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Tod von George Floyd
US-Justiz spricht Ex-Polizisten schuldig

Im Prozess um den Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz ist Ex-Polizist Derek Chauvin schuldig gesprochen worden. Dem 45-Jährigen droht nun eine lange Gefängnisstrafe. Nach der Verlesung des Schuldspruchs brach in der Innenstadt von Minneapolis Jubel aus.

Von Doris Simon | 21.04.2021
Der Polizist Derek Chauvin nimmt sein Urteil entgegen
Ex-Polizist Derek Chauvin verbrachte gestern seine erste Nacht von voraussichtlich vielen im Gefängnis. US-Präsident Joe Biden forderte den Senat auf, das Polizeireformgesetz endlich zu verabschieden. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited)
Für die Familie von George Floyd mischten sich gestern viele Gefühle, Erleichterung und Freude, Trauer – und das Gefühl, dass der Tod des Bruders, Onkels, Vaters bei aller Sinnlosigkeit vielleicht nicht umsonst war, sondern eine wichtige, eine historische Entwicklung ausgelöst hat. "Wir sind hierhergekommen, um Gerechtigkeit zu erreichen, für George Floyd, und heute haben wir Gerechtigkeit bekommen", sagte sein Neffe Brandon Williams. Das Urteil sei nur der Anfang gewesen. Jetzt müsse der Senat dringend die Polizeireform verabschieden, die George Floyds Namen trage.

Viel Lob für die Jury

Nur weil einer das Gesetz verkörpere, stehe er nicht über dem Gesetz, sagte Williams. Dieses Urteil sei eine Chance für sein Land, sich in die richtige Richtung zu verändern. Auch von George Floyds Familie gab es gestern viel Lob für die Jury, die Zeugen, die Staatsanwaltschaft - und die Umstehenden, die am 25. Mai den Angeklagten gedrängt hatten, von George Floyd abzulassen. "Heute können wir wieder atmen", sagte George Floyds Bruder Philonise.
Mehrere Familienmitglieder von George Floyd erinnerten an die vielen anderen Opfer von Polizeigewalt in den letzten Jahren und Monaten. Gerechtigkeit für George, so sein Bruder Philonese, bedeute Freiheit für alle.
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Es war kurz nach drei Uhr Nachmittag gewesen, als Richter Peter Cahill das Gericht in Minneapolis aufgefordert hatte, für das Urteil der Jury aufzustehen, um dann das Urteil zu verlesen. Der Angeklagte Derek Chauvin blieb regungslos, nur seine Augen bewegten sich: Dreimal schuldig - wegen Mordes zweiten und dritten Grades an George Floyd und wegen Todschlags.

Das Argument der Verteidigung konnte nicht überzeugen

Weniger als elf Stunden hatten die Geschworenen gebraucht, um uneingeschränkt der Anklage zuzustimmen. 9 Minuten 29 Sekunden hatte der Polizist Chauvin am 25. Mai letzten Jahres auf dem Hals des gefesselten, am Boden liegenden George Floyd gekniet. Der erstickte dabei qualvoll. Die Verteidigung hatte die Jury nicht überzeugen können mit ihrem Argument, diese Gewalt sei berechtigt gewesen. Stattdessen folgte sie dem Appell von Staatsanwalt Steve Schleicher: "Trauen Sie ihrem Gefühl und Ihrem Herzen. Der Angeklagte ist in allen drei Anklagepunkten schuldig."
Sofort nach der Verlesung des Schuldspruchs brach in der Innenstadt von Minneapolis erleichterter Jubel aus, tausende Demonstranten hatten sich dort versammelt, viele skandierten: "Justice" (Gerechtigkeit). Im Gerichtssaal wurden Derek Chauvin Handschellen angelegt, er verbrachte gestern seine erste Nacht von voraussichtlich vielen im Gefängnis.
In acht Wochen wird das Gericht das Strafmaß festlegen, es dürfte unter den maximal möglichen 75 Jahre Haft bleiben, da der Angeklagte keine Vorstrafen hat. Der Justizminister des Bundesstaates Minnesota, Keith Ellington, wies darauf hin, dass mit diesem Urteil in Minnesota erstmals ein weißer Polizist zur Verantwortung gezogen worden sei für die Tötung eines Schwarzen. Der Justizminister dankte allen, die sich seit George Floyds Tod US-weit friedlich für Gerechtigkeit und Veränderung eingesetzt hatten: "Ich fordere alle auf, diesen Weg nun fortzusetzen."

Biden telefonierte mit Floyds Familie

US-Präsident Joe Biden sprach am Abend davon, man sei einen Schritt weiter gekommen im Tauziehen zwischen den hohen Idealen der Vereinigten Staaten und der brutalen Realität. Zuvor hatte er mit der Familie George Floyds telefoniert, mit der er seit der Beerdigung Floyds in diskretem Kontakt steht. Aber das Urteil sei nicht genug, sagte der US-Präsident, um echte Veränderungen und Reformen zu bewirken. "Wir können und müssen mehr tun, um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass Tragödien wie diese jemals wieder passieren. Und dazu müssen wir den systemischen Rassismus anerkennen und ihm entgegentreten."
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Im vergangenen Jahr hatte der qualvolle Tod von George Floyd durch Polizeigewalt landesweit für Proteste in den USA gesorgt. Nun wurde in Minneapolis erneut ein Schwarzer von einem Polizisten getötet. Die lokalen Sportteams reagierten umgehend.
Auch der US-Präsident forderte den Senat auf, das Polizeireformgesetz zu verabschieden. Wegen Widerstands der Republikaner unter anderem gegen die Aufhebung der eingeschränkten Immunität der Polizei liegt das Gesetz seit Monaten auf Eis. Widerstand kommt auch von den Polizeigewerkschaften, Das System funktioniere doch, sagte der Vertreter der größten Polizeigewerkschaft nach dem Urteil.
In Minneapolis und den angrenzenden Bundesstaaten waren vor dem Urteil der Jury tausende von Nationalgardisten und Polizisten mobilisiert worden. Viele von ihnen dürfen vor Ort bleiben. Morgen wird im Minneapoliser Vorort Brooklyn Heights der 20-jährige Duante Wright beerdigt. Er starb am Ende einer Verkehrskontrolle, so, wie im letzten Jahr 121 US-Bürger, vorwiegend Schwarze und Latinos.