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Thinktank-Projekt
Der Klub der Klimaschützer

Der Finanzexperte Guntram Wolff macht sich für die Gründung eines "Klima-Klubs" stark. Die Idee: Die Mitglieder einigen sich darauf, harte Klimaschutzmaßnahmen wie höhere CO2-Preise umzusetzen. Im Gegenzug sollen Länder und Unternehmen außerhalb des Klubs mit einem CO2-Grenzzoll belegt werden.

Guntram Wolff im Gespräch mit Birgid Becker | 14.12.2020
Ein Schild mit der der Aufschrift "Kein Geld für Klimakiller - Finanzwandel statt Klimawandel".
Mit dem Klima-Klub erschafft man einen Anreiz für andere Länder, letztendlich auch das Thema Klimaschutz ernst zu nehmen, sagt Guntram Wolff (imago / Müller-Stauffenberg)
In Sachen Klimaschutz tut sich derzeit einiges. Erst die Einigung der EU auf ein neues Klimaziel für 2030, dann ein virtueller UN-Gipfel zum Klimaschutz am 12. Dezember 2020. Doch das reiche nicht aus, sagt Guntram Wolff, Direktor des Brüsseler Thinktanks Bruegel. Klimaschutz müsse über Europa hinausreichen.
Birgid Becker: Ein "Klima-Klub" – was könnte der bewirken?
Guntram Wolff: Der erste Punkt, den man sagen muss, ist, dass es natürlich nicht reicht, wenn Europa den Klimaschutz nur alleine vorantreibt. Das bringt nicht so wahnsinnig viel, weil Europa ja wirklich weniger als zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen emittiert. Insofern muss man, wenn man über Klimaschutz nachdenkt, wirklich über internationale Kooperation nachdenken und darüber nachdenken, wie man andere Länder überzeugt, mitzumachen und tatsächlich selber Klimaschutz ernst zu nehmen. Dafür sollte man einen sogenannten Klima-Klub gründen. Ein Klima-Klub besteht daraus, dass man im Prinzip unter den Mitgliedern des Klima-Klubs sich darauf einigt, harte Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen wie zum Beispiel höhere CO2-Preise, und gleichzeitig aber Ländern außerhalb und Unternehmen außerhalb dieses Klubs, die mit einem Handel treiben wollen, durchaus die rote Karte zeigt beziehungsweise durch ein sogenanntes Carbon Border Adjustment, also eine Art Grenzzoll, CO2-Grenzzoll dafür sorgt, dass der Effekt der höheren CO2-Bepreisung im Inland nicht nur im Inland wirkt, sondern auch auf ausländische Firmen und ausländische Länder sich auswirkt.
Guntram Wolff: Direktor der Denkfabrik Bruegel.
Guntram Wolff: Direktor der Denkfabrik Bruegel. (picture alliance / Bruegel / dpa)
Der Vorschlag ist jetzt, wirklich eine ernsthafte Diskussion mit den Vereinigten Staaten von Amerika anzufangen. Der zukünftige US-Präsident Joe Biden hat selber klar auf die Wichtigkeit der CO2-Grenzzölle hingewiesen und genauso hat das auch die europäische Kommissionspräsidentin. Insofern scheint da tatsächlich eine Möglichkeit zu sein, einen politischen Kompromiss zu finden, so eine Art Klima-Klub zu gründen, und indem man das macht, erschafft man einen Anreiz für andere Länder, letztendlich auch das Thema Klimaschutz ernst zu nehmen.
Becker: Das Instrument, das diesen Klub nun zusammenhalten soll – Sie haben das Stichwort eben erwähnt -, das könnte eine CO2-Grenzausgleichssteuer sein. Erklären Sie: Wie funktioniert die?
Wolff: Ja. Die Grundidee ist, dass man versucht, auszugleichen, dass man im Inland eine CO2-Steuer hat, im Ausland aber nicht. Und wenn man diesen Ausgleich nicht durchführt, dann hat man tatsächlich das Problem, dass der inländische Produzent, sagen wir mal, wenn er einen Spielzeugball produziert, eine teure CO2-Steuer darauf zahlt, der chinesische Produzent tut das aber nicht und auf einmal ist der chinesische Ball billiger als der deutsche oder europäische Ball, so dass der Konsum im Prinzip von den einheimischen Produzenten abwandert zu den ausländischen Produzenten. Genau das möchte die CO2-Grenzausgleichstarifsteueer korrigieren, indem man letztendlich an der Grenze dafür sorgt, dass der implizite CO2-Inhalt in diesem Ball an der Grenze besteuert wird, so dass die Wettbewerbsfähigkeit und der Preisvergleich da ist.
EON Steinkohlekraftwerk Scholven, Gelsenkirchen, Windkraftwerke, Ruhrgebiet 
Die EU ringt um ihre Klimaschutzziele
Die EU-Kommission will Europa bis 2050 zum treibhausgasneutralen Kontinent machen. Ein ambitioniertes Ziel, das nur erreicht werden kann, wenn der Treibhausgasausstoß schärfer abgesenkt wird, als bislang geplant. Die Bundesregierung soll den Kompromiss ermöglichen – die Zeit drängt.
CO2-Preise noch zu niedrig
Becker: Voraussetzung dafür ist aber, dass die Länder in diesem Klima-Klub sich verständigen auf einen gemeinsamen, eher hohen CO2-Preis.
Wolff: Ja, das ist richtig. Sowohl in Europa wie auch in den USA ist man natürlich auch noch nicht wirklich da. Wir haben in einigen Bereichen Anfänge gemacht, CO2-Preise zu erhöhen, durch das sogenannte Emission Trading System, den Emissions-Zertifikathandel. Aber richtig ist, die Preise sind derzeit noch zu niedrig, und die Ziele, die der europäische Gipfel ja letzte Woche definiert hat und auf die sich der europäische Gipfel geeinigt hat, nämlich 55 Prozent Reduktion von CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 bis 2030, diese Ziele wird man nicht erreichen können, wenn man nicht tatsächlich anfängt, den CO2-Preis signifikant nach oben zu fahren.
"Grenzausgleich ist ein Weg, um das Trittbrettfahrer-Verhalten zu reduzieren"
Becker: Generell hat ja der Klimaschutz ein Trittbrettfahrer-Problem. Bei allen Klimaschutzmaßnahmen ist es ja so, dass die Kosten solcher Maßnahmen auf nationaler Ebene anfallen, aber die Vorteile global sind. Das würde sich auch lösen lassen mit Hilfe einer CO2-Grenzausgleichssteuer?
Wolff: Ja, das ist genau die Idee des Klima-Klubs. Genau die Idee des Klima-Klubs ist es, nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit auf gleichem Niveau zu halten, sondern insbesondere auch den Anreiz zu schaffen, das Trittbrettfahrer-Verhalten zu reduzieren. Meine Hoffnung ist, dass China auch aus anderen Gründen, geopolitischen Gründen von Anfang an mit Europa und mit den USA zusammenarbeiten möchte, weil es tatsächlich teuer werden kann, wenn man dabei nicht mitmacht und man außen vorgelassen wird. Insofern ja, dieser Grenzausgleich ist ein Weg, um das Trittbrettfahrer-Verhalten zu reduzieren und damit den Klimawandel effektiver zu bekämpfen.
"Es ist eigentlich der Versuch, inländische Unternehmen und ausländische Unternehmen gleichzustellen"
Becker: Nun handelt es sich ja bei einer solchen Steuer, die auch schon mal Klimazoll genannt wird, um ein Einfuhrhindernis. Eigentlich war die Erwartung ja, dass in der Nach-Trump-Ära die Handelshindernisse nicht erhöht werden, sondern im Gegenteil sinken.
Wolff: Ja! Es ist eigentlich welthandelsorganisationskompatibel, WTO-kompatibel, und es ist, wenn man genau darüber nachdenkt, ja letztendlich auch keine wirkliche Hürde, sondern es ist eigentlich der Versuch, inländische Unternehmen und ausländische Unternehmen gleichzustellen. Denn ohne diesen Grenzausgleichszoll sind ausländische Unternehmen bessergestellt als inländische Unternehmen. Insofern ist es kein Handelshindernis in dem Sinne, sondern wirklich ein Versuch, eher ein Level Playing Field, gleiche Bedingungen herzustellen.
"Eine sehr gute Strategie, die man weiterverfolgen sollte"
Becker: Der neue US-Präsident heißt nun nach aller Voraussicht Joe Biden. Wie sich der zu China positioniert, ist im Moment noch schwer zu sagen. Zu Europa – das weiß man ja auch noch nicht so genau. Sie nehmen aber trotzdem an, dass die Zeit jetzt günstig ist, um die Idee eines solchen Klima-Klubs voranzubringen?
Wolff: Ja, ich denke, es ist günstig aus verschiedenen Gründen. Der wichtigste Grund ist tatsächlich, dass der US-präsident, der zukünftige US-präsident tatsächlich selber das Thema sehr stark vorangetrieben hat, dass er auch zuhause unter Druck steht. Er ist tatsächlich auch gewählt worden mit starken Klimaversprechen und wurde auch unterstützt von gerade Jugendorganisationen in Staaten, die tatsächlich auch Swing States waren. Insofern ist da schon auch enormer politischer Druck in den USA da, endlich das Klimathema wieder auf Präsidentenebene ernst zu nehmen. Genauso gibt es diese Diskussionen ja auch in Europa und natürlich ist es ein enorm weiter Weg, zu einer Einigung zu kommen. Aber mir scheint das eine sehr, sehr gute transatlantische Idee, dass man da wirklich vorankommt und damit dann Druck auf China ausübt. Das wäre ein positiver Druck für letztendlich ein globales Gut, das allen nützt, und es wäre auch eine Agenda, die weniger konfrontativ wäre als vielleicht andere Handelsagenden, wo man vielleicht überlegt, dass man mit den USA im Technologiebereich gegenüber China voranschreitet. Das ist ja alles dann sehr schnell geopolitisch und sehr konfrontativ. Hier geht es tatsächlich um ein sinnvolles globales Ziel, nämlich Klimaschutz, und ist insofern, glaube ich, auch als geopolitisches Instrument oder geopolitische Strategie eine sehr gute Strategie, die man weiterverfolgen sollte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.