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Thronwechsel in Spanien
"Felipe muss Korruptionsära beenden"

Von Spaniens neuem König Felipe VI. werde eine Regeneration des Landes erwartet, sagte die spanische Journalistin Aurora Minguez im DLF. Felipe müsse ein starkes Signal setzen, dass die "Ära der Korruption" in Spanien vorbei sei, so die Redakteurin von Radio Nacional de España.

Aurora Minguez im Gespräch mit Silvia Engels | 19.06.2014
    Teller mit den Konterfreis von Felipe und Letizia stehen in einem Souvenirladen in Madrid.
    Die Souvenirläden sind schon voll ausgestattet mit Fan-Artikeln des neuen Monarchenpaares. (dpa picture alliance/ Hugo Ortuno)
    In Spanien sehe man eine wachsende Ungleichheit. Sech Millionen Menschen seien arbeitslos. Viele Spanier seien verärgert über die politische und wirtschaftliche Elite, die sehr nahe am spanischen Königshaus war, sagte Minguez weiter. Felipe müsse sich daher den normalen Menschen nähern, sie wiedergewinnen und in dieser "explosiven Situation" die Einheit des Landes symbolisieren.
    Starkes Signal gegen Korruption nötig
    Dem Thronfolger ist bewusst, dass die Bürger Spaniens "die Nase voll haben von Korruption" wie beispielsweise Ungleichheit vor Gerichten und dass Privilegierte immer frei kommen."Er muss ein starkes Signal senden, dass die Korruptionsära vorbei ist", unterstrich Minguez.
    Felipe ist das Symbol eines möglich neuen Anfangs
    Felipe sei ein vernünftiger Mann. "Er ist der best vorbereitete Prinz von Spanien." Dennoch habe er eine schwierige Aufgabe, die neue Generation im Lande zu gewinnen, die sehr republikanisch eingestellt ist". Auf die Frage, ob die Proteste gegen die spanische Monarchie und der Ruf nach deren Abschaffung Erfolg hätten, sagte Minguez: "Wenn heute gefragt werden würde, würden die meiste sich eine Monarchie wünschen." Die Probleme des Landes ließen sich mit einer Republik nicht besser lösen. Wichtig sei eine neue politische Elite, sagte Minguez weiter. Zudem sei wichtig, dass der Thronfolger auch ein politisches Signal an die Separatisten im Baskenland und in Katalonien sende.

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: Spanien erlebt heute einen doppelten Umbruch! Die Ära des Welt- und doppelten Europameisters im Fußball scheint nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus der WM Geschichte zu sein und nach fast 40 Jahren auf dem Thron hat König Juan Carlos abgedankt. Sein ältester Sohn hat seit Mitternacht als Felipe VI. die Führung der Erbmonarchie übernommen, sie ist Teil des parlamentarischen Regierungssystems. Der neue König steht vor schweren Aufgaben. Wirtschaftskrise, Regionalinteressen, Kritik am Königshaus, das sind nur drei Stichworte. Vor der Sendung – und vor der spanischen Niederlage – haben wir in Berlin Aurora Minguez erreicht. Sie ist außenpolitische Redakteurin beim spanischen öffentlich-rechtlichen Sender Radio Nacional de Espana. Wie empfindet sie den Thronwechsel?
    Aurora Minguez: Das ist ein historischer Tag, das ist klar, und das ist auch wichtiger Moment für die Spanier, die brauchen jetzt dringend eine moralische Referenz. Das Land ist in einer großen Krise, wir haben ein sehr hohes Niveau von Politikverdrossenheit, wir haben kein Vertrauen mehr in die Institutionen. Man sieht wachsende Ungleichheit, permanente Angst von vielen Bürgern, den Job zu verlieren, in einem Land, wo sechs Millionen Personen schon arbeitslos sind. Es ist klar, dass der neue König viele Aufgaben hat, schwere Aufgaben natürlich. Und er sollte eigentlich in unser Land Regeneration bringen. Und das ist, was man eigentlich von Felipe VI. erwartet.
    Engels: Hat er denn als Persönlichkeit von dem, wie die Spanier ihn wahrgenommen haben, das Zeug dazu, hier in dieser schweren Wirtschaftskrise mögliche Integrationsfigur zu werden?
    Minguez: Das wissen wir nicht. Wir wissen, dass er ein sehr vernünftiger Mann ist. Ähnlich ist er der Mutter, nicht dem Vater. Wir wissen auch, dass er der bestvorbereitete Prinz und König von Spanien ist. Er hat studiert, er hatte auch die Möglichkeit, sich richtig zu bilden, viele interessante Leute zu treffen. Aber natürlich ist das Erbe von Juan Carlos sehr schwer und er ist ein Anfänger. Man sagt in Spanien, das ist ein Witz, dass es wirklich ein Wunder ist, dass ein Mann, 46 alt, ohne Erfahrung, einen Job bekommen hat! Und dieser Job ist wirklich sehr schwierig. Man muss sagen, dass sein Vater Juan Carlos vor 39 Jahren auch eine schwere Aufgabe hatte, das Land war auch in einer schwierigen Lage. Aber Felipe muss jetzt unsere Demokratie retten, auch reformieren, aktualisieren, Antworten geben an die Menschen, die diese Erneuerung brauchen, diese Neuorientierung. Er muss die Spanier auch wieder gewinnen und besonders die neuen Generationen, die republikanisch sind. Diese neuen Generationen, die Generationen des neuen Königs muss Felipe auch verzaubern und erobern. Und das ist natürlich sehr schwierig, das ist eine schwierige Aufgabe. Und natürlich hat er auch viele Hoffnungen geweckt. Die Lage ist sehr instabil und die meisten Menschen in Spanien sind auch verärgert über das, was man die Casta nennt, also diese politische, wirtschaftliche Elite, die sehr nah am Königshaus bis jetzt war. Felipe muss sich auch den normalen Menschen nähern. Und ich glaube, diese Aufgabe hat natürlich eine große Hilfe, das ist seine Ehefrau Letizia.
    Wir brauchen eine neue politische Elite
    Engels: Sie haben es angesprochen, es gab in den letzten Wochen und Monaten immer wieder Demonstrationen auch von republikanischen Gruppen, die lautstark ein Ende der Monarchie verlangen. Wie groß ist denn diese Gruppe, gemessen an der Gesamtbevölkerung?
    Minguez: Ich glaube, das ist immer noch eine ganz, ganz kleine Gruppe, eine Minderheit. Wenn heute zum Beispiel eine Volksbefragung stattfinden würde und die Leute würden gefragt, was möchten Sie, eine Monarchie oder eine Republik, ich glaube, die meisten Menschen würden sagen: eine Monarchie. Die Probleme des Landes werden eigentlich nicht besser gelöst werden mit einer Republik. Wir brauchen eine neue politische Elite, neue und bessere Politiker. Und Felipe ist, wie gesagt, das Symbol von dieser möglichen oder nötigen Regeneration, dieser neuen Periode, die eventuell für Spanien einen neuen Anfang bedeuten könnte.
    Engels: Frau Minguez, Sie haben es eben schon mal angedeutet, Sie erwarten auch Reformen für das ganze Land durch die Person von Felipe. Da spielt ja möglicherweise auch eine Reform des politischen Systems eine Rolle, in Spanien sind ja seit Jahren die Autonomiebestrebungen einiger Regionen groß, das Baskenland, Katalonien. Wie kann Felipe damit umgehen, wie sollte er damit umgehen?
    Minguez: Er regiert natürlich nicht, er moderiert. Er sollte eigentlich einen neuen Konsens finden, denn die Katalanen dringen gerade und sehr stark auf ein Referendum. Am 9. November - dieses Datum ist so wichtig für Deutschland -, am 9. November sollten sie über ihre Unabhängigkeit wählen und der neue König sollte eigentlich jetzt irgendwie den Katalanen zeigen, dass dieses Referendum im Moment nicht möglich ist. Man sollte eine neue Verfassung auch irgendwie organisieren, die alte Verfassung ist schon sehr alt, braucht auch eine Erneuerung. Und das ist das Problem, dass im Moment Spanien in einer Art explosiven Situation ist. Und Felipe sollte immer noch die Einheit Spaniens symbolisieren. Und das ist ein Spagat, der im Moment schwierig scheint. Deswegen, der Diskurs, der heute an alle Spanier gesprochen wird, ist sehr, sehr wichtig. Er muss schon Signale an alle Spanier senden und auch an diese Separatisten, die in einer sehr komplizierten Situation sind, weil sie von der Regierung Spaniens überhaupt kein Verständnis bekommen haben.
    Die Spanier haben die Nase voll von den Korruptionsaffären
    Engels: Viel wird auch davon abhängen, ob es Felipe gelingt, die Unruhe rund um die Affären des Königshauses auch in den Griff zu bekommen, gar nicht mal so sehr die persönlichen Affären seines Vaters, sondern auch die Finanzaffären rund ums Königshaus. Kann ihm das als erster Schritt gelingen?
    Minguez: Sagen wir, er hat schon ein Signal gesendet, er hat sich distanziert von seiner Schwester Cristina. Cristina wird wahrscheinlich nächste Woche schon formell angeklagt wegen der nicht so sauberen Geschäfte ihres Ehemannes. Felipe wird auch keinen Hof haben und natürlich keine Spur von Korruption in seiner Nähe tolerieren. Und ich glaube, ihm ist absolut bewusst, dass die Bürger in Spanien wirklich die Nase voll haben von so vielen Korruptionsfällen und von diesem Gefühl, dass die Menschen nicht gleich sind vor Gericht. Es gibt diejenigen, die privilegiert sind, die immer frei bleiben, und die kleinen Menschen, die eigentlich im Gefängnis sitzen. Er muss ein starkes Signal heute senden, dass diese Korruptionsära vorbei ist.
    Engels: Hat die Monarchie in Spanien mittelfristig eine Zukunft?
    Minguez: Ich weiß es nicht. Ich glaube nur, dass Felipe eine goldene Gelegenheit hat, für die Monarchie zu kämpfen. Ich glaube, er wird versuchen, alles gut zu machen. Ich glaube, er ist ein intelligenter Mann, ihm ist total bewusst, dass diese Herausforderungen enorm sind. Und ich hoffe auch für das Beste der ganzen Bevölkerung, dass er Spanien in die gute Richtung führen wird.
    Engels: Aurora Minguez, sie ist außenpolitische Redakteurin beim spanischen öffentlich-rechtlichen Sender Radio Nacional de Espana. Am frühen Abend haben wir gestern mit ihr über den Thronwechsel in Spanien gesprochen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.