Donnerstag, 18. April 2024

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Thon: "Der FC Bayern ist absolut führend"

Es sei richtig, dass der FC Bayern auf junge Talente wie Mario Götze setze, auch wenn man über den Zeitpunkt der Verpflichtung diskutieren könne, meint Ex-Fußball-Nationalspieler Olaf Thon. FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß verdiene eine zweite Chance.

Olaf Thon im Gespräch mit Dirk Müller | 24.04.2013
    Dirk Müller: "Du Verräter", "Du Söldner" – das sind noch harmlose Beschimpfungen, die hundertfach, tausendfach seit gestern im Netz kursieren. Gemeint ist Mario Götze, 20 Jahre jung, Vorzeigetalent der Dortmunder Nationalspieler. Er wechselt ausgerechnet zum FC Bayern, zum FC Hoeneß, zum verhassten Megakonkurrenten aus München, der in dieser Saison seine Dominanz so klar zum Ausdruck gebracht hat wie lange nicht mehr. Auch gestern: 4:0 gegen Barcelona, trotz eines Präsidenten, der nur auf Kaution frei ist. Kostenpunkt des spektakulären Transfers wohl 37 Millionen Euro, der teuerste Wechsel innerhalb der Bundesliga aller Zeiten. Die BVB-Anhänger tief enttäuscht, tief erschüttert, Dortmund die einzige Mannschaft, die den Bayern noch halbwegs Paroli bieten konnten. Und jetzt?

    Darüber sprechen wollen wir mit Fußballweltmeister von 1990, Olaf Thon, selbst viele Jahre Spieler bei Bayern München. Guten Morgen!

    Olaf Thon: Guten Morgen!

    Müller: Herr Thon, haben wir jetzt wenigstens im Fußball Sozialismus?

    Thon: Das ist gut gesagt. Aber man sieht, wie schnell und explosionsartig die Ablösesummen nach oben geschossen sind. Ich habe damals 1988 vier Millionen D-Mark gekostet, und solche Transfers waren damals unvorstellbar. Aber man muss mit der Zeit gehen und der FC Bayern ist absolut führend.

    Müller: Ist das wichtig für den Fußball, dass Bayern noch stärker wird?

    Thon: Man sieht ja: International haben wir so stark aufgeholt, dass wir im Moment Europa beherrschen, und gestern das Spiel, das 4:0 hat gezeigt, dass auch eine Wachablösung an der Spitze erfolgt ist. Messi steht hinten an und konnte seine Form nicht halten und der FC Barcelona lebt von diesem einen Typen, und deswegen glaube ich auch, dass der FC Bayern richtig handelt, auf solche Talente zu setzen, die noch den Frühling und den Sommer vor sich haben.

    Müller: Aber haben die Bayern im Moment nicht genügend gute Spieler?

    Thon: Sie haben genügend, aber nicht so einen Mann. Es macht keinen Sinn, Lewandowski zu verpflichten, wenn man einen Mandzukic hat, und ein Müller, ein Robben und Ribéry sind andere Typen als ein Mario Götze, der durch seine filigrane Art, Fußball zu spielen, auf engstem Raum sich freispielen kann, Tore machen kann, vorbereiten kann, und der Typ hat gefehlt, war der Wunschspieler vom neuen Trainer des FC Bayern Pep Guardiola, und von daher kann man auf der einen Seite sagen, Gratulation FC Bayern, aber auf der anderen Seite steht natürlich ein großes Aber, indem man sagt, dieser Zeitpunkt der Verpflichtung und Identifikationspersönlichkeiten, wie Mario Götze es war, ist das wirklich korrekt, dass man so handelt, und dann, wo das Geld ruft, dass man da immer hinspringt. Da hatten wir früher noch schönere Zeiten.

    Müller: Das wollte ich Sie gerade fragen. Also ist es doch nicht so richtig richtig?

    Thon: Sicherlich moralisch auf keinen Fall, aber wir wissen seit ungefähr fünf, zehn Jahren, dass das mit der Moral nicht mehr so hoch hängt, und wir sehen ja die ganzen Entwicklungen, auch bei Uli Hoeneß, was sich alles tut. Da bin ich doch überrascht und auf der anderen Seite wiederum nicht, weil man muss mit der Zeit gehen.

    Müller: Wir reden ja hier im Deutschlandfunk über ein Thema, das nicht allen so voll in diesen Details geläufig ist. Wenn wir noch einmal auf die grundsätzliche Fragestellung zurückkommen: Ist die Bundesliga nach innen im Grunde noch konkurrenzfähig? Oder ganz einfach gefragt: Ist die Bundesliga dann im nächsten Jahr, im kommenden Jahr, in der kommenden Saison noch spannend genug, um sie zu verfolgen?

    Thon: Im Verhältnis zu den anderen Nationen war die Bundesliga immer spannend. Vor allen Dingen jetzt durch die Wachablösung der letzten beiden Jahre von Borussia Dortmund war sie sehr, sehr spannend, wobei Borussia Dortmund auch locker durchging, und das war schon überraschend, und dass der FC Bayern nach zwei erfolglosen Jahren mal wieder zur Aufholjagd bläst, war auch klar. Aber dass sie so dominant sind, hätte ich auch nicht gedacht. Ich hoffe, dass das ein Ausrutscher bleibt, aber wir haben Tendenzen, die in die Richtung gehen, dass wir ähnliche Verhältnisse haben wie in Spanien auch, wo zwei Mannschaften die Liga dominieren, und wir haben an der Spitze ein Team, was mit 20 Punkten Meister wird, ein Team hinten wie Fürth, die mit 20 oder 15 Punkten Abstand absteigen, und das ist eine Entwicklung, die wir eigentlich nicht brauchten, aber es war auch da nur eine Frage der Zeit, bis das kommt. Was interessant ist, ist natürlich die Kämpfe dann um den dritten, vierten Platz Champions League, um den Abstiegsplatz, um die Europa-League-Plätze. Also die Bundesliga boomt, weil sie noch spannend ist, aber wenn wir weiterhin solche Jahre haben, wird das nicht weiter der Fall sein, und das kann man befürchten. Gerade Uli Hoeneß hat ja in dieser Hinsicht den Zeigefinger gehoben, dass wir spanische Verhältnisse bekommen.

    Müller: Also das könnte auch ein wirtschaftliches Problem werden, wenn ich Sie richtig verstehe?

    Thon: Könnte werden, aber die Bundesliga boomt seit 10, 15 Jahren und das wird sie sicherlich noch weiter tun. Die Fernsehgelder werden steigen, auch durch die Attraktivität von Mannschaften wie Bayern München und Borussia Dortmund, und ich hoffe, dass gerade auch meine Schalker wieder in die Spur kommen und so einen Überraschungs-Cup in den nächsten Jahren zeigen können, an den Tag legen können, um mal so zu überraschen wie Borussia Dortmund in den letzten Jahren.

    Müller: Wenn wir Sie, Olaf Thon, schon am Telefon haben – wir wollten ja ein bisschen über die bayerische Dominanz reden, die möglichen Konsequenzen, das haben wir gerade getan, für die Fußball-Bundesliga in den kommenden Jahren. Wir müssen auch noch mal über Uli Hoeneß reden. Ist der noch zu halten in dieser Position?

    Thon: Ja, schwer zu sagen. Ich glaube, man kann erst dann ein endgültiges Urteil fällen, wenn wir alle Interna kennen, wenn wir wissen, muss er ins Gefängnis oder nicht. Ich persönlich hatte so schöne Jahre beim FC Bayern mit Uli Hoeneß, sechs Jahre, und ich habe ihn als sehr netten Menschen kennen gelernt, dem ich das so in dieser Form nie zugetraut hätte. Er muss sich halt erklären, wie es dazu gekommen ist, und dann sind die Verantwortlichen gefragt zu entscheiden, kann er weiter dieses Amt ausführen. Ich persönlich würde sagen, ja.

    Müller: Hören wir mal Karl-Heinz Rummenigge.

    O-Ton Karl-Heinz Rummenigge: "Ich kann Ihnen eins sagen: Der gesamte Club steht loyal hinter Uli Hoeneß und ich bin ein lang-, langjähriger Freund von Uli Hoeneß. Ich bin sehr glücklich darüber, dass dieser Club auch in einer solchen Phase so eine Stabilität hat und zu seinem Präsidenten so stabil steht und hinter ihm steht, und das ist auch etwas, was unseren Club, glaube ich, im positiven Sinne auszeichnet."

    Müller: Das war Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. – Sie, Olaf Thon, sagen, dem kann ich folgen, der verdient eine zweite Chance, der Präsident?

    Thon: Auf jeden Fall, und ich kann mir vorstellen, dass 99,9 Prozent der ehemaligen Spieler und Weggefährten von Uli Hoeneß genau das gleiche denken, mit der leichten Einschränkung, dass wir erst mal wissen müssen, was ist denn jetzt überhaupt wirklich wahr, und da müssen wir halt noch ein paar Monate uns gedulden.

    Müller: Das heißt, wenn die Strafe kommt, dürfen wir ihm nicht verzeihen?

    Thon: Ich verzeihe ihm auf jeden Fall, weil ich glaube, er ist so anständig, dass er nichts Weltbewegendes getan hat, weil es stehen ja auch andere Dinge im Raum, mit dem Werbepartner Adidas oder mit anderen Sachen, da auch noch die Gelder beschafft zu haben. Aber das glaube ich nicht. Ich denke, dass es eine Steuerhinterziehung ist, und hoffe, dass er nicht ins Gefängnis muss.

    Müller: Weltbewegend ist das für Sie nicht, wenn das so 10, 20, 30 Millionen sind? Wir wissen es nicht genau.

    Thon: Es ist keine einfache Sache, keine Bagatelle, aber es gibt Schlimmeres.

    Müller: Olaf Thon bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Fußballweltmeister von 1990, viele Jahre unter Vertrag bei Bayern München. Danke für das Gespräch.

    Thon: Auf Wiedersehen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.