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Thüringer AfD
Gauland und Höcke sieben Abweichler aus

Die AfD ist unter Druck: Es droht die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Entsprechend neu tönt es aus der Partei. "Rechten Schweinkram" will etwa AfD-Chef Alexander Gauland nicht dulden. Rechtsaußen Björn Höcke wiederum geht auf Distanz zur NPD - und wird so parteiinterne Kritiker los.

Von Henry Bernhard | 18.10.2018
    13.10.2018, Thüringen, Arnstadt: Alexander Gauland (r), AfD Bundessprecher, gratuliert AfD-Landessprecher Björn Höcke beim Landesparteitag der AfD Thüringen nach dessen erfolgreichen Wahl zum Spitzenkandidaten für die Thüringer Landtagswahl 2019. Der Wahlgang dauerte ungewöhnlich lange. Foto: Arifoto Ug/Michael Reichel/dpa | Verwendung weltweit
    Bundesvorsitzender Alexander Gauland (r.) und Landeschef Björn Höcke beim Landesparteitag der AfD in Thüringen (picture alliance / dpa / Arifoto Ug / Michael Reichel)
    Alexander Gauland: "Wer Nazi-Schweinkram teilt, hat in der Partei nichts verloren! Ich sage das auch als Alexander Gauland." Der AfD-Bundessprecher auf dem Landesparteitag der Thüringer AfD.
    In der Tat hat die AfD-Spitze allen Grund, sich vom äußersten rechten Rand ihrer Partei zu distanzieren: Die Verfassungsschutzämter der meisten Bundesländer haben Dossiers zur AfD verfasst, und darin findet sich viel Unappetitliches: rassistische Kommentare, Mord- und Umsturzphantasien, Holocaust-Leugnung, Drohungen gegen Journalisten für die Zeit, "wenn es mal anders kommt".
    Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz aber will die AfD unbedingt verhindern. Denn die könnte Mitglieder und Wählerstimmen kosten. Auch Björn Höcke, der Vorsitzende des Thüringer Landesverbands, hat Kreide gefressen: "Wir sind demokratieverliebte Bürger."
    Fast 20 Minuten arbeitet sich Höcke an den wenigen ab, die ihm in der Thüringer AfD noch widersprechen. Um sie noch kleiner erscheinen zu lassen, nennt er nicht mal ihre Namen. "Ich weiß nicht, in wessen Sold Herr K steht!" Oder so:
    "Da ist eine Dame, die ist nicht auf der Bundestagsliste gelandet. Und nicht nur ich vermute, dass sie deswegen motiviert war, ein einzigartiges Zerstörungswerk in Gang zu setzen."
    Der neue Sound des Björn Höcke
    Die "Dame", Steffi Brönner, einst Höckes Stellvertreterin, hatte im vergangenen Jahr kritisiert, dass ein anderes Thüringer AfD-Mitglied sein Grundstück für ein Nazi-Rockfestival zur Verfügung gestellt hat, dass die Fraktion Rechtsextreme beschäftigt. Inzwischen läuft ein Parteiausschlussverfahren gegen Brönner. Die "Alternative Mitte", die Versammlung der liberaleren Mitglieder der AfD, nennt Höcke beim Parteitag nur "die bunte Kleinsttruppe mit den zwei Buchstaben".
    "Meine Geduld, unsere Geduld ist am Ende! Und ich rufe dieser Gruppe abschließend zu: Ordnet euch ein, werdet konstruktiv! Oder haut endlich ab!"
    Ein Vertreter der Alternativen Mitte, Jens Sprenger, tritt darauf ans Mikrophon: "Ich denke, das braucht natürlich ein Widerwort! Ich beantrage, dazu eine Gegenrede halten zu dürfen."
    Sein Ansinnen wird mit massiver Mehrheit abgelehnt. Björn Höcke wird ohne Gegenkandidat mit 80 Prozent der abgegebenen Stimmen auf Listenplatz 1 gewählt. Und fährt nun fort mit seinem Angriff. Jetzt aber persönlich:
    "Lieber Ron, ich bitte dich, auf eine Kandidatur zur Landesliste zu verzichten! Ich tue das im Interesse des Landesverbandes! –, ein NPD-Post, selbst, wenn er zwei Jahre alt ist, geht in diesem Landesverband nicht! Wir haben mit der NPD nichts zu tun, aber auch rein gar nichts!"
    Der Angegriffene stapft wütend aus dem Saal
    Das sagt der Björn Höcke, der zulässt, dass in Erfurt NPD-Kader auf AfD-Demonstrationen mitmarschieren, der in Chemnitz mit Rechtsextremen auf die Straße geht, dem selbst seine Parteifreunde zutrauen, dass er unter Pseudonym für NPD-Postillen geschrieben hat. der Björn Höcke, der die bundesdeutsche Elite im Falle einer Machtübernahme "entsorgen" will, der von einem 'groß angelegten Remigrationsprojekt' träumt, auch wenn das "menschliche Härten und unschöne Szenen" mit sich bringen würde.
    Der Angegriffene, Ronny Poppner, ein untersetzter Mann mit kurzen Haaren, ist erregt aufgesprungen und tritt ans Saalmikrofon: "Aber ein Gerhard Siebold, der die Parteikasse bestohlen hat, der darf bleiben!? Danke!"
    Poppner stapft wütend aus dem Saal, etwa 20 seiner Freunde folgen ihm. Draußen vor der Tür steht Poppner mit bebender Brust. Das sei das erste Interview, das er in seinem Leben gebe. Auf seiner Visitenkarte steht "pro patria". Er, der Heimatverbundene, sei ein Parteisoldat, der den scharf rechten "Flügel" mit aufgebaut habe, der viel eigenes Geld in die Partei gesteckt habe, der Höcke gegenüber immer loyal gewesen, aber persönlich eher ein Fan von Alice Weidel sei. Die Sache mit dem NPD-Post sei zwei Jahre her.
    "Das stimmt! Ich habe einen Post geliked, der war nicht als NPD-Post im ersten Moment zu erkennen. Also, der Inhalt war: Wenn ein Asylbewerber in und um Asylbewerberheime Straftaten begeht, so gehört er in das nächste Flugzeug gesetzt und mit lebenslanger Einreisesperre belegt. Das war der Post. Und mit einmal tauchte auf: "NPD – die soziale Heimatpartei". Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich es nicht gepostet, auch wenn der Spruch nicht schlecht ist."
    Ein Hin und Her der Vorwürfe
    Poppner hält einen Packen Papier in der Hand. Darunter Kontoauszüge aus dem Jahr 2014. Er macht dem Büroleiter und engen Vertrauten von Björn Höcke, Gerhard Siebold, massive Vorwürfe:
    "Der hat bei uns in die Kasse gegriffen, ich habe hier die Kontoauszüge. Herr Siebold fährt das Auto eines Großindustriellen umsonst, ist also bestechlich. Dagegen gehe ich vor. Und das ist mein Vergehen."
    Der Angegriffene, Gerhard Siebold, lehnt jeden Kommentar ab und kündigt "juristische Schritte" gegen Poppner an. Poppner wiederum geht nach dem Interview wieder in den Saal und tritt drei Mal an, um einen Listenplatz bei der Landtagswahl zu ergattern. Denn bei der Gelegenheit kann er öffentlich reden. Zum Beispiel darüber, dass der Björn Höcke, der ihn nun in die rechtsextreme Ecke rückt, selbst bei einer Nazi-Demo gefilmt wurde und in NPD-Postillen geschrieben habe.
    Er selbst sei: "ein Bauernopfer, weil ich seit zweieinhalb Jahren kriminelle Machenschaften anprangere. Das kann ich alles beweisen. Und deswegen stehe ich hier. Und dann stehe ich hier und werde genötigt zu Rücktritt, zu dies, das und jenem. Das war das Finale einer seit Wochen anhaltenden Schmutzkampagne gegen mich."
    Beide Abweichler kommen nicht auf die Landesliste
    Ronny Poppner schafft es in drei Anläufen nicht, auf die Wahlliste zu kommen. Einzig Jens Sprenger von der Alternativen Mitte springt Poppner bei:
    "Es wurde hier gerade einer der Kritiker öffentlich hingerichtet. Das charakterisiert die Situation, die wir in diesem Landesverband haben."
    Auch Sprenger wird nicht gewählt. Die Alternative Mitte der AfD erklärt Björn Höcke nach dem Parteitag in einer Pressemitteilung für "größenwahnsinnig" und fordert, ihn endlich aus der Partei zu werfen: Er sei es, der die AfD für viele Bürger unwählbar mache.