war nicht nur eine Besatzungsmacht mit manchen Aversionen, die das erzeugt hat, sondern die Ostdeutschen haben – glaube ich – ein ganz selbstverständliches Verständnis dafür, daß Rußland Teil unseres Schicksals und Teil unserer Zukunft ist, und daß es keine friedlichen Lösungen in Europa gibt – auch in Jugoslawien nicht –, wenn man Rußland außen vor läßt. Also, die Erinnerung, die viel lebendigere Erinnerung an den Krieg uns seine Folgen und seine Wirkungen führt dazu, daß es ein ganz emotionaleres Verhältnis zu diesem Thema gibt, als ich es im Westen bemerke.
DLF: Herr Thierse, die Grünen haben einen Bruch wegen dieses Krieges mit Mühe vermeiden können. Auch in der SPD wächst aber das Unbehagen, wenngleich es sich nicht ganz so lautstark artikuliert. Wie lange hält die Partei zusammen, wenn eine politische Lösung weiter auf sich warten lassen sollte und die Frage von Bodentruppen akut wird?
Thierse: Also, soweit ich sehe, sind SPD und Grüne sich ja darin einig, daß wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, diesen Krieg zu beenden, zu politischen Lösungen zu kommen; und die Bundesregierung, Bundeskanzler Schröder, Außenminister Fischer, unternehmen ja nun wirklich große Anstrengungen, innerhalb des Bündnisses, innerhalb der NATO zu solchen politischen Lösungen zu kommen. Bundeskanzler Schröder hat den Generalsekretär der Vereinten Nationen eingeladen und hat Rußland in diesen Prozeß einbezogen. Soweit diese Anstrengungen weitergehen – und sie sind mühselig, wie wir sehen, ich bin selber auch ungeduldig, warum das nun nicht endlich den Erfolg zeitigt –, solange diese Anstrengungen sichtbar sind, wird Rot-Grün beieinander bleiben. Dessen bin ich sicher, zumal wir uns einig sind im Ziel. Das Ziel muß bleiben: Die Vertriebenen und die Flüchtlinge müssen zurückkehren, und wir brauchen verläßlichen Schutz für sie, und der muß auch militärischer Schutz sein – und natürlich das weitergehende Ziel: Eine europäische Perspektive für die Balkanländer. Darin sind wir uns einig, daran arbeitet diese Koalition. Und deswegen – denke ich – wird sie auch zusammenbleiben können.
DLF: Wenn die Grünen nun auf ihrer Forderung nach einer sofortigen Feuerpause beharren sollten: Könnte daran die Koalition zerbrechen?
Thierse: Also, das ist ja gar nicht so strittig, also jedenfalls weniger strittig, als es auf den ersten Eindruck erscheint. Die Bundesregierung tut doch alles, daß wir millimeterweise, zentimeterweise auf das Ende der Bombardements hinkommen können und den Friedensprozeß wirklich einleiten. Wir können nur nicht akzeptieren, daß durch irgendeine politische Handlung Milosevic so wie ein Sieger erscheint, denn das wäre unser aller Niederlage. Das wäre eine Niederlage der Menschenrechtspolitik, und die wäre sehr folgenreich.
DLF: Der Krieg im Kosovo hat vorübergehend die innenpolitischen Schwierigkeiten der Bundesregierung in den Hintergrund gerückt. Jetzt sorgen die rigorosen Sparforderungen des Bundesfinanzministers für Streit. Er verlangt, daß alle Ressorts 7,4 Prozent einsparen. Beim Bundesarbeitsministerium wären das alleine rund 13 Milliarden DM. Auch Forschung und Bildung sollten nach der ursprünglichen Konzeption nicht verschont werden. Hat denn diese sogenannte ‚Rasenmähermethode‘ überhaupt eine Chance auf Erfolg?
Thierse: Zunächst einmal ist es ja unbestreitbar, daß die neue Regierungskoalition mit einem schweren Erbe einer gigantischen Staatsverschuldung fertig werden muß - einem Erbe, das sie von der vorherigen Regierung übernommen hat. Wenn jede vierte Mark des Staatshaushaltes für Zins und Tilgung ausgegeben werden muß wegen der Staatsverschuldung, dann ist das eine Politik, die sich an der Zukunft und an der nachwachsenden Generation versündigt. Und deswegen ist es sinnvoll und notwendig, zu sparen, also alles zu überprüfen, was der Staat ausgibt. Das ist hoffentlich unbestreitbar. Nur – wenn es ins einzelne geht, dann erleben wir, daß alle Interessengruppen, alle Ressourcen natürlich dafür kämpfen, daß in ihrem Bereich weniger gespart werden muß. Das ist zunächst einmal ein relativ normaler Krach, nicht nur innerhalb der Regierung, sondern in der Öffentlichkeit. Jede Ankündigung, da Subventionen zu streichen, da weniger Geld auszugeben, führt zu sofortigem heftigen Getöse in dieser Gesellschaft, und nicht nur in der politischen Sphäre. Da müssen wir durch. Da muß diese Regierung gute Nerven besitzen und sie muß zugleich im Sparen – das meine ich nun wirklich sehr ernst – auch politische Akzente setzen, also Zukunftsakzente. Für Forschung und Bildung werden wir hoffentlich viel weniger sparen. Wir haben ja angekündigt, daß wir da die Mittel, die Investitionsausgaben erhöhen wollen. Und ich hoffe, daß wir daran festhalten können. Aber das Sparziel, das Konsolidierungsziel, das bleibt gültig.
DLF: Für neuen Aufruhr sorgt jetzt die Debatte um eine mögliche Mineralölsteuer-erhöhung, da ist von bis zu 40 Pfennig ab 2001 die Rede – eine Schocktherapie, die ja auch Erinnerungen an das Debakel der Grünen mit ihrer Forderung nach 5 DM pro Liter Benzin weckt, und die erneut für ein verheerendes Bild dieser Koalition in der Öffentlichkeit sorgt. Beunruhigt Sie das nicht?
Thierse: Wissen Sie, ich kann mir nicht helfen: Ich habe versucht nachzuvollziehen, wer von der Regierung und wer von den Koalitionsfraktionen eine solche Forderung erhoben hat. Es gibt niemanden. Gelegentlich erzeugen Journalisten ein Bild, das sie dann in schrecklichen Farben malen können. Daß man darüber debattiert, wie wir durch Einsparungen, durch Abbau von Subventionen den Haushalt konsolidieren, wie wir zugleich aber die unausweichlich notwendigen Ausgaben des Staates für Soziales, für Gesundheit, für Verteidigung, für Forschung und Bildung finanzieren können – also, in welchen vernünftigen Relationen Geldausgeben und -einsparen stehen –, daß man darüber debattiert, das halte ich für sinnvoll. Nur, man kann in diesem Lande nicht mehr debattieren, Ideen diskutieren, ohne daß sofort ein Riesengeschrei inszeniert wird. Sie können nachfragen, wer von der Regierungskoalition die Forderung nach radikalen Steuererhöhungen erhoben hat: Es gibt keinen – aber es steht trotzdem in der Zeitung.
DLF: Ja, aber der Fraktionsvorsitzende Peter Struck hat . . .
Thierse: . . . nein, darf ich Sie unterbrechen? Er hat nur die Erwägung angestellt, ob die bereits in der Koalitionsvereinbarung angekündigten Schritte zur ökologischen Steuerreform – also einer maßvollen höheren Besteuerung des Energieverbrau-ches –, ob diese Schritte, die wir vereinbart haben, ob der zweite und dritte Schritt in eins gelegt werden können. Nur diese Debatte – da war überhaupt nicht von Pfennigen keine Rede. Aber die kann man natürlich sofort erfinden und dann ein großes inszeniertes Geschrei erheben. Und darunter leidet die Regierung. Das ist schon ein Problem, ich sehe das. Aber gelegentlich finde ich, daß normale Gesetzesarbeit, normale politische Diskussionen über das Pro und Contra von Vorschlägen – das etwas besser, das etwas schlechter – gar nicht mehr möglich ist, sondern daraus immer Katastrophenmeldungen werden. Und auf diese Weise – denke ich – leiden auch demokratische Entscheidungsprozesse in diesem Lande.
DLF: Also bestreiten Sie, daß diese 40 Pfennig gefallen sind?
Thierse: Also, ich habe den Fraktionsvorsitzenden der SPD gefragt, ob er einen solchen Vorschlag gemacht hat. Er hat nur die Erwägung angestellt, ob wir die zwei Stufen der ökologischen Steuerreform, ob wir die um ein Jahr verschieben und dann in einem Schritt erledigen oder nicht. Und da ist von 40 Pfennig nicht die Rede gewesen.
DLF: Aber an diesem Erscheinungsbild der Koalition ist doch nicht nur die Presse Schuld?
Thierse: Nein, selbstverständlich nicht. Daß diese Regierungskoalition im ersten halben Jahr ihrer Tätigkeit irrsinnig viele Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen versucht hat , wirklich schwierige Reformaufgaben: Wenn man denkt - der Mißbrauch der 630-Mark-Jobs, der Mißbrauch von selbständig – scheinselbständigen Verhältnissen. Den abzubauen, ist eine sehr schwierige Arbeit. Und daß da Interessenkollisionen eintreten, die man aushalten muß, und daß man da einen möglichst klaren Kurs fahren muß, das will ich ausdrücklich zugestehen. Aber daß wir nichts tun gegen Mißbrauch, der zu Lasten der Allgemeinheit geht, das hatten wir nicht angekündigt, sondern wir hatten angekündigt vor der Wahl, daß wir da für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen wollen – im Interesse übrigens auch der gerechteren Verteilung von Arbeitsplätzen und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Dazu gehört übrigens auch Entlastung der Wirtschaft. Wir wollen eine Steuerreform, die zur Entlastung der Wirtschaft und zur Entlastung von Arbeitsplätzen, von Kosten, führt. Das werden wir erreichen. Finanzminister Eichel hat das Konzept dieser Steuerreform für diesen Sommer angekündigt. Da wird man dann heftig darüber debattieren können, und da wird es noch viel Streit geben. Aber ich hoffe, daß wir dieses Konzept dann auch umsetzen können – nach Debatte.
DLF: Glauben Sie also an eine große Steuerreform?
Thierse: Ich bin sicher. Wir brauchen sie um der Arbeitsplätze willen, um der Schaffung von Arbeitsplätzen willen. Und diese Regierungskoalition will diese große Steuerreform. Daß das sehr mühselig wird - angesichts der Interessengegensätze - und daß ganz viele aufschreien werden, das weiß ich auch.
DLF: Der Sozialstaat ist der Stolz der Deutschen, aber in seiner jetzigen Form – das wissen eigentlich alle – nicht zu bezahlen. Die SPD müßte dazu auch der eigenen Klientel etwas zumuten, aber nach jedem Aufschrei – so war jedenfalls bisher der Eindruck – knickt sie ein. Woher diese Mutlosigkeit?
Thierse: Also, ich bin schon dafür, daß man energisch an eine Reform des Sozialstaates geht – nicht, um ihn abzuschaffen, nicht, um den Staat aus seiner Verantwortung zu entlassen, sondern um ihm eine Zukunft zu ermöglichen, ihn bezahlbar zu machen, seine Leistungen auf die zu konzentrieren, die tatsächlich bedürftig sind, die auch dieses soziale Netz brauchen. Da wünsche ich mir schon weniger Ängstlichkeit, auch weniger Nachgiebigkeit – auch gegen die verschiedenen Lobbyverbände, die dann jeweils ihre – was ja legitim ist – Interessen vertreten. Also, da wünsche ich mir schon mehr Klarheit. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben mit dem Thema 630-Mark-Beschäftigung, Scheinselbständigkeit, sind zunächst nicht ermunternd, aber ich hoffe, daß wir das - nur mit leichten Blessuren - überstehen.
DLF: Fehlt es Schröder an der nötigen Kraft und Durchsetzungsfähigkeit?
Thierse: Ach, unser Regierungssystem insgesamt ist ja nicht so eingerichtet, daß der Regierungschef mit der Faust auf den Tisch schlägt, und dann ist es geregelt. Wir sind ein Staatswesen und ein Gemeinwesen, in dem die unterschiedlichen Interessenverbände, die verschiedenen sozialen Gruppierungen, immer auch das Wort ergreifen, und wo es darum geht, Interessen und Vorschläge auszutarieren und dann einen Weg zu finden. Dieser schwierige Prozeß ist nicht abzukürzen durch ein Machtwort des Kanzlers.
DLF: Vor ein paar Tagen, Herr Thierse, hat sich Oskar Lafontaine in Bonn wieder zu Wort gemeldet. In seinem selbstverordneten Ruhestand – so scheint es – wird er immer unruhiger, und er scheint zumindest die Parteiführung auch zu beunruhigen. Welche Rolle soll er noch spielen?
Thierse: Also, ich habe keinen Anlaß, Oskar Lafontaine einen Rat zu erteilen. Und für ihn gilt auch – wie für jeden anderen Bürger dieses Landes –, daß er das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. Und ich habe Phantasie genug, mir vorzustellen, daß ein so politischer Mensch wie Oskar Lafontaine es nicht ganz leicht hat, jetzt plötzlich schweigen zu müssen, plötzlich nur noch ein Privatmann zu sein. Ich fände auch ganz sinnvoll, daß er seine Meinung äußert und sich in einer von ihm zu entscheidenden Weise am politischen Leben fürderhin beteiligen kann. Er wird nicht mehr die Rolle spielen, die er vorher hatte. Aus der hat er sich ja freiwillig zurückgezogen. Aber daß er damit ein Nobody, ein politischer Nobody sein muß, das finde ich auch nicht einsichtig.
DLF: Könnte er – wie in Mannheim seinerzeit – sozusagen als ‚Phönix aus der Asche‘ noch mal einen großen Auftritt mit einer Rückkehr inszenieren?
Thierse: Ich glaube nicht, daß er das will und daß er das kann. Man kann nicht große Vorgänge wiederholen. Das, was beim ersten Mal gelingt und eine große dramatische Situation ist, das ist vielleicht beim zweiten Mal nur noch eine Komödie.
DLF: Herr Thierse, nun noch zum Schluß zu einem Thema, das Ihnen am Herzen liegt: Der Bau eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin. In Kürze wird sich der Bundestag damit beschäftigen; die Lage ist allerdings im Augenblick jedenfalls noch unübersichtlich. Glauben Sie, daß nach über 10-jähriger Diskussion eine Entscheidung kommt?
Thierse: Ja, ich hoffe das sehr, und ich wünsche mir das sehr. Der Deutsche Bundestag will noch vor der Sommerpause die Entscheidung fällen. Nach 10 Jahren Debatte ist es an der Zeit, daß wir das tun, denn es gibt kein qualitativ neues Argument. Jedes weiter Verschieben kann nur peinlich sein und der Sache schaden, die wir im Interesse unseres Selbstbewußtseins brauchen. Wir brauchen einen Ort des Gedenkens mitten in der Hauptstadt Berlin. Das sind wir unserer Geschichte, unseren Nachbarn und an die Erinnerung an die ermordeten Juden schuldig.