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Todesschüsse im Irak belasten italienisch-amerikanisches Verhältnis

In Zusammenhang mit dem Tod eines italienischen Geheimdienstmitarbeiters im Irak hat der italienische Europa-Minister Buttiglione den US-Militärs vorgeworfen, sie machten ohne ausreichenden Grund von der Waffe Gebrauch.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: In Italien hat die italienische Öffentlichkeit ein Wechselbad der Gefühle durchlitten. Erst am Freitag kam die Nachricht: die Journalistin Giuliana Sgrena, die einen Monat lang von irakischen Kidnappern festgehalten wurde, sei frei. Dann folgte kurz darauf die zweite Meldung: auf ihren Wagen sei von US-Soldaten geschossen worden. Wie sich herausstellte verlor ein Italiener im friendly fire sein Leben, zum Entsetzen ganz Italiens. Der erschossene Geheimdienstagent erhält heute ein Staatsbegräbnis, aber es bleiben viele Fragen offen nach dem tragischen Zwischenfall.

    Der Fall des erschossenen Geheimdienstagenten und der verletzten Journalistin ist geeignet, die Beziehungen zwischen Rom und Washington zu belasten. Italiens Ministerpräsident Berlusconi hat ja auch bereits den amerikanischen Botschafter einbestellt. Am Telefon begrüße ich nun Rocco Buttiglione. Er ist der italienische Europaminister. Guten Morgen Herr Buttiglione!

    Rocco Buttiglione: Guten Morgen!

    Meurer: Wie bitter empfinden Sie, Herr Buttiglione, was am Freitag passiert ist?

    Buttiglione: Ja, es ist schrecklich was passiert ist. Es war eine große Freude. Wir haben viel gearbeitet, um Giuliana Sgrena nach Italien zurückzubringen. Nicola Calipari war sehr verantwortlich für diese Mission. Er war ein ausgezeichneter Mensch, persönlich und nicht nur in seinem Beruf. Er war ein Freund von vielen von uns und es ist unmöglich, das zu akzeptieren was passiert ist. Wir wollen, dass die amerikanische Regierung ernst ermittelt. Wir wollen wissen, wer die Verantwortlichen sind, wie dies passieren konnte, und wir wollen, dass die Verantwortlichen bestraft werden.

    Meurer: Was glauben Sie ist der Grund gewesen, dass es zu diesem verhängnisvollen Zwischenfall kommen konnte?

    Buttiglione: Das kann ich natürlich nicht wissen. Wir müssen gerade deshalb ermitteln, weil wir die Wahrheit nicht wissen. Eines scheint mir durchaus unwahrscheinlich und nur eine politische Spekulation, die gerade in diesem Moment nicht passieren sollte. Alles sollte eher den Menschen respektieren, der gestorben ist, und was unwahrscheinlich ist, dass mit Absicht die Amerikaner Giuliana Sgrena und Nicola Calipari ermorden wollten. Das ist unmöglich. Die moralische Verantwortung und die politische Verantwortung für den Tot von Nicola Calipari tragen die Terroristen. Die Amerikaner können schlecht behandelt werden, können beruflich unvorbereitet sein, können zu allem gebracht werden, aber die Kriminellen sind immer noch die Terroristen.

    Meurer: Aber gestorben ist der Geheimdienstagent an US-amerikanischen Kugeln, Herr Buttiglione. Wie erklären Sie sich diesen Verdacht, den Frau Sgrena gegen die US-Truppen geäußert hat?

    Buttiglione: Das kann ich mir nicht erklären. Es gibt einen Anti-Amerikanismus, der durchaus die Grenze des Vernünftigen überschritten hat. Die Kugeln waren von den Amerikanern, aber er war dort, weil die Terroristen Giuliana Sgrena mit dem Tot bedroht hatten. Es ist ganz einfach zu verstehen, wenn Giuliana Sgrena in den Händen der Terroristen war, dass wir uns um ihr Leben fürchteten. Als sie in einem amerikanischen Hospital untergebracht wurde, waren wir um ihr Leben sicher. Diese Haltung gegen Amerika als System, als Staatsmacht ist unakzeptabel.
    Eine ganz andere Frage ist, dass einige Amerikaner sich gefürchtet haben, für ihre Arbeit unvorbereitet zu sein und geschossen haben, ohne genug Gründe dafür zu haben. Leider ist dies nicht der erste Fall, der im Irak passiert.

    Meurer: Herr Buttiglione, hat die italienische Seite ihre Aktion nicht mit den Amerikanern abgestimmt?

    Buttiglione: Nein, wir haben alles gemacht in Verbindung mit den Amerikanern. Es gibt natürlich auch einiges, das vielleicht besser von uns allein gemacht werden sollte und gemacht worden ist.

    Meurer: Sie sagen es gibt einiges, was Sie hätten besser alleine tun sollen. Habe ich Sie richtig verstanden?

    Buttiglione: Es ist möglich. Das weiß ich nicht genau. Wir haben aber immer innerhalb eines loyalen Bundes mit den Amerikanern gehandelt. In einem Bund zu sein heißt aber nicht, dass man manchmal auch unabhängige Initiativen unternehmen kann.

    Meurer: Sollte Italien sich etwas unabhängiger zeigen gegenüber den USA?

    Buttiglione: Ja, manchmal, wenn es Not tut. Ein Bund ist nicht eine Verbindung, in der sich einer abhängig macht. Es ist eine Verbindung unter gleichberechtigten Partnern.

    Meurer: Haben Sie den Eindruck, Herr Buttiglione, dass die amerikanische Seite nicht wollte, dass mit den Entführern von Giuliana Sgrena verhandelt wird?

    Buttiglione: Nein. Wir könnten unterschiedliche Ideen darüber haben, aber wir alle wollten, dass Giuliana Sgrena wieder nach Hause gebracht wird.

    Meurer: Schließen Sie aus, dass auch Fehler auf italienischer Seite gemacht worden sind, zum Beispiel dass die Information über die Fahrtroute nicht an die amerikanischen Kontrollposten weitergegeben wurde?

    Buttiglione: Wir können in diesem Moment nichts ausschließen, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass Menschen wie Nicola Calipari, der allgemein anerkannt war als einer der besten in seinem Beruf, die Sache oberflächlich behandelt haben. Natürlich kann jeder Mensch Fehler machen, aber im Moment scheint mir das eher unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist, dass die amerikanischen Soldaten zu leicht die Waffe gebraucht haben, ohne alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen zu haben.

    Meurer: Hat der Vorfall, Herr Buttiglione, für Sie Auswirkungen auf die Frage, ob Italien seine Truppen im Irak belassen sollte?

    Buttiglione: Nein! Giuliana Sgrena konnte ebenso entführt worden sein, wenn Italien seine Truppen im Irak nicht gehabt hätte. Nehmen Sie das Beispiel Frankreich. Unsere Präsenz im Irak hat uns viel dabei geholfen, sie wieder nach Hause zu bringen.

    Meurer: Das war der italienische Europaminister Rocco Buttiglione zum Tod des italienischen Geheimdienstagenten und dem Fall der verletzten Journalistin Giuliana Sgrena. – Herr Buttiglione, schönen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Buttiglione: Bitte schön und auf Wiederhören!