Hände waschen, Kaffee kochen, duschen. Die Toilette spülen, Wäsche waschen, kochen. Insgesamt 121 Liter Wasser verbraucht der Durchschnittsdeutsche bei diesen und ähnlichen Aktivitäten pro Tag. Denn für uns ist sauberes Wasser aus dem eigenen Wasserhahn Normalität. In vielen Regionen Afrikas hingegen ist das nur Wunschdenken. Große Teile des Kontinents leiden unter Wassermangel. Selbst reiche Länder wie Südafrika mussten bereits den Wassernotstand ausrufen, weil aufgrund von Dürre die Wasserspeicher leer waren. Dabei besitzt selbst Afrika riesige Reserven an sauberem Trinkwasser, bloß sind die quasi unsichtbar.
"Grundwasser ist eine verzwickte Ressource. Es ist im Boden unter unseren Füßen versteckt. Man kann es wirklich überhaupt nicht sehen."
sagt Alan MacDonald, Leiter der Abteilung Internationales Grundwasser des British Geological Survey. Im Jahr 2012 hat er gemeinsam mit Kollegen berechnet, wie viel Wasser genau sich unter der Sahara und in anderen Regionen Afrikas verbirgt. Es kommt dabei vor allem darauf an, aus welchem Gestein der Boden beschaffen ist.
"Das Grundwasser befindet sich in den Poren und Rissen des Gesteins unter unseren Füßen. In Sandstein gibt es viel Platz zwischen den einzelnen Sandkörnern. Etwa 25 Prozent dieses Gesteins ist nur Luft, die mit Wasser gefüllt werden kann. Andere Gesteinsarten wie Granit können viel weniger Wasser aufnehmen, nur etwa ein Prozent."
Tiefe Wasservorkommen sind schwer erreichbar
Ihre Berechnungen zeigten, dass Afrika über etwa 600.000 Kubikilometer Grundwasser verfügt. Das ist etwas 30 Mal so viel Wasser, wie über dem ganzen Kontinent jährlich an Niederschlag fällt. Oder der 13.750-fache Inhalt des Bodensees. Beides schwer vorstellbar. Doch die riesigen Wasservorkommen sind ungleich verteilt und teilweise schwer zu erreichen.
"Das Grundwasser in Regionen südlich der Sahara befindet sich nicht sehr tief im Boden. Man kann es etwas 20 Meter unter dem Boden finden, in manchen Gegenden vielleicht schon bei 10 Metern. Aber in sehr trockenen Regionen, wie zum Beispiel in der Sahara-Wüste, befindet sich das Grundwasser 50, 100 oder sogar 150 Meter unter dem Boden. Also viel, viel tiefer."
Diese tiefliegenden Wasserschichten anzubohren, ist sehr teuer. Das verhältnismäßig reiche Libyen hat es trotzdem gewagt. Verständlich, wenn man bedenkt, dass das Land zum Großteil aus Wüste besteht und keinen einzigen Fluss besitzt, der das ganze Jahr lang Wasser führt. Moutaz Ali, freier Journalist aus der Hauptstadt Tripolis, erinnert sich noch an diese Situation:
"Die Mehrheit der Libyer war es gewohnt, salziges Wasser aus dem Meer zu nutzen. Wenn sie Frischwasser brauchten, mussten sie weite Strecken fahren, es aus Brunnen pumpen, in Fässer abfüllen und nach Hause transportieren."
Megaprojekt läuft seit Jahrzehnten
Schon in den 1950er Jahren war man bei Ölbohrungen auf Grundwasser unter der Sahara gestoßen. Im Jahr 1984 legte der damalige Staatschef Muammar Gaddafi schließlich den Grundstein für den Great-Man-Made-River, also den Großen menschengemachten Fluss. Seitdem wurden Pipelines gebaut, die das Wüstenwasser über hunderte Kilometer hinweg in die großen Küstenstädte wie Tripolis und Bengasi transportieren.
"Zurzeit werden täglich etwa 200 Millionen Kubikmeter Wasser durch die Pipelines transportiert. Sie werden für den menschlichen Bedarf und die Landwirtschaft genutzt. Fast alle Städte im Norden haben dadurch Zugang zu Frischwasser, mit Ausnahme des Gebiets um die Nafusa-Bergkette im Westen des Landes. Das liegt an dem Sicherheitschaos, was seit einigen Jahren das Land beherrscht."
Im Prinzip hat das Megaprojekt "Großer menschengemachter Fluss" also wesentliche Ziele erreicht. Dennoch: Als Blaupause für andere Regionen würde Alan MacDonald diese Vorgehen jedoch nicht empfehlen.
"Dieses Projekt ist der Traum eines jeden Ingenieurs, aber ich sehe da auch ein paar Probleme. Das Wasser, was sie da anzapfen, ist zwischen 30.000 und 100.000 Jahre alt. Sie bedienen sich also an einer fossilen Ressource, die sich während unserer Lebenszeit nicht erneuern wird. Irgendwann werden die Vorkommen erschöpft sein."
Wann genau, da gehen die Meinungen weit auseinander. Schon in 250 Jahren, warnen einige Experten. Frühestens in 650 Jahren, sagen andere. Alan MacDonald sieht die großen Potenziale des afrikanischen Grundwassers sowieso vor allem darin, die ärmsten Menschen in Sub-Sahara-Afrika zu versorgen. Ganz ohne erst über weite Strecken transportiert zu werden.
Handpumpen könnten helfen
"Viele Menschen leben auf kristallinen Gesteinen, die nur sehr wenig Wasser speichern können. Aber wir haben herausgefunden, dass sogar in diesen Gesteinen genug Wasser gespeichert ist, damit es für drei, vier oder fünf Jahre reicht. Wenn es also für ein paar Jahre eine Dürre gäbe, dann könnten diese Wasservorkommen ausreichen, um eine einfache Handpumpe zu betreiben."
Denn eine Handpumpe braucht nicht besonders viel Wasser, um zu funktionieren. Zudem ist das Grundwasser meist von guter Qualität und frei von Bakterien, die im dunklen Gestein ohne Sonnenlicht nicht überleben können. Ein Problem gibt es aber dennoch. Einfach nur ein Loch zu bohren und eine Pumpe darauf zu setzen, reicht nicht aus.
"Man bohrt da also ein Loch und installiert eine Handpumpe. Aber die muss ja auch gewartet werden. Wer macht das? Wie bekommt man dort Ersatzteil? Oder einfach nur das Geld für Ersatzteile? Das ist gerade eine große Herausforderung für die Wasserversorgung in ganz Afrika."