Sonntag, 28. April 2024

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Toncar: FDP-Fraktionsspitze aus alten und neuen Köpfen zusammensetzen

"Ich glaube nicht, dass es nötig ist, dass die Fraktion sich an der Spitze komplett neu aufstellt", sagt der FDP-Haushaltpolitiker Florian Toncar vor der heutigen Wahl der FDP-Fraktionsführung. Eine Regierungspartei könne nicht hingehen und jeden als "untragbar" einstufen, der in den letzten eineinhalb Jahren beteiligt gewesen sei.

Florian Toncar im Gespräch mit Jörg Armbruster | 10.05.2011
    Jörg Armbrüster: Mitgehört hat Florian Toncar, Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestags und Koordinator der Jungen Gruppe der FDP-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen, Herr Toncar!

    Florian Toncar: Guten Morgen, Herr Armbrüster!

    Armbrüster: Herr Toncar, warum ist das so schwer in Ihrer Fraktion, eine Wahl zum Fraktionschef vorzubereiten?

    Toncar: Das ist nicht schwer, aber es ist eben ein Prozess, der unter hohem auch zeitlichem Druck entsteht. Die FDP hatte nach den verlorenen Landtagswahlen sehr viel Internes diskutiert, auch Personal, aber auch inhaltliche Fragen, und wir möchten, dass das mit dem kommenden Bundesparteitag in Rostock beendet ist, dass wir uns wieder der Sacharbeit zuwenden können. Und das macht es eben nötig, dass diese Entscheidungen schnell getroffen werden, und das ist jetzt das, was sozusagen auch den Druck erzeugt und die Situation heute doch etwas unübersichtlich gestaltet.

    Armbrüster: Was spricht denn eigentlich gegen Birgit Homburger an der Fraktionsspitze?

    Toncar: Ich glaube nicht, dass es nötig ist, dass die Fraktion sich an der Spitze komplett neu aufstellt. Man muss sich, glaube ich, auch genau überlegen, ob es klug ist, wenn eine Regierungspartei auf allen möglichen Positionen jetzt Veränderungen vornimmt. Es kommt aus meiner Sicht darauf an, dass man eine vernünftige Arbeitsteilung hinkriegt, und da gibt es Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Ich glaube, dass das, was Birgit Homburger kann – ihre Durchsetzungskraft, ihr Verhandlungsgeschick, ihre Fähigkeit, sich auch in Themen schnell reinzuarbeiten –, allgemein anerkannt sind und dass das etwas ist, was sicherlich in der FDP auch weiter gebraucht wird. Ob an der Fraktionsspitze oder nicht, das ist noch nicht entschieden, das hat sie auch selber noch nicht entschieden, aber es ist in jedem Fall, glaube ich, so, dass wir bei den Personen, die wir haben, auch die Stärken sehen sollten und nicht, wie es gelegentlich auch bei solchen Diskussionen in der Partei geschieht, immer auf Mankos und Probleme hinweisen.

    Armbrüster: Was sind denn die Stärken von einem Fraktionsvorsitzenden, einem möglichen Rainer Brüderle?

    Toncar: Rainer Brüderle hat erklärt, dass er nur bereitsteht, wenn Birgit Homburger nicht kandidiert, aber er ist mit Sicherheit jemand, der politisch etwas ist, was man Allrounder nennt, also jemand, der tatsächlich auch unterschiedlichste Themen bespielen kann, obwohl ihm Wirtschaftspolitik immer sehr wichtig war, der sicherlich auch für eine klare Kante steht, für ein klares Profil steht und der ein Kämpfer ist. Ganz ohne Zweifel ist Rainer Brüderle auch jemand, der politisch unheimlich viele Fähigkeiten hat, aber ich denke, dass wir auch über die Mischung von Temperamenten und Talenten sprechen müssen, und das in sehr kurzer Zeit. Ich bin mir aber auch sicher, dass sich in der Fraktion heute eine Lösung ergeben wird und übrigens auch in der Partei am Freitag, dass das also funktionieren wird, dass wir ab dem Wochenende uns nicht mehr mit Personal und Interna beschäftigen müssen.

    Armbrüster: Ich will trotzdem noch mal kurz da bleiben: Wäre denn Rainer Brüderle tatsächlich der erhoffte Neuanfang für die FDP?

    Toncar: Ein Neuanfang ist es mit Sicherheit, was in der FDP passiert, weil wir einfach auf unterschiedlichsten Positionen insbesondere im Parteipräsidium mit neuen Köpfen und neuen Personen kommen.

    Armbrüster: Ich meine Rainer Brüderle, ein Mann, der wirklich sozusagen zum politischen Inventar der Bundesrepublik gehört seit Jahrzehnten.

    Toncar: Rainer Brüderle hat als Wirtschaftsminister sich Ansehen erworben, in der Öffentlichkeit in Deutschland, auch in der FDP. Ich denke insbesondere an seinen ordnungspolitisch klaren Kurs bei Opel, auch bei Karstadt, bei vielen anderen Entscheidungen, wo er sehr deutlich gemacht hat, dass der Staat sich nicht um jedes Problem in der Wirtschaft kümmern kann. Das ist, glaube ich, auch das, was zählt, was Leute inhaltlich leisten, und eine Regierungspartei kann nun wirklich auch nicht hergehen und sagen, jeder, der in den letzten eineinhalb Jahren – die schwierig waren für die FDP, die auch mit Fehlern verbunden waren von vielen handelnden Personen –, jeder, der da in den letzten eineinhalb Jahren dabei war, der ist jetzt plötzlich nicht mehr tragbar, sondern wir müssen einen Übergang hinkriegen, der es möglich macht, dass auch neue Köpfe mit neuen Themen kommen können. Und die sehe ich auch, wenn ich mir das künftige Bundespräsidium anschaue der Partei, das in Rostock gewählt werden soll, aber gleichzeitig natürlich auch Leute, die gut waren, die auch zur Profilbildung der FDP beigetragen haben, die Dinge auch durchgesetzt haben, durchaus auch weiterhin im Team belassen.

    Armbrüster: Können wir dann festhalten, Herr Toncar, dass Sie Rainer Brüderle unterstützen würden?

    Toncar: Das ist etwas, was erst noch entschieden werden muss. Ich kann noch nicht sagen, wer heute kandidiert, das hängt davon ab, wie sich die handelnden Personen entscheiden. Sofern nur Rainer Brüderle kandidiert und Birgit Homburger sich entscheidet, nicht wieder zu kandidieren, werde ich Rainer Brüderle sicher unterstützen, das ist überhaupt keine Frage.

    Armbrüster: Und was passiert, wenn Birgit Homburger nicht mitmacht?

    Toncar: Birgit Homburger hat die Unterstützung der baden-württembergischen FDP-Abgeordneten, und ich denke schon auch, dass das, was sie kann politisch, auch in der FDP weiter gefragt ist. An welcher Stelle, das muss sie entscheiden, das müssen sicher auch die Gespräche ergeben, aber es ist mit Sicherheit nicht so, dass sie jetzt in den letzten Monaten alles falsch gemacht hätte und deswegen überhaupt nicht mehr gebraucht werden würde.

    Armbrüster: Herr Toncar, die Neuen-Jungen-Parteiführer, die da immer wieder genannt werden, wie Rösler, Daniel Bahr und auch Christian Lindner, die werden in der Presse auch gern als die jungen Milden oder als Boygroup beschrieben. Sie sind alle bislang nicht gerade durch forsches Auftreten aufgefallen – warum sollten gerade diese Jungen die FDP in bessere Zeiten führen können?

    Toncar: Auch solche Überschriften oder Titulierungen helfen nicht weiter, die Partei aus Problemen rauszuführen. Ich glaube, dass alle drei für ihr junges Alter bereits bemerkenswert viel geleistet haben politisch und mit Sicherheit auch eine starke Rolle spielen dann in den nächsten Jahren in der FDP ...

    Armbrüster: Aber es wird doch sehr deutlich, dass sie sich alle immer drücken, wenn es um schwierige Entscheidungen geht.

    Toncar: Das stimmt nicht. Ich glaube übrigens auch nicht, dass es Aufgabe ist, dass Kandidaten für den Bundesvorsitz Philipp Rösler nur für jeden einzelnen Punkt im Parteipräsidium oder auch an der Fraktionsspitze einen Vorschlag zu machen und dass seine Stärke sich daran bemisst. Es ist nicht üblich, dass die Partei der Fraktion Personalvorschläge macht. Es ist übrigens auch nicht üblich, dass jemand, der sich selbst noch bewirbt als Bundesvorsitzender, von A bis Z bis zum letzten Platz sein Präsidium zusammenstellt. Unsere Delegierten auf dem Parteitag wollen im Übrigen auch selbst Entscheidungen treffen. Ich glaube, dass es gerade in einer schwierigen Zeit, die die FDP gerade hat, für unsere Delegierten auf dem Parteitag wichtig ist, dass sie auch Entscheidungen treffen können, dass sie auch auswählen können und nicht, dass da wieder von oben ein Paket vorgesetzt wird, das sozusagen unanfechtbar ist.

    Armbrüster: Aber genau das will Philipp Rösler doch jetzt machen.

    Toncar: Philipp Rösler wird mit Sicherheit auch nicht für jeden einzelnen Posten, der in der FDP zu besetzen ist, einen Vorschlag machen. Er kann sich natürlich dort einbringen, das kann er tun, er kann sich entscheiden, da auch Vorschläge zu machen, das ist überhaupt keine Frage ...

    Armbrüster: Aber ich habe immer gehört, er will mit einem Personaltableau nach Rostock reisen.

    Toncar: Er hat ja auch bereits einzelne Personen benannt, wie beispielsweise den Generalsekretär Christian Lindner und dass er den Schatzmeister Patrick Döring befürwortet. Ich denke nur, es ist nicht die Aufgabe, und man kann auch nicht sagen, wenn ein Vorsitzender oder ein Kandidat für den Vorsitz nicht ein lückenloses Personaltableau aufweist und der Partei einen klaren Vorschlag von A bis Z macht, dann ist er nicht durchsetzungsfähig oder ein junger Milder – das ist Unsinn –, sondern er kann natürlich sagen, auch bei Personalentscheidungen, was er für Vorstellungen hat, aber er muss das nicht tun. Und ich glaube, dass die Erwartung des Parteitags auch ist, dass dort auch noch Entscheidungen getroffen werden dürfen.

    Armbrüster: Herr Toncar, ganz kurz: Ab wann können wir mit einem FDP-Politiker wieder über Inhalte sprechen und nicht mehr über Personal?

    Toncar: Ja, aber genau darum geht es ja auch durch die jetzt beschleunigten Entscheidungen dieser Woche. Wir wollen mit dem heutigen Tag in der Fraktion Klarheit, die wird es auch geben heute Abend, und es wird am Freitag auf dem Parteitag alles Personelle geklärt. Und schon ab Samstag werden wir uns in Rostock mit Inhalten beschäftigen: mit dem Euro, mit der Energiepolitik, mit Fragen der Pflege und der Bildung, also mit dem, was die Bürger in Deutschland in Wahrheit wirklich interessiert.

    Armbrüster: Wir warten gespannt. Der FDP-Haushaltspolitiker Florian Toncar war das hier bei uns im Deutschlandfunk zur Wahl der Fraktionsspitze im Bundestag heute. Besten Dank, Herr Toncar, für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Toncar: Einen schönen Tag, Herr Armbrüster!