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Tolle Idee! – Was wurde daraus?

Biologie. - Fünf Jahre nach dem Höhepunkt der BSE-Krise steht Rindfleisch wieder hoch in der Verbrauchergunst. Doch noch immer tauchen jährlich bis zu 30 positive BSE-Tests in den postmortem-Analysen auf. Denn noch immer fehlt ein Test für Lebendtiere.

Von Ralf Krauter | 20.06.2006
    Ein zuverlässiger BSE-Lebendtest wäre eine Lizenz zum Gelddrucken – weshalb Forscher weltweit an Methoden tüfteln, um den Rinderwahn bei lebenden Kühen nachzuweisen. Bislang ohne Erfolg. Selbst der Schweizer Prionenpapst Agguzzi konnte noch keine Durchbrüche vermelden. Die Konzentration der krankmachenden Prionproteine im Blut ist so gering, dass sie kaum dingfest zu machen sind. Professor Bertram Brenig, der Leiter des Tierärztlichen Institut s der Universität Göttingen verfolgt deshalb seit Jahren einen anderen Ansatz. Er weist nicht die infektiösen Prionen selbst nach, sondern verräterische Erbgutschnipsel, die infizierte Zellen ins Blut schleusen.

    "Was wir zeigen konnten, war, dass beim Rind als Folge des Eindringens von Prionen, den Erregern der BSE, in das Tier solche Nukleinsäuren ins Serum abgegeben werden. Diese Nukleinsäuren weisen ein sehr spezifisches Muster auf, was sich über molekularbiologische Techniken nachweisen lässt."

    Über den Göttinger Lebendtest war in den vergangenen Jahren öfter zu lesen, er sei so gut wie einsatzreif. Die Fakten sehen anders aus: Die Markteinführung steht immer noch aus, eine Zulassung wurde noch gar nicht beantragt und einem EU-weiten Vergleichstest mit konkurrierenden BSE-Lebendtests haben sich die Forscher nicht gestellt. Die Diskrepanz zwischen medialem Wirbel und wissenschaftlicher Wirklichkeit nährt bei manchem Kenner der Szene den Verdacht, Bertram Brenig lehne sich beim Kampf um Fördermittel manchmal etwas weit aus dem Fenster. Könnte die Aussicht aufs große Geschäft nicht dazu verleiten, auch mal halbgare Ergebnisse zu veröffentlichen? Solche Bedenken wischt der mediengewandte Molekularbiologe natürlich vom Tisch.

    "Es ist natürlich ein gewisser Druck da. Es sind Erwartungen da. Aber ich würde es nicht so interpretieren, dass man unter so einem Zeitdruck steht, dass man also nicht valide und solide Daten produzieren kann."

    Und solche hat Bertram Brenig 2005 vorgelegt, in einer großen Studie, für die er die Blutproben von 1000 Rindern nach den verräterischen DNS-Schnipseln durchforstete. Da der Göttinger Test alle vier enthaltenen BSE-Proben erkannte, titelte das Handelsblatt am 11. Juli 2005: "Neuer BSE-Lebendtest funktioniert zuverlässig." Das für Rinderwahn zuständige Friedrich-Löffler-Institut auf der Ostseeinsel Riems teilte diese Euphorie nicht. In einer Pressemitteilung warnten die Experten zwei Tage darauf vor überzogenen Erwartungen: "Der Test entdeckt eine Veränderung bei kurzen Nukleinsäuren, die im Blut vorkommen. Wie diese Veränderungen mit einer erfolgten BSE-Infektion oder einem möglicherweise erhöhten Risiko für eine BSE-Infektion korreliert, ist unklar."

    Ob der Göttinger Lebendtest nur auf BSE anspricht, wie seine Entwickler behaupten, ist umstritten. Genau diese Selektivität wäre aber eine zentrale Voraussetzung für ein flächendeckendes Screening aller Jungtiere. Ein weiteres Problem sind die vielen Verdachtsfälle, die der Test liefert. Von 135 getesteten Tieren aus Risikoherden, in denen bereits ein BSE-Fall aufgetreten war, klassifizierte der Göttinger Test 65 Prozent als positiv. Bei deutschlandweiter Anwendung wären das 10.000 bis 15.000 Tiere. Viel zu viele, finden die Experten vom Friedrich-Löffler-Institut: "Nach allen bisherigen Erfahrungen übertrifft diese Rate bei weitem die Zahl an Infektionen, die in den betroffenen Herden zu erwarten ist."

    Was aber nicht heißt, dass Bertram Brenig nicht doch recht haben könnte. Schließlich wäre es nur logisch, dass ein empfindlicher Bluttest, der eine Prioneninfektion bereits im Frühstadium erkennt, häufiger anspricht als die heutigen postmortem-Tests, die nur bei hohen Konzentrationen der Erreger im Gehirn oder Rückenmark Alarm schlagen.

    "Es handelt sich also um einen Risikonachweis. Wir können also sagen, diese Kohorte hat soundso viele Tiere, die dieses veränderte Muster im Blutserum aufweisen. Und das deutet darauf hin, dass diese Tiere einmal mit BSE in Kontakt gekommen sind und ein erhöhtes Risiko haben, an BSE zu erkranken."

    Laufende Validierungsstudien sollen Skeptiker von der Stichhaltigkeit dieser Argumentation überzeugen. In einem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt wollen die Göttinger Forscher ihren Test bis 2007 zu einem preiswerten Massenprodukt entwickeln.