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Tiermast
Teilerfolg gegen Antibiotika

Um den Einsatz von Antibiotika in Tierställen zu reduzieren, hatte die Bundesregierung vor fünf Jahren das Arzneimittel-Gesetz reformiert. Bei Mastschweinen und Ferkeln hat das Wirkung gezeigt. Sogenannte Reserveantibiotika bleiben aber ein großes Problem.

Von Christian Baars und Oda Lambrecht | 29.05.2019
    Auf dem Boden eines Kuhstalls liegen Spritzen, die unter anderem mit Antibiotika gefüllt sind
    Spritzen mit Antibiotika im Kuhstall: Während der Einsatz bei Mastschweinen und Ferkeln innerhalb von drei Jahren deutlich zurückgegangen ist, gilt dies nicht bei Mastkälbern und Geflügel. (KEYSTONE)
    Hunderte Tonnen Antibiotika bekommen Tiere in deutschen Ställen jedes Jahr. Die Menge ist zwar insgesamt in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Aber es gibt in einigen Bereichen noch Probleme. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Es hat überprüft, ob ein neues Gesetz, das vor fünf Jahren in Kraft getreten ist, den gewünschten Erfolg gezeigt hat. Das Ergebnis: Das selbst gesteckte Ziel wurde bei einigen Tierarten verfehlt.
    Ministerium will weitere Untersuchungen
    Zwar ist bei Mastschweinen und Ferkeln der Antibiotika-Einsatz innerhalb von drei Jahren deutlich zurückgegangen – um mehr als 40 Prozent. Dagegen werde bei Mastkälbern nach wie vor viele der Medikamente eingesetzt. Und auch bei Betrieben, die Geflügel halten, hat sich kaum etwas verbessert. Die Verbrauchsmengen blieben hier "nahezu unverändert", stellt der Bericht fest. Zitat:
    "Die beobachtete Entwicklung der Therapiehäufigkeit bei den Masthühner und Mastputen haltenden Betrieben erfüllte somit nicht die an das Antibiotikaminimierungskonzept gestellte Erwartung. Die Gründe hierfür lassen sich aus den vorliegenden Daten nicht ermitteln und bedürfen weiterer Untersuchung."
    Besonders problematisch ist, dass nach wie vor knapp die Hälfte der beim Geflügel eingesetzten Menge an Antibiotika zu sogenannten kritischen Wirkstoffen gehört. Dies sind Mittel, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als besonders wichtig für die Behandlung von Menschen eingestuft sind. Sie werden auch als Reserve-Antibiotika bezeichnet. Und je häufiger solche Medikamente eingesetzt werden, desto mehr Bakterien entstehen, bei denen die Antibiotika nicht mehr wirken. Und aus den Tierställen können solche Bakterien zu Menschen gelangen und zu schwer behandelbaren Infektionen führen.
    Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen kritisiert deshalb Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU):
    "Frau Klöckner muss die Reserveantibiotika, die vermehrt wieder eingesetzt werden, endlich raus aus der Mast, die gehören verboten. Die dürfen nicht in der Tiermast eingesetzt werden, weil sie ja eine Bedrohung für die Humanmedizin für uns Menschen sind, wenn wir im Krankheitsfall diese Stoffe benötigen."
    "Weitere Minimierung" der Antibiotika-Einsätze
    Eines dieser Reserve-Mittel ist Colistin. Ärzte kritisieren den Einsatz dieses Medikaments bei Tieren grundsätzlich, da es immer häufiger – als letzte verbleibende Reserve – lebensbedrohlich erkrankten Menschen gegeben wird. Es wird jedoch in der Hühner- und Putenmast weiterhin sehr oft verwendet. Auffällig ist zudem, dass die Halter seit Inkrafttreten des Gesetzes zwar weniger Colistin-Einsätze gemeldet haben, die insgesamt verabreichte Menge der Medikamente jedoch nicht gesunken ist. Deshalb geht das Ministerium davon aus, dass das Mittel neuerdings deutlich höher dosiert wird – sogar "erheblich höher" als in den Zulassungsbedingungen vorgesehen.
    Ob dies allerdings gegen die Grundsätze des sorgfältigen Antibiotikaeinsatzes bei Tieren verstoße, könne nicht beurteilt werden, heißt es in dem Bericht.
    Das Landwirtschaftsministerium hat außerdem untersucht, ob die Größe der Betriebe einen Einfluss hat. Das Ergebnis ist hier eindeutig: Tiere in großen Betrieben werden häufiger mit Antibiotika behandelt als in kleinen und mittleren – egal bei welcher Tierart.
    Auf Anfrage von NDR und SZ teilte das Ministerium nun mit, dass es aus den Ergebnissen des Berichts gegebenenfalls gesetzgeberische Schlussfolgerungen ziehen werde. Generell arbeite es an einer "weiteren Minimierung" der Antibiotika-Einsätze. Insbesondere die Anwendung sogenannter Reserveantibiotika müsse restriktiver werden.