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Thyssenkrupp
Fusion mit Tata Steel gescheitert

Die geplante Fusion der Stahlsparte von Thyssenkrupp mit Tata Steel ist gescheitert. Einer der Gründe könnte in den Bedenken der EU-Kommission liegen. Diese fürchtete eine Behinderung des Wettbewerbs durch die Fusion der beiden Konzerne. An der Börse stiegen prompt die Kurse für Thyssenkrupp.

Von Klemens Kindermann | 10.05.2019
Ein Stahlarbeiter prüft am Hochofen 8 bei ThyssenKrupp in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) die Stahlqualität nach dem Abstich. Im Hintergrund sind Glut und Flammen zu sehen.
Die Aktie von Thyssen Krupp schoss nach den ersten Meldungen der geplanten Absage zur Fusion zeitweise zehn Prozent in die Höhe (dpa / Roland Weihrauch)
Kommt das Scheitern der geplanten Aufspaltung von Thyssenkrupp überraschend?
Zum jetzigen Zeitpunkt kommt das überraschend. Am kommenden Dienstag wollte Thyssenkrupp neue Geschäftszahlen vorlegen. Da hätte sich Vorstandschef Guido Kerkhoff dazu äußern müssen, wie weit man mit den Plänen für eine Aufspaltung von Thyssenkrupp ist; vor allem aber auch, ob es denn zur Fusion der Stahlsparte von Thyssenkrupp mit der indischen Tata-Gruppe kommt.
Man wusste, dass es in dieser Woche ein weiteres Gespräch von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mit Thyssenkrupp geben sollte. Die EU-Kommission hatte Bedenken gegen die Stahlfusion. In der Mitteilung heißt es nun, dass "nach dem heutigen Gespräch mit der Wettbewerbskommission Thyssenkrupp und Tata Steel davon ausgehen, dass das geplante Joint Venture ihrer europäischen Stahlaktivitäten aufgrund der weiter fortbestehenden Bedenken der Kommission nicht zustande kommen wird".
Warum ist die Stahlfusion für Thyssenkrupp so wichtig?
Die Stahlbranche in Europa steht unter einem unheimlichen Druck. Da sind erstens die – im Gegensatz zu Produktionsorten auf anderen Kontinenten – hohen Kosten für Klimaschutz und Energie. Da sind zweitens die zusätzlichen Zölle, die US-Präsident Donald Trump seit März 2018 auf Importe von Stahl in die USA erhebt: 25 Prozent. Dabei spielt weniger eine Rolle, dass sich unsere Ausfuhren in die USA verteuern, sondern dass der weltweit produzierte Stahl jetzt auf die Barriere USA trifft und sich andere Wege sucht.
Insbesondere Stahl aus China und der Türkei überschwemmt den Markt in Europa und macht es für die Stahlkonzerne hier schwerer, noch angemessene Preise zu bekommen. Und drittens: Die Automobilindustrie schwächelt, die Autobauer brauchen nicht mehr so viel Stahl – und die sind Hauptkunden.
Das alles führt dazu, dass sich die Stahlkonzerne in Europa zusammenschließen oder auch übernommen werden, zuletzt die italienischen Ilva mit dem größten Stahlwerk Europas, übernommen von Arcelor Mittal. Und jetzt eben der – gescheiterte - Versuch, die Stahlsparte von Thyssenkrupp mit Tata Steel Europa zusammenzulegen. Es wäre der zweitgrößte Stahlkonzern in Europa – nach Arcelor Mittal – entstanden mit rund 48.000 Beschäftigten.
Was könnten die Gründe für das Scheitern sein?
Für die Stahlfusion könnten das die Bedenken der EU-Kommission sein, dass der Wettbewerb behindert wird und die Preise durch einen Zusammenschluss hochgetrieben werden. Die Übernahme von Ilva wurde auch nur unter sehr hohen Auflagen genehmigt. Außerdem gab es auch ein großes Misstrauen der Beschäftigten gegen die Fusion. Seit Beginn der Gespräche zwischen Thyssenkrupp und Tata in 2016 gingen immer wieder tausende Stahlkocher auf die Straße.
Den Ausschlag jetzt könnte die neue Aufsichtsratschefin Martina Merz gegeben haben, eine sehr erfahrene Managerin, früher bei Bosch. Sie gilt als Liebling der Finanzinvestoren und sie hat ganz offenbar die Frage gestellt: Was bringt der ganze Konzernumbau in Zahlen? Vorstandschef Kerkhoff wollte nicht nur die Stahlsparte fusionieren, sondern den Mischkonzern Thyssenkrupp auch in die Bereiche Industriegüter und Werkstoffe aufspalten. Die Kosten dafür sollen sich auf bis zu eine Milliarde Euro in der Schätzung aufsummiert haben. Dabei ist der Konzern wegen des schwachen Aktienkurses nur noch wenige Milliarden wert. Und da könnte man sich vorstellen, dass Martina Merz gesagt hat: Das ist zu teuer.
Gibt es schon Reaktionen auf das Aus für den Umbau des Konzerns?
Es gibt bereits ziemlich deutliche Reaktionen von der Börse: Die Aktie von Thyssenkrupp schoss nach den ersten Meldungen zeitweise zehn Prozent in die Höhe und war mit Abstand größter Gewinner im deutschen Leitindex Dax. Vorgestern hatte sie noch den tiefsten Stand seit 15 Jahren markiert. Das zeigt klar, dass der geplante Umbau vielen nicht eingeleuchtet hat. Unter dem Strich muss man sagen: Der noch nicht mal ein Jahr amtierende Vorstandschef Guido Kerkhoff – Nachfolger von Heinrich Hiesinger – ist mit dem Umbau ebenso wie sein Vorgänger gescheitert. Auch an seine Zukunft wird man ein Fragezeichen machen müssen.