"Es gibt wirklich Schockerlebnisse, das hört man auf zu schlafen oder man hat Schwierigkeiten, ja."
Eines dieser Schockerlebnisse hatte die Anglistin, Antje Uhlig, als sie beim Einrichten der Ausstellung zum ersten Mal die Hartheim-Statistik sah. Darin haben die Buchhalter der Nazis akribisch notiert, wie viel Einsparungen sich erzielen lassen, wenn geistig behinderte Menschen nicht mehr ernährt werden müssen. Die Daten stammen aus den Anstalten Pirna-Sonnenstein, Bernburg, Hartheim und Hadamar:
"Also hier wird eigentlich noch einmal deutlich, diese pervertierte Logik, dass man tatsächlich Statistiken erstellt hat, Diagramme gemalt hat, um sich selber noch mal vor Augen zu führen, und aufzurechnen, wie viel wurden getötet, wie viel an Lebensmittelersparnis konnte aus diesem Programm gewonnen werden, also das ist schon ... "
Zu diesem Zeitpunkt - 1941 - hat das Euthanasie-Programm der Nazis schon seinen Höhepunkt erreicht. Doch das Töten bleibt nicht unentdeckt. Öffentliche Proteste und eine Predigt des Bischofs von Galen führen dazu, dass die Programme eingestellt werden. Das Töten in den sechs Anstalten, geht dennoch weiter. Subtiler aber fast genauso effektiv. Nochmals Antje Uhlig:
"Die Leute sind verhungert, sie wurden einfach vernachlässigt und die Leute sind einfach massenhaft an Entkräftung gestorben. "
Es ist kein Zufall, dass diese Ausstellung, die erstmals außerhalb Nordamerikas gezeigt wird, nun europaweit ausschließlich im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden zu sehen ist. Sein Haus sei im Dritten Reich eine Täter-Institution gewesen, sagt Direktor Klaus Vogel:
"Da wurden die Methoden und die Ausgrenzungen und Aussonderungen, die Eugenik und Rassenhygiene ausmachten, propagiert, also das Deutsche Hygiene-Museum war eben nicht nur irgendein Leihgeber für diese Ausstellung, es ist ein Hauptbeteiligter gewesen, bei der Definierung dessen, was vermeintlich lebenswert oder nicht lebenswert war. "
In drei Abschnitten zeigt die Ausstellung über "Tödliche Medizin und Rassenwahn", wie es überhaupt so weit kommen konnte. Sie beginnt in der Weimarer Republik, unter dem Titel "Wissenschaft als Erlösung" , schaut dann auf den "Biologischen Staat" im Dritten Reich und endet mit den "Endlösungen". Systematisch wird dokumentiert, wie die romantische Vision der Forscher und Wissenschaftler der 20er Jahre von einem perfekten und widerstandsfähigen Menschen, in der Diktatur pervertiert wurde und zu einem rassistischen und antisemitischen Instrument mutierte. Diese Entwicklung ist für Kuratorin Susann Bachrach, vom US Holocaust Memorial Museum aus Washington von grundlegender Bedeutung für die Beantwortung der Frage, wie es überhaupt zum Holocaust kommen konnte:
"Es geht in erster Linie um die Rolle, die Wissenschaftler und Forscher spielten, die schon vor 1933 Eugenische Theorien vertraten. Es geht um ihre Rolle, die sie im Dritten Reich spielten, und um die allerschlimmste Konsequenz, die eintritt, wenn die Umstände passen und die Politik dies mit den Eugenischen Ideen kombiniert."
Und so begegnet man in der Ausstellung Bild- und Tondokumenten wie diesen. Ein Interview Anfang der 30er Jahre, aufgenommen in einem deutschen Dorf in Tschechien. Zwei Forscher oder Mediziner vermessen - im Rahmen damals gängiger umfangreicher Reihenuntersuchungen - eine ganze Dorfgemeinschaft.
O-Ton Interview:
Interviewer: "Hier hätte ich gerne mal gewusst, was werden Sie für Untersuchungen hier jetzt vornehmen? "
"Wir führen hier anthropologische und rassische Untersuchungen durch, um die rassischen Gegebenheiten dieses Kreises zu erfassen."
"Und welche Geräte benutzt der Kamerad da?"
Die deutschen Wissenschaftler liegen mit ihrer Arbeit zu diesem Zeitpunkt - Anfang der dreißiger Jahre - im Trend. Denn die Diskussion um die Eugenik, um die Rassenlehre und die Frage, ob man durch gezielte Auslese - Erbkrankheiten und die immer noch recht hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit in den Griff bekommen könne, hat in diesen Jahren Konjunktur - international.
Charles Darwin ist allgegenwärtig, und viele internationale Wissenschaftler, Psychiater und Mediziner sind überzeugt, dass soziale Probleme der Moderne, wie Alkoholismus, Kriminalität und die vermeintliche Zunahme körperlicher und geistiger Behinderungen genetisch bedingt seien und somit von Generation zu Generation vererbt werden könnten.
Die Suche nach dem perfekten Menschen wird intensiviert. Zeitgleich führt die Eugenik-Debatte geradewegs in die Klassifizierung von lebenswert und lebensunwert. Der Gedanke, "unproduktives" Leben zu liquidieren ist sozusagen anerkannt und gilt nicht als Tabu.
Mit der Machtübernahme der Nazis ändern sich die politischen Rahmenbedingungen. Ärzte und Wissenschaftler liefern bereitwillig wissenschaftliche Begründungen für die NS-Rassenhygieneprogramme. Die aktive Ausgrenzung einzelner Gruppierungen beginnt und wird propagandistisch begleitet, so wie in diesem Film, der offensichtlich geistig behinderte Menschen zeigt:
Filmbeitrag: "Auch für Sie müssen gesunde, deutsche Volksgenossen arbeiten, sie füttern und trockenlegen. "
Mit dem Erlass des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, im Juli 1933, treten drakonische Maßnahmen in Kraft, die vor allem geistig behinderte Menschen betreffen.
Filmbeitrag: " Die Unfruchtbarmachung ist ein leichter, chirurgischer Eingriff, ist ein humanes Mittel, durch das die Nation vor grenzenlosem Elend bewahrt wird. "
Rund 400.000 Menschen werden in den folgenden Jahren zwangssterilisiert. Parallel dazu laufen staatliche Euthanasie-Programme auf Hochtouren. Zeitzeugen berichten in der Ausstellung in Interviews auf einer großen Leinwand. Diese Dame kam mit fünfeinhalb Jahren in ein Kinderheim:
"Über dieses Heim wurden diese Kinder für geisteskrank erklärt. Also hinter unserem Schlafsaal waren ja die Babies, und da habe ich mich gewundert, ich höre die Babies gar nicht mehr schreien, das war dann 1940, und dann guckte ich hin, die Betten sind alle leer. Und dann heißt es, Deine Schwester kommt weg. Meine Schwester. Ich habe ihr die Haare aus dem Gesicht gemacht, und die Haarklemme gegeben, habe sie noch mal umarmt, und dann war sie weg. "
Vom Euthanasieprogramm zum Massenmord an Juden war es nur ein kleiner Schritt - auch das zeigt die Ausstellung. Auch hier leisten Wissenschaftler , Mediziner und Schwestern gute Dienste. Vergasungs-Experimente an psychisch Kranken im von Deutschland besetzten Weißrussland werden kaltblütig gefilmt.
Uhlig: "Hier wird getestet, wie effektiv eine solche Vergasung ablaufen kann. Für diese sehr konkreten Tests - dann schon im Hinblick auf die Judenfrage - wurden nicht mehr unbedingt Anstaltspatienten benutzt, sondern das geschah dann schon auch mit Kriegsgefangenen, sowjetischen Kriegsgefangenen, Konzentrationshäftlingen, wie man hier sieht. "
Die Bilder zeigen nackte, abgemagerte Männer, die noch schnell, bevor sie die Stufen in eine Art Keller hinunter gehen, ein Wolldecke umgehängt bekommen. Dann der Umschnitt auf die mit langen Schläuchen versehenen Auspuffrohre einer Limousine. Der Untertitel teilt mit, die Probanden seien nach wenigen Minuten ohnmächtig geworden, man habe den Motor vorsichtshalber noch zehn Minuten laufen lassen.
Dokumente der Skrupellosigkeit - wie diese - lassen das Blut in Adern gefrieren.
Eines dieser Schockerlebnisse hatte die Anglistin, Antje Uhlig, als sie beim Einrichten der Ausstellung zum ersten Mal die Hartheim-Statistik sah. Darin haben die Buchhalter der Nazis akribisch notiert, wie viel Einsparungen sich erzielen lassen, wenn geistig behinderte Menschen nicht mehr ernährt werden müssen. Die Daten stammen aus den Anstalten Pirna-Sonnenstein, Bernburg, Hartheim und Hadamar:
"Also hier wird eigentlich noch einmal deutlich, diese pervertierte Logik, dass man tatsächlich Statistiken erstellt hat, Diagramme gemalt hat, um sich selber noch mal vor Augen zu führen, und aufzurechnen, wie viel wurden getötet, wie viel an Lebensmittelersparnis konnte aus diesem Programm gewonnen werden, also das ist schon ... "
Zu diesem Zeitpunkt - 1941 - hat das Euthanasie-Programm der Nazis schon seinen Höhepunkt erreicht. Doch das Töten bleibt nicht unentdeckt. Öffentliche Proteste und eine Predigt des Bischofs von Galen führen dazu, dass die Programme eingestellt werden. Das Töten in den sechs Anstalten, geht dennoch weiter. Subtiler aber fast genauso effektiv. Nochmals Antje Uhlig:
"Die Leute sind verhungert, sie wurden einfach vernachlässigt und die Leute sind einfach massenhaft an Entkräftung gestorben. "
Es ist kein Zufall, dass diese Ausstellung, die erstmals außerhalb Nordamerikas gezeigt wird, nun europaweit ausschließlich im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden zu sehen ist. Sein Haus sei im Dritten Reich eine Täter-Institution gewesen, sagt Direktor Klaus Vogel:
"Da wurden die Methoden und die Ausgrenzungen und Aussonderungen, die Eugenik und Rassenhygiene ausmachten, propagiert, also das Deutsche Hygiene-Museum war eben nicht nur irgendein Leihgeber für diese Ausstellung, es ist ein Hauptbeteiligter gewesen, bei der Definierung dessen, was vermeintlich lebenswert oder nicht lebenswert war. "
In drei Abschnitten zeigt die Ausstellung über "Tödliche Medizin und Rassenwahn", wie es überhaupt so weit kommen konnte. Sie beginnt in der Weimarer Republik, unter dem Titel "Wissenschaft als Erlösung" , schaut dann auf den "Biologischen Staat" im Dritten Reich und endet mit den "Endlösungen". Systematisch wird dokumentiert, wie die romantische Vision der Forscher und Wissenschaftler der 20er Jahre von einem perfekten und widerstandsfähigen Menschen, in der Diktatur pervertiert wurde und zu einem rassistischen und antisemitischen Instrument mutierte. Diese Entwicklung ist für Kuratorin Susann Bachrach, vom US Holocaust Memorial Museum aus Washington von grundlegender Bedeutung für die Beantwortung der Frage, wie es überhaupt zum Holocaust kommen konnte:
"Es geht in erster Linie um die Rolle, die Wissenschaftler und Forscher spielten, die schon vor 1933 Eugenische Theorien vertraten. Es geht um ihre Rolle, die sie im Dritten Reich spielten, und um die allerschlimmste Konsequenz, die eintritt, wenn die Umstände passen und die Politik dies mit den Eugenischen Ideen kombiniert."
Und so begegnet man in der Ausstellung Bild- und Tondokumenten wie diesen. Ein Interview Anfang der 30er Jahre, aufgenommen in einem deutschen Dorf in Tschechien. Zwei Forscher oder Mediziner vermessen - im Rahmen damals gängiger umfangreicher Reihenuntersuchungen - eine ganze Dorfgemeinschaft.
O-Ton Interview:
Interviewer: "Hier hätte ich gerne mal gewusst, was werden Sie für Untersuchungen hier jetzt vornehmen? "
"Wir führen hier anthropologische und rassische Untersuchungen durch, um die rassischen Gegebenheiten dieses Kreises zu erfassen."
"Und welche Geräte benutzt der Kamerad da?"
Die deutschen Wissenschaftler liegen mit ihrer Arbeit zu diesem Zeitpunkt - Anfang der dreißiger Jahre - im Trend. Denn die Diskussion um die Eugenik, um die Rassenlehre und die Frage, ob man durch gezielte Auslese - Erbkrankheiten und die immer noch recht hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit in den Griff bekommen könne, hat in diesen Jahren Konjunktur - international.
Charles Darwin ist allgegenwärtig, und viele internationale Wissenschaftler, Psychiater und Mediziner sind überzeugt, dass soziale Probleme der Moderne, wie Alkoholismus, Kriminalität und die vermeintliche Zunahme körperlicher und geistiger Behinderungen genetisch bedingt seien und somit von Generation zu Generation vererbt werden könnten.
Die Suche nach dem perfekten Menschen wird intensiviert. Zeitgleich führt die Eugenik-Debatte geradewegs in die Klassifizierung von lebenswert und lebensunwert. Der Gedanke, "unproduktives" Leben zu liquidieren ist sozusagen anerkannt und gilt nicht als Tabu.
Mit der Machtübernahme der Nazis ändern sich die politischen Rahmenbedingungen. Ärzte und Wissenschaftler liefern bereitwillig wissenschaftliche Begründungen für die NS-Rassenhygieneprogramme. Die aktive Ausgrenzung einzelner Gruppierungen beginnt und wird propagandistisch begleitet, so wie in diesem Film, der offensichtlich geistig behinderte Menschen zeigt:
Filmbeitrag: "Auch für Sie müssen gesunde, deutsche Volksgenossen arbeiten, sie füttern und trockenlegen. "
Mit dem Erlass des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, im Juli 1933, treten drakonische Maßnahmen in Kraft, die vor allem geistig behinderte Menschen betreffen.
Filmbeitrag: " Die Unfruchtbarmachung ist ein leichter, chirurgischer Eingriff, ist ein humanes Mittel, durch das die Nation vor grenzenlosem Elend bewahrt wird. "
Rund 400.000 Menschen werden in den folgenden Jahren zwangssterilisiert. Parallel dazu laufen staatliche Euthanasie-Programme auf Hochtouren. Zeitzeugen berichten in der Ausstellung in Interviews auf einer großen Leinwand. Diese Dame kam mit fünfeinhalb Jahren in ein Kinderheim:
"Über dieses Heim wurden diese Kinder für geisteskrank erklärt. Also hinter unserem Schlafsaal waren ja die Babies, und da habe ich mich gewundert, ich höre die Babies gar nicht mehr schreien, das war dann 1940, und dann guckte ich hin, die Betten sind alle leer. Und dann heißt es, Deine Schwester kommt weg. Meine Schwester. Ich habe ihr die Haare aus dem Gesicht gemacht, und die Haarklemme gegeben, habe sie noch mal umarmt, und dann war sie weg. "
Vom Euthanasieprogramm zum Massenmord an Juden war es nur ein kleiner Schritt - auch das zeigt die Ausstellung. Auch hier leisten Wissenschaftler , Mediziner und Schwestern gute Dienste. Vergasungs-Experimente an psychisch Kranken im von Deutschland besetzten Weißrussland werden kaltblütig gefilmt.
Uhlig: "Hier wird getestet, wie effektiv eine solche Vergasung ablaufen kann. Für diese sehr konkreten Tests - dann schon im Hinblick auf die Judenfrage - wurden nicht mehr unbedingt Anstaltspatienten benutzt, sondern das geschah dann schon auch mit Kriegsgefangenen, sowjetischen Kriegsgefangenen, Konzentrationshäftlingen, wie man hier sieht. "
Die Bilder zeigen nackte, abgemagerte Männer, die noch schnell, bevor sie die Stufen in eine Art Keller hinunter gehen, ein Wolldecke umgehängt bekommen. Dann der Umschnitt auf die mit langen Schläuchen versehenen Auspuffrohre einer Limousine. Der Untertitel teilt mit, die Probanden seien nach wenigen Minuten ohnmächtig geworden, man habe den Motor vorsichtshalber noch zehn Minuten laufen lassen.
Dokumente der Skrupellosigkeit - wie diese - lassen das Blut in Adern gefrieren.