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Töpfer: Dieser Taifun ist ein Augenöffner

Der Taifun auf den Philippinen zeige, welche Auswirkungen die Klimaerwärmung habe, sagt der Chef des Nachhaltigkeitsinstituts IASS, Klaus Töpfer. Den Teilnehmern der Klimakonferenz solle das die Augen öffnen: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse seien eindeutig.

Klaus Töpfer im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 12.11.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: In Warschau, da findet ja derzeit die aktuelle Klimakonferenz statt. Darüber möchten wir jetzt sprechen mit Klaus Töpfer. Er ist Exekutivdirektor des Nachhaltigkeitsinstituts IASS in Potsdam. Zuvor war er Bundesumweltminister bekanntlich und Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Schönen guten Morgen, Herr Töpfer.

    Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Töpfer, wie sicher sind Sie denn, dass es einen Zusammenhang überhaupt gibt zwischen dem Taifun und dem Klimawandel, denn Taifune gibt es in Südostasien ja sehr oft, und das nicht erst seit gestern?

    Töpfer: Diese Analyse ist völlig richtig. Natürlich ist dies eine Region, in der Taifune regelmäßig vorkommen. Aber was festzustellen ist – und das ist ja nicht Spekulation, sondern das ist Fakt -, dass solche Stürme häufiger kommen, dass sie stärker werden, dass ihre Intensität ansteigt und dass die Folgen von solchen Stürmen, schwere Niederschläge und Sturmfluten, ebenfalls ansteigen. Dies ist ganz eindeutig im Einklang mit dem, was uns Wissenschaft vorhergesagt hat und was sie ja auch weiterhin mit guten, wissenschaftlich untermauerten Gründen belegt. Das kann man in der Wahrscheinlichkeit durchaus so festhalten. Aber wissen Sie, selbst wenn es noch den einen oder anderen gibt, der sagt, vielleicht ist es doch nicht so – alleine die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es so sei, müsste jeden dazu bringen zu sagen, dann lasst uns doch alles daran setzen, dass diese auslösenden Faktoren, etwa der Verbrauch von fossilen Energien, von Kohle, Öl, und Gas, zurückgehen. Es kann ja nie falsch sein. Aber noch einmal: die wissenschaftlichen Grundlagen dafür sind so erdrückend, dass man nicht mehr einfach weggehen kann und sagen kann, das war immer so und das wird wohl immer so bleiben. Nein, hier muss gehandelt werden.

    Heckmann: Trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse, Herr Töpfer, ist ja der Fortschritt eine Schnecke bei den Klimaverhandlungen. In Warschau, ich habe es gerade eben erwähnt, ist ja gestern die aktuelle Konferenz eröffnet worden. Bisher waren die Erwartungen gering. Hat sich das aus Ihrer Sicht jetzt durch die neue Lage, durch den Taifun geändert, oder muss man an Realitätsverleugnung leiden, um daran glauben zu können?

    Töpfer: Ich glaube, dieser Taifun ist sicherlich auch ein ergänzender Augenöffner. Aber alle diejenigen, die nach Warschau gefahren sind, von der Politik, von der Wissenschaft, von den engagierten Bürgerinnen und Bürgern, sie alle sind sich natürlich im Klaren darüber, dass es diesen Zusammenhang gibt. Man hat sich auf dieses Zweigradziel ja geeinigt, und das ist schon eine Herausforderung für viele Regionen dieser Welt, denken Sie an die kleinen Inselstaaten im Pazifik. Das ist eine zusätzliche Bestätigung, es ist eine zusätzliche auch emotionale Unterstützung, ganz ohne jeden Zweifel. Wer kann kühl bleiben bei diesen Bildern, die wir dort sehen müssen und die natürlich das motivieren. Aber diese Erkenntnis stößt überall immer und immer wieder auf die Überlegung, welche wirtschaftlichen Konsequenzen sind damit verbunden, und deswegen ist es halt so zentral wichtig, dass wir nicht nur sagen, guckt mal, die, die da hinfahren, sind nicht sehr engagiert dabei, sondern dass wir auch bei uns zu Hause alles daran setzen, um Lösungen zu finden. Wir sind weltweit sichtbar und mit vielen Hoffnungen und Erwartungen verbunden, weil wir sagen, wir können mit erneuerbaren Energien, wir können mit Wind, mit Sonne, mit Erdwärme und anderem, mit Biomasse unsere Energieversorgung bewältigen. Nun ist es Zeit, dass wir das auch wirklich umsetzen und klar machen, dies ist eine Verpflichtung eines technologisch führenden Landes. Nicht nur fragen, sind die anderen alle borniert, blicken die alle weg; nein, nein: Wir müssen schon sagen, wir brauchen Lösungen dafür, und diese Lösungen sind bei uns in Angriff genommen, sie müssen jetzt durchgesetzt werden.

    Heckmann: Damit nehmen Sie mir im Prinzip das Stichwort vorweg, Herr Töpfer. Wir blicken mal nach Deutschland. Hier planen Union und SPD, die ja dabei sind, eine gemeinsame Regierung, eine gemeinsame Koalition zu bilden, die Energiewende zu bremsen wegen der explodierenden Kosten, die daraus entstanden sind. Packen Sie sich da manchmal an den Kopf, wenn Sie daran denken, was Ihre Partei da macht, die CDU?

    Töpfer: Zunächst einmal: alles das, was man hört, was man lesen kann, bestätigt ja, dass diese Koalitionsverhandlungen die Energiewende nicht infrage stellen wollen, dass sie sie so umsetzen wollen, dass wir bis 2050 80 bis 90 Prozent weniger CO2 emittieren. Dazu gehört ganz eindeutig ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energien. Und die angesprochene Explosion der Kosten ist ja in besonderer Weise, wer sich damit etwas beschäftigt, darauf zurückzuführen, dass wir diesen historischen Kosten der Entwicklung dieser Technologie über 20 Jahre jetzt zu bezahlen haben, und man muss sich wirklich Gedanken darüber machen, ob nicht auch damit anzusetzen ist, denn wir müssen ja auch der Welt insgesamt zeigen, dass erneuerbare Energien wesentlich billiger geworden sind. Wir verschleiern das aber in unserer Preisstellung für erneuerbare Energien, und so kriegt man immer und immer wieder international das Argument zu hören, das können sich nur die Reichen, also nur die Deutschen leisten. Nein, durch unsere Förderungsmaßnahmen sind erneuerbare Energien deutlich billiger geworden und sie werden es weiter. Nur die Art und Weise, wie wir die Preise, die für Energie aus der Steckdose dann bezahlt werden, ermitteln und festlegen, führt dazu, dass wir diese wirtschaftliche Konsequenz noch gar nicht richtig deutlich machen können.

    Heckmann: Sie sagen, die Energiewende in Deutschland wird nicht grundsätzlich infrage gestellt. Das ist richtig. Dennoch: Es soll weniger Fördergeld geben für neue Windräder an windstarken Standorten. Die Ausbauziele bei den Windparks in der Nord- und Ostsee, die werden fast halbiert. Sie teilen also nicht die Sorge, dass dadurch der Ausbau der regenerativen Energien gebremst wird?

    Töpfer: Eins, glaube ich, ist in der ganzen Vergangenheit auch der Fall gewesen und muss es auch sein: Technologie und Massenproduktion führen dazu, dass die Kosten geringer werden. Wir haben, als ich selbst noch Umweltminister war, mit dieser Maßnahme der Förderung begonnen, da haben wir für eine Kilowattstunde Fotovoltaik noch über 60 Eurocent bezahlt. Heute liegen wir bei zehn Eurocent und darunter. Das heißt, dieser Rückgang der Kosten ist natürlich notwendig, dringlich notwendig, und viele Förderungen, auch in der Windenergie etwa an der Küste, haben nun wirklich Verteilungseffekte gebracht. Da haben viele Menschen sehr viel Geld dran verdient, was ja auch bezweckt war, deswegen haben sie ja investiert. Also man muss natürlich auch gezielt zurückführen, aber in einer Weise, dass dadurch nicht der Ausbau unterbrochen wird, sondern gezielter gemacht wird, dass wir mehr investieren für die Speicherung, dass wir uns massiv anstrengen für ein auch dezentral organisiertes Stromnetz.

    Die schlichte Aussage, es wird mit niedrigeren Werten gefördert als in der Vergangenheit, ist eigentlich, das fortzusetzen, was immer geschehen ist. Kein Mensch wird das infrage stellen. Die Frage ist das Ausmaß, die Frage ist die Intensität, mit der wir an diese Dinge herangehen, und ich glaube, da gibt es noch viel zu diskutieren, und es wird in unserer Gesellschaft intensiv diskutiert, weil die Menschen in ihrer überwältigenden Mehrheit der Meinung sind, wir müssen uns unabhängig machen von diesen fossilen Energien. Wir haben Vorteile in der Energieversorgung, der Sicherheit und vieles mehr. Hier ist Deutschland vorangekommen. Hier haben wir die Chance, wirklich eine Technik so weit zu bringen, dass sie überall wirtschaftlich genutzt werden kann, eine tolle Angelegenheit. So etwas haben wir lange nicht mehr gehabt aus Deutschland heraus, solche Technologien.

    Heckmann: Das heißt, Sie würden sagen, in Deutschland ist da alles im grünen Bereich?

    Töpfer: Das sage ich nicht! Ich habe gesagt, dass das jetzt belegt werden muss in der Umsetzung, und in der Umsetzung haben wir in der Vergangenheit ganz erhebliche Probleme gehabt. Hier ist jetzt die Große Koalition massiv gefragt, nicht abzuwürgen, sondern gezielt weiterzuentwickeln, zum Vorteil auch und gerade der deutschen Wirtschaft, zum Vorteil auch und gerade einer internationalen Klimapolitik.

    Heckmann: Wir haben gerade, Herr Töpfer, nach Warschau geblickt. Was muss da erreicht werden auf dieser Konferenz, um voranzukommen in Sachen Klimapolitik?

    Töpfer: Es ist ja beschlossen worden, bereits in Durban und in den vorangehenden Konferenzen dieser Art, dass bis zum Jahre 2015 die Voraussetzungen geschaffen sind, ein Nachfolgeabkommen für Kyoto, für das Kyotoprotokoll zu erreichen. Warschau muss dazu beitragen, dass dieser Weg dahin jetzt so gelegt wird, dass er hinterher verlässlich bleibt. Die Entscheidung wird 2015 in Paris, in Frankreich erfolgen. Aber noch einmal: Dies ist eine für die Vorbereitung dieses hohen Zieles zentral wichtige Konferenz. Hier muss von der Frage der Finanzierung und der Zusammenarbeit in der Finanzierung mit Entwicklungsländern bis hin zu Technologien, die ich gerade genannt habe, auch gezeigt werden, dass die hoch entwickelten Länder bereit und willens sind, solche klimaförderliche und den Klimawandel bekämpfende Entscheidungen der Entwicklungsländer mitzutragen und mit zu unterstützen.

    Heckmann: Der Exekutivdirektor des Nachhaltigkeitsinstituts IASS in Potsdam und frühere Bundesumweltminister, Klaus Töpfer, war das, live hier im Gespräch im Deutschlandfunk. Herr Töpfer, danke Ihnen für dieses Interview und Ihnen einen schönen Tag noch.

    Töpfer: Ich danke Ihnen auch herzlich.


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