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Tolle Idee - was wurde daraus?
Das Europäische Technologie-Institut EIT

Das Europäische Innovations- und Technologieinstitut sollte helfen, Forschungsergebnisse schneller auf den Markt zu bringen und Europa international wettbewerbsfähiger zu machen. Nach zehn Jahren Arbeit hat das EIT gute Resultate vorzuweisen, die künftige Finanzierung ist allerdings unklar.

Von Frank Grotelüschen |
Europäische Flagge mit Platine vor dramatischem Himmel
Zehn Jahre EIT - Europäische Forschung für den Weltmarkt (Picture Alliance)
"Im Allgemeinen ist Europa nicht der bekannteste Ort für Top-Qualitätsstudiengänge oder Innovation und angewandte Forschung. Wir sind die besten beim Fußball, aber nicht so gut bei Innovation. Aber wir können auch bei den Innovationen in der ersten Liga stehen. Wir müssen nur genauso viel investieren wie in den Fußball."
Es war 2008, da diagnostizierte der damalige EU-Bildungskommissar Ján Figel' eine gewisse Innovationsschwäche auf dem Alten Kontinent: In der Grundlagenforschung war Europa zwar top. Doch bei der Umsetzung dieser Forschung in lukrative Produkte haperte es immer wieder. Um Abhilfe zu schaffen, gründete die EU eine neue Institution - das EIT, das Europäische Institut für Innovation und Technologie.
"In dieser Analyse, es war damals Kommissionspräsident Barroso, hat er den Vorschlag gemacht, ein europäisches MIT zu gründen nach amerikanischem Vorbild - das EIT."
Sagt Karl‐Friedrich Ziegahn vom Karlsruher Institut für Technologie. Das MIT, das Massachusetts Institute of Technology, gilt als eine der renommiertesten Technologieschmieden der Welt. Das EIT sollte ursprünglich eine europäische Version der Eliteuni darstellen, inklusive eines großen eigenen Forschungscampus. Das aber scheiterte unter anderem daran, dass etablierte europäische Hochschulen unliebsame Konkurrenz witterten. Also wurde aus dem EIT ein milliardenschweres europaweites Netzwerk.
"Es kam das Konzept der Knowledge and Innovation Communities, also der Wissensgemeinschaften aus Industrie, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Dieses Konzept bildete den Unterbau für einen eher virtuellen Überbau, dieses European Institute of Technology."
Startschwierigkeiten und Rügen vom Rechnungshof
Jede Wissensgemeinschaft konzentriert sich dabei auf ein bestimmtes Feld. 2010 starteten die ersten drei, und zwar zu den Themen Energie, Klima und Digitalisierung. Später kamen drei dazu, und zwar Ernährung, Gesundheit und Rohstoffe. Und zwei weitere Themen-Cluster sind derzeit in Vorbereitung. Koordiniert werden sie von der EIT-Zentrale in Budapest, sagt Ziegahn, der dem Aufsichtsrat der Wissensgemeinschaft "InnoEnergy" vorsitzt.
"Wir helfen ganz konkret mit finanziellen Zuschüssen zum Beispiel bei der Produktfertigentwicklung oder bei der Kreierung eines Unternehmens. Wir machen dafür Verträge mit den Partnern, indem wir dann, wenn die ersten Produkte verkauft werden, unsere Anteile wieder über eine Art Lizenzgebühr zurückbekommen. Wir sind selbst als Unternehmen mit unserer Idee am Markt."
2016 aber meldete sich der Europäische Rechnungshof und stellte dem EIT ein eher schlechtes Zeugnis aus: Komplexe Bürokratie, Fehler beim Management, mangelnde Transparenz und schlicht zu wenig greifbare Ergebnisse, so die Vorwürfe. Und tatsächlich:
"In der Anfangsphase ging das sehr hemdsärmlig zu. Und nach zwei, drei Jahren kamen dann zu Recht die Finanz-Kontrolleure aus Brüssel und haben gesagt: Um Gottes willen! Ihr habt ja freihändig Geld vergeben", sagt Karl-Friedrich Ziegahn.
"Gleichzeitig können Sie - und wir haben das völlig unterschätzt - nicht in so kurzer Zeit solche Innovationskulturen aufbauen. Wir haben viel mehr Zeit gebraucht. Wir waren sicherlich auch in der Anfangszeit nicht strikt genug auf das unternehmerische Profil ausgerichtet. Manche unserer Partner sind auch wieder ausgestiegen - Universitäten, weil sie gedacht haben: Das ist einfach eine andere Art der Forschungsförderung. Und das ist es eben nicht."
Start-Ups, neue Produkte - und neue Jobs
Inzwischen seien viele der Geburtsfehler ausgebügelt, sagt Ziegahn: Die Verwaltung sei schlanker und effizienter geworden, die Zentrale in Budapest würde besser mit den Wissensgemeinschaften zusammenarbeiten. Und mittlerweile gebe es auch greifbare Resultate.
"Wir haben 6000 neue Jobs geschaffen, über 640 neue Produkte und Dienstleistungen in den Markt erfolgreich gebracht. Wir haben mehr als 1200 Start-Ups oder neu gegründete Abteilungen unterstützt. Und wir haben inzwischen rund 900 Millionen Euro externes Kapital angesaugt sozusagen."
Ringen um weitere Zuschüsse
Durchaus wohlwollend fiel 2017 auch ein Gutachten der EU-Kommission aus. Demnach ist das EIT auf einem guten Weg, auch wenn es noch Schwächen gibt, etwa bei der Außendarstellung und der Nachwuchsförderung. Doch genau hier droht ein Konflikt: Eigentlich ist vorgesehen, dass die EU-Förderung für eine Wissensgemeinschaft nach 15 Jahren ausläuft. Bis dahin soll sie sich als profitables Unternehmen auf dem Markt etabliert haben. Für die geforderten Ausbildungsprogramme könnte dann das Geld fehlen, sagt Ziegahn.
"Wir sollen eine politische Mission, eine Ausbildungsmission haben oder beibehalten. Und ich gehe mal davon aus, dass zwar unsere Zuschüsse dramatisch heruntergefahren werden, dass aber für den Teil, wo wir eine politische Aufgabe oder gesellschaftliche Aufgabe übernommen haben, dass wir auch da von der EU weiterhin eine Unterstützung bekommen werden."
Durchaus möglich allerdings, dass es für das EIT ab 2021 weniger Geld gibt als erhofft. In diesem Fall wird das Europäische Innovations- und Technologieinstitut seine Zukunftspläne ein wenig abspecken müssen. Im Vergleich zum ursprünglichen Vorbild, dem amerikanischen MIT, fällt das Jahresbudget sowieso eher spärlich aus: Mit rund 350 Millionen Euro beträgt es nur rund ein Zehntel.