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Timm Koch
"Das Supermolekül. Mit Wasserstoff die Zukunft erobern"

In manchen Städten sind sie inzwischen im Einsatz: Linienbusse, die mit Brennstoffzellen angetrieben werden, also mit Wasserstoff als Energielieferant. Die Technologie ist alles andere als neu, hat sich aber bislang nicht durchgesetzt. Dem ist Buchautor Timm Koch nachgegangen.

Timm Koch im Gespräch mit Catrin Stövesand |
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Der Autor Timm Koch setzt das Supermolekül Wasserstoff auf Wiedervorlage, um die Energieprobleme der Zukunft anzugehen. (imago)
Catrin Stövesand: Wasserstoff als Energieträger: Beim Auto bedeutet das, dass aus dem Auspuff nur Wasserdampf kommt und es keine langen Ladezeiten wie bei batteriebetriebenen Fahrzeugen gibt. Autofahrern wurde in den Nuller-Jahren noch von einigen Herstellern großmütig angekündigt, dass die Brennstoffzelle bis dann und dann marktfähig gemacht werde, sie dann also einen Wagen mit ausgereiftem Antrieb zu einem akzeptablen Preis kaufen könnten. Passiert ist seitdem nicht viel, und darüber wundert beziehungsweise ärgert sich so mancher. Auch Timm Koch tut das, er ist Buchautor und hat gerade den Titel "Das Supermolekül" veröffentlicht.
Herr Koch, Sie sind Autor, aber kein Energieexperte, Sie sind auch kein Chemiker. Warum fühlten Sie sich berufen, ein Buch über das Potenzial von Wasserstoff zu schreiben?
Timm Koch: Wie wahrscheinlich jeder von uns hatte ich in der fünften Klasse das Glück, die Elektrolyse nebst Knallgasreaktion bewundert zu dürfen, und frage mich seit vielen Jahren, warum wir diese Form der chemischen Speicherung von Energie nicht konsequent betreiben. Die bekannten Probleme, die wir jetzt aktuell sehen, wir haben 40 Grad, das Klima ändert sich dramatisch. Wir sehen die toten Bäume überall, das sind vertrocknete Exemplare, die dann noch weniger CO2 speichern können, und wir stehen wahrscheinlich genau an einem Wendepunkt, wo eine Kettenreaktion stattfinden kann. Jetzt ist die Frage, ob wir jetzt mit Wasserstofftechnologie das Ruder noch rumreißen können, aber ich bin der Meinung, wir sollten es versuchen. Mit Batterietechnologie werden wir das nicht schaffen.
Stövesand: Ich hatte es auch schon eingangs gesagt, die Ladezeiten sind ein Problem, die seltenen Erden, die man braucht, sind ein Problem. Das heißt, wir gehen wieder an Ressourcen, die endlich sind. Es gibt Entsorgungsprobleme. Beim Wasserstoff wird oft kommuniziert, das Problem sei die Gewinnung, also den zu spalten, beispielsweise H2O zu spalten, das erfordert natürlich auch Energie. Bei Ihren Recherchen, auf welche Möglichkeiten sind Sie gestoßen, Wasserstoff zu gewinnen mit möglichst wenig oder grünem Energieaufwand, also ohne wiederum CO2 zu produzieren?
Koch: Bei Wasserstoff muss man ganz deutlich differenzieren in grauen und grünen Wasserstoff. Grauer Wasserstoff wird per Reformation aus Erdöl, Erdgas oder sogar Kohle abgeknapst. Das sind nämlich alles Kohlenwasserstoffe. Grüner Wasserstoff wird per Elektrolyse durch Ökostrom gewonnen, und wir haben eine Jahresproduktion von rund 55 Milliarden Kubikmetern Wasserstoff im Jahr, und der Anteil des grünen Wasserstoffs ist gering. Grauer Wasserstoff ist natürlich auch schädlich für das Klima. Wie wir da an diesen 55 Milliarden Kubikmetern sehen können, die produziert werden, ist die Technik ja händelbar. Grundsätzlich muss man bei Wasserstoff sagen, er ist ein ernsthafter Konkurrent für, sagen wir mal, Kohle, Benzin und Gas, weil er ist eine chemisch gespeicherte Energie, die transportfähig ist und lagerfähig, sozusagen unbegrenzt.
Kraftwerke mit Wasserstoff betreiben
Stövesand: Wie weit ist denn nach Ihren Recherchen – ich habe ja gestaunt, wo das überall schon im Einsatz ist, Raumfahrt, schreiben Sie, Boeing hat sich da engagiert, auch Airbus hat sich engagiert –, also was wäre alles möglich anzutreiben mit Brennstoffzellen?
Koch: Also mit Brennstoffzellen kann man Autos antreiben, man kann Kraftwerke damit bedienen, und Wasserstoff kann bei Drohnen zum Einsatz kommen, also dieses angedachte Projekt von BMW und diesem amerikanischen Startup des Flugtaxis. Das wird mit einer Brennstoffzelle angetrieben, und Wasserstoffbatterietechnik wäre hier viel zu schwer.
Der blaue Coradia iLint fährt durch einen Wald.
Selbst Zugfahren ist mit Wasserstoff möglich: Der Coradia iLint ist ein moderner Brennstoff-Zellen-Zug. (Alstom/Rene Frampe / Herder)
Man kann aber auch mit Wasserstoff Düsenflieger antreiben. Dort gab es bei Airbus und 14 Ländern der Europäischen Union dieses Projekt Cryoplane, das sollte mit tiefgefrorenem Wasserstoff fliegen, hätte wegen der voluminösen Tanks einen Abstrich von 30 Prozent entweder an Passagierzahl oder an Reichweite gehabt, aber dafür würde hinten wirklich nur Wasser rauskommen, ein bisschen Stickoxid, was kein Klimagas ist. Cryoplane landete im Jahr 2000 in den Schubladen mit dem Hinweis, dass auf absehbarer Zeit nicht genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung stehen würde, damit dies klimatechnisch sinnvoll wäre. So fliegen wir weiter mit Kerosin.
Stövesand: Apropos Schublade, vor allem für uns Journalisten ist das immer wieder die Sackgasse, dass gesagt wird, dieser Weg ist nicht rentabel, das wird sich nicht durchsetzen, jetzt hat sich die Batterie durchgesetzt. Auf welche Argumentation beziehungsweise Widersprüche sind Sie da gestoßen, wenn man mal wissen will, warum eine so effiziente Möglichkeit, emissionsfrei Mobilität, überhaupt Energie herzustellen, warum das sich nicht durchsetzt, warum das nicht weiterentwickelt wird?
Koch: Da gibt es immer das Gegenargument des Wirkungsgrades. Der liegt wohl aktuell bei 40 Prozent. Dann möchte ich mal ein kleines Rechenbeispiel geben. Desertec: Ich meine, sein Name war Knies, der Physiker hat ausgerechnet, dass wir mit 300 Quadratkilometer Sahara, wenn die mit Solarmodulen bestückt wären, dann könnte man damit die Menschheit mit Strom versorgen. Legen wir jetzt mal diese 40 Prozent des Wirkungsgrads von Wasserstofftechnik zugrunde, dann bräuchte man entsprechend 800 Quadratkilometer oder 900 und hätte die Menschheit mit Strom versorgt.
Desertec sollte mit Kabeln den Strom nach Europa bringen. Da macht man sich natürlich total abhängig von dem anderen Ende des Kabels. Mit Wasserstoff könnte man viel dezentraler arbeiten. Wir haben immerhin 30 Millionen Quadratkilometer Wüste auf dieser Erde. Also die Möglichkeiten wären gigantisch. Die offizielle Begründung, warum Desertec gestorben ist, war, dass die Anrainerstaaten auch Strom davon abhaben wollen.
Das macht ja – wir leben in einer Welt des Kapitalismus - überhaupt keinen Sinn, dieses Argument. Das wäre ja so, wie wenn ich als Imker meine Imkerei an den Nagel hängen würde, nur weil sich irgendwo ein zweiter Markt für meinen Honig aufgetan hätte. Dahinter stehen wohl andere Interessen. Ich verweise auf die dominante Rolle von Saudi-Arabien im Nahen Osten und natürlich auch der USA, die wollen hier ihr Flüssiggas verkaufen, das sie durch Fracking gewinnen, diese unheilvolle Methode, wirklich noch das letzte Quäntchen Kohlenwasserstoff aus der Erde zu pressen.
Brand bei Benzinfahrzeugen gefährlicher als beim Brennstoffzellenauto
Stövesand: Jetzt sind Sie ja eigentlich gar nicht vom Fach, haben aber eine Begeisterung für das Thema entwickelt, weil Sie denken, jetzt oder nie. Welche Quellen haben Sie genutzt, auf wen sind Sie zugegangen, wie war so Ihr Rechercheweg?
Koch: Ich habe natürlich, wie jeder, auch das Internet zurate gezogen und eine schöne Ausgabe der Encyclopaedia Britannica zu Hause aus den 60er-Jahren, wo auch schon ziemlich viel über Wasserstoff drinsteht, und am interessantesten fand ich eigentlich meine Besuche bei den Wasserstoffpionieren. Da war der Herr Fuhrländer oder Professor Wasserscheid. Wasserscheid hat die LOHC-Technik in Deutsch...
Stövesand: Das ist dieser runtergekühlte oder …?
Koch: Nein, die LOHC steht für Liquid Organic Hydrogen Carrier. Dort wird Wasserstoff chemisch eingelagert in einer Trägersubstanz. Wir kennen das von der Margarine. Margarine ist hydriertes Pflanzenöl, und dieser Professor Wasserscheid macht quasi dasselbe mit einem Wärmespeicheröl, und das Zeug, das wird vollgeladen chemisch per Katalyse mit Wasserstoff und ist absolut ungefährlich. Also in Videos geht er da mit einem Bunsenbrenner dran, und per Katalyse wird das auch wieder rausgezogen.
In der Zwischenzeit kann man es transportieren mit Pipelines, Tankern, Tankzügen mit der Infrastruktur, die wir haben. Also das wäre jetzt wirklich eine Lösung, wo nicht nur dieses reiche Deutschland Wasserstofftechnik nutzen könnte, sondern auch Länder, denen es vielleicht wirtschaftlich nicht so gut geht wie uns. Da wird dann auch wegen des Wirkungsgrads viel kritisiert. Im Prinzip ist es ein Nullsummenspiel. Während des Beladens dieser Trägerflüssigkeit entstehen 300 Grad Celsius, die muss man am Ende, um den Wasserstoff wieder rauszukriegen, dann wieder reintun, aber mit diesen 300 Grad Celsius, die beim Beladen entstehen, kann man ja auch was anfangen, zum Beispiel Meerwasser entsalzen.
Stövesand: Das ist ja auch ein ganz interessanter Aspekt, wenn Sie sagen, dass das ungefährlich ist. Oft wird ja beim Wasserstoff darauf hingewiesen, dass das ja so ein gefährlicher Energieträger sei. Ja, er ist leicht entzündlich, viele – Sie schreiben das auch – denken gleich an die Explosion oder den Brand der Hindenburg, des Luftschiffs. Wie ist das tatsächlich insgesamt mit der Gefährlichkeit des Wasserstoffs als Energielieferant?
Koch: Der Untergang der Hindenburg ist ja tatsächlich so ein Menschheitstrauma, weil das medial so gut rüberkam, und das ist eines der frühesten Reportagen von so einem dramatischen Absturz. Tatsächlich haben ziemlich viele dieses Desaster überlebt trotz des Sturzes aus 80 Meter Höhe, und die meisten Opfer sind tatsächlich nicht in dem Wasserstoffbrand umgekommen, sondern im anschließenden Dieselbrand, denn der Propeller der Hindenburg wurde nämlich mit einem Dieselmotor betrieben. Ich will das nicht kleinreden, also man sitzt, wenn man ...
Ich war bei BMW, die ja auch so eine Art Pioniere in Sachen Wasserstoff sind, und saß dann auf so einem 700-Bar-Drucktank. Das ist schon gewaltig. Der sollte dann möglichst nicht einem um die Ohren fliegen. Nur: Auch wenn der kaputtgeht, weil Wasserstoff leichter ist als Luft, hat man einen brennenden Wasserstoffstrahl, der in die Luft geht nach oben, da sollte man natürlich nicht in die Nähe von kommen, trotzdem ist das noch was anderes als eine Benzinlache, die sich auf dem Boden verteilt. An der sind schon sehr, sehr viele Menschen umgekommen.
Stövesand: Das heißt, es gibt eher eine Stichflamme nach oben, als dass es den Flächenbrand gibt, der sich auf das ganze Fahrzeug ausbreitet.
Koch: Ja, also beides ist unerfreulich, aber das Auto, das wir jetzt fahren, ist wahrscheinlich gefährlicher als ein Wasserstoffauto.
Eine Hommage an ein Molekül
Stövesand: Herr Koch, Ihr Buch liest sich ja wie eine Hommage an ein Molekül, an dessen Entdeckung und Werdegang durch Wissenschaft und Industrie. An wen richten Sie Ihr Buch?
Koch: Mein Buch ist für die breite Masse bestimmt. Also jeder, der ein bisschen Interesse hat, kann es verstehen. Ich habe mir Mühe gegeben, es unterhaltsam und nicht zu kompliziert zu schreiben, und ich würde mich freuen über jeden Leser, der ein bisschen Interesse dem Thema entgegenbringt.
Stövesand: Und wenn Sie jetzt bei "Wünsch dir was" wären, Herr Koch, wie sähe Ihre Vision der Energieversorgung in Zukunft aus?
Koch: Meine Vision der Energieversorgung ist, dass wir mit Wasserstoff die Sonne der Sahara – in Anführungszeichen – ernten und der Menschheit diese Energie zugänglich machen. Das wäre auch eine globale Lösung. Wir können da unser Energiesüppchen nicht nur in Deutschland kochen, sondern wenn wir diesen Klimawandel aufhalten wollen und das Ruder nochmal rumreißen wollen, dann muss die ganze Welt mitmachen, und das würde funktionieren mit der Wüstensonne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Timm Koch: "Das Supermolekül. Wie wir mit Wasserstoff die Zukunft erobern",
Westend Verlag, 176 Seiten, 18 Euro.