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Thüringen
Gera bekommt keinen AfD-Oberbürgermeister

Im thüringischen Gera mussten die Kandidaten um den Oberbürgermeister-Posten in die Stichwahl. Einer davon: das AfD-Mitglied Dieter Laudenbach. Es wäre das erste Mal gewesen, dass die Partei einen Oberbürgermeister in einer kreisfreien Stadt stellt. Laudenbach verlor aber klar gegen den parteilosen Julian Vonarb.

Von Henry Bernhard | 30.04.2018
    Thüringen, Gera: Dieter Laudenbach (AfD) gratuliert Julian Vonarb (parteilos) im Rathaus zur Wahl zum Oberbürgermeister von Gera
    Dieter Laudenbach (AfD) gratuliert Julian Vonarb (parteilos) im Rathaus zur Wahl zum Oberbürgermeister von Gera (picture alliance / dpa / Bodo Schackow)
    Ein Sonntag Nachmittag im Zentrum von Gera kann sehr einsam sein. Auch am Wahltag, auch vor einem Wahllokal. Eine Familie will sich nicht zur Wahl äußern. Ein älterer Mann winkt ab. Ein Wahlhelfer meint, dass die Beteiligung an der Stichwahl noch geringer sei als zwei Wochen zuvor, als noch sechs Bewerber zur Wahl standen. Nun in der Stichwahl heißt die Entscheidung: Julian Vonarb, ein smarter Banker und Unternahmensberater, gegen den AfD-Kandidaten Dieter Laudenbach. Nur wenige Menschen sind draußen bei strahlendem Sonnenschein in der verwaist wirkenden Innenstadt unterwegs, um darüber zu entscheiden, was bundesweit erhebliche Wellen schlagen könnte.
    Mann: "Wir haben uns für Herrn Vonarb entschieden, weil der Herr Laudenbach für uns keine Option ist bzw. eine Alternative, weil wir schon Interviews gehört haben, wo er planlos war, wo er gedacht hat: So richtig ein Konzept für die Stadt Gera hat er nicht gezeigt."
    Reporter: "Waren sie denn schon wählen heute?"
    Frau: "Nein, und ich gehe auch nicht. Weil ich das Bedürfnis nicht habe, weil ich das nicht mache."
    Gera hängt am Tropf der Landesregierung
    Gera hat nach 1989 ein Drittel seiner Einwohner verloren, seine Industrie, seine jungen Leute und im gewissen Sinne damit auch seinen Stolz. Vor ein paar Jahren rutschten die Stadtwerke und die Verkehrsbetriebe in die Insolvenz. Gera hängt am Tropf der Landesregierung. Dass die ehemalige Haupteinkaufsstraße "Sorge" heißt und dort die meisten Läden leer stehen, steht symptomatisch für den Zustand der Stadt.
    Junger Mann: "Ich habe grundsätzlich nicht allzu viel gegen die AfD. Aber ich sehe einen unparteiischen Bürgermeister als besser an. Ich denke, der hat mehr Möglichkeiten für Gera."
    Der AfD-Kandidat Dieter Laudenbach sitzt derweil noch vor der Kneipe "Graf Zeppelin", die er seit fast 30 Jahren betreibt. Ein freundlicher, rundlicher Mann. Nein, mit Journalisten wolle er heute nicht mehr reden, nicht, bevor das Wahlergebnis feststeht. Im Wahlkampf klang Laudenbach so:
    "Gera! Der Leuchtturm in Thüringen! Wild – und doch modern! Sexy, sauber und charmant!"
    Noch vor ein paar Wochen war Vonarb CDU-Mitglied
    Auch sein eloquenter Gegenkandidat, Julian Vonarb, will am Wahltag nicht vor dem Ergebnis in die Öffentlichkeit. Noch vor ein paar Wochen war er CDU-Mitglied. Da die CDU die bisherige Amtsinhaberin unterstützte, war er ausgetreten, um ausdrücklich parteilos anzutreten. Dies straft der CDU-Kreisverband damit, dass er Vonarb auch dann nicht unterstützt, als seine Kandidatin aus dem Rennen war und es nur noch gegen die AfD geht. Für den Thüringer CDU-Vorsitzenden Mike Mohring ein Ärgernis sondergleichen.
    "Wir respektieren als CDU-Landesverband schon immer die Entscheidungen der Kreisverbände vor Ort. Aber ich glaube schon, dass man sehen muss, dass über diese lokal nachvollziehbare Entscheidung eben auch ein bundesweites Signal ausgeht. Und das macht sich eben daran fest, dass die Gefahr droht, dass erstmals ein AfD-Oberbürgermeister gestellt wird. Und dann muss man die Lage auch noch bundespolitisch einordnen."
    Die Linken unterstützen in der Stichwahl Julian Vonarb – gegen die AfD, ebenso wie die SPD und die Grünen.
    Dieter Laudenbach: "20 sind ausgezählt."
    Ein Sitzungssaal im Rathaus, eine halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale. Dieter Laudenbach blickt unentwegt auf die Wand, an die die immer präziseren Ergebnisse der Auszählung projiziert wurden.
    Dieter Laudenbach: "35-65. Das ist eine Tendenz, die ist erkennbar. Eindeutig! Jaja, alles klar!"
    Die Zahlen ändern sich kaum noch: Am Ende hat Laudenbach, der AfD-Mann, 30 Prozent, also fast ein Drittel, der Stimmen geholt.
    Am Ende umarmen sich beide Kontrahenten
    Dieter Laudenbach: "Ich muss mich vielmals bedanken bei den Wählern, die uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Und wir wünschen dem Herrn Vonarb, der jetzt offensichtlich als Sieger aus dem Rennen geht, viel Glück. Und wir werden, wenn wir kommendes Jahr in den Stadtrat - so hoffe ich sehr – einziehen werden, den Herrn Vonarb unterstützen bei der Umsetzung der Vorhaben."
    Laudenbach hat verloren, aber für den Geraer AfD-Bundestagsabgeordneten Stefan Brandner ist es dennoch ein Sieg.
    "Das ist ein ziemliches Ergebnis für die AfD über die Phalanx aller Altparteien! Also, gegen die ‚nationale Front‘, wenn sie so wollen! Die ist gegen uns angetreten – wir holen ein Drittel der Stimmen, das ist grandios!"
    Der Sieger des Abends, Julian Vonarb, vermeidet es denn auch trotz Nachfragen, auf den Fakt einzugehen, dass er gegen einen AfD-Kandidaten gewonnen hat.
    "Ich freue mich, dass die Bürgerinnen und Bürger ein klares Signal gesendet haben, dass sie die Stimme für einen unabhängigen, parteiübergreifenden Kandidaten abgegeben haben. Und ich glaube, das will ich sein: ein Oberbürgermeister für alle Bürger dieser Stadt."
    Am Ende treten die beiden Kontrahenten aufeinander zu und umarmen sich.
    Dieter Laudenbach: "Ich wünsche Dir ein glückliches Händchen!"
    Julian Vonarb: "Danke."
    Dieter Laudenbach: "Viel, viel Kraft für eine Wahnsinnsaufgabe!"
    Julian Vonarb: "Danke."
    Dieter Laudenbach: "Und alles Gute!"
    Julian Vonarb: "Danke!"