Christian Schütte: Guten Morgen, Herr Faust!
Martin Faust: Ja, schönen guten Morgen, Herr Schütte!
Schütte: Dass die Finanzkrise noch nicht ausgestanden war, davor haben viele gewarnt. Dennoch, dass es gleich drei Branchenriesen zur gleichen Zeit trifft, hätten Sie damit gerechnet?
Faust: Dass die Probleme noch weiter bestehen, davon bin ich ausgegangen, insbesondere aufgrund der konjunkturellen Schwäche in den USA. Dass es jetzt so dramatisch und sich so schnell entwickelt hat, das war jetzt nun nicht unbedingt vorherzusehen.
Schütte: Regierung und Notenbank haben rasch reagiert. Die Börse hat dies durchaus positiv aufgenommen. Ist das Vertrauen zunächst erst mal wieder hergestellt?
Faust: Aus meiner Sicht aber nur kurzfristig. Es ist eher eine Rettungsmaßnahme, und als solche ist es ja auch an den Märkten auch aufgenommen worden. Aus meiner Sicht ist das Misstrauen dadurch nicht gesunken, sondern die Sorge, dass es andere Institute treffen könnte, ist aus meiner Sicht sehr berechtigt.
Schütte: Von einer Spitze des Eisbergs ist die Rede. Wie viel vermuten Sie denn unterhalb der Wasseroberfläche?
Faust: Genaue Zahlen sind sicherlich problematisch vorherzusagen. Aber es ist sicherlich so, wenn wir eine konjunkturelle Krise haben, und die USA sind ja nun schon ja auf dem Wege in die Rezession und vielleicht sogar schon in der Rezession, dann führt dies automatisch eigentlich dazu, dass die Hypothekenfinanzierer Probleme bekommen. Bei diesem Mal ist es aus meiner Sicht viel dramatischer dadurch, dass zum einen die Notenbank die Zinsen über lange Jahre sehr, sehr niedrig gehalten hat, dadurch einfach die Kreditaufnahmen viel größer geworden sind, als vielleicht in früheren Jahren und darüber hinaus auch die Banken bei der Bonitätsprüfung ihrer Kunden weniger streng vorgegangen sind als vielleicht früher.
Schütte: Die USA befinden sich ja erst in einer leichten Rezession, in einer frühen Phase, könnte man sagen. Die Arbeitslosenzahlen sollen erst noch stärker ansteigen und trotzdem schon diese Probleme. Wie ist das zu bewerten?
Faust: Aus meiner Sicht ist das durchaus eine sehr kritische Situation. Wir haben jetzt aufgrund der geringen Arbeitslosigkeit schon die Schwierigkeiten, wenn es wirklich in eine Rezession käme, vielleicht haben wir ja Glück und es wird keine Rezession im Wahljahr, dann hätten wir die Situation, dass die Arbeitslosigkeit zunimmt. Bisher hatte wir ja nur eine Subprime-Krise. Das heißt, die Kredite sind ausgefallen, ein Schuldner mit einer sehr schlechten Bonität. Nun, wenn es zur Arbeitslosigkeit käme, würde auch die größere Masse der Kunden in Schwierigkeiten kommen. Und das wäre sicherlich ein gewisser Dominoeffekt, der dann ausgelöst wird.
Schütte: Das heißt, Sie sagen, bisher standen Darlehen an private Bauherrn mit geringer Kreditwürdigkeit im Blickpunkt. Inwiefern geraten denn jetzt nun gesicherte Kredite in diesen Strudel hinein oder sind vielleicht sogar schon hineingeraten?
Faust: Sie sind schon langsam hineingeraten, das heißt, die Kaufkraft der Amerikaner hat ja schon drastisch abgenommen durch die steigenden Rohstoffpreise. Das heißt, viele, die sich ja bisher ihre Hypotheken noch leisten konnten, haben jetzt auch, obwohl sie schon noch berufstätig sind, nicht mehr die Mittel, um das Ganze zu bezahlen. Hinzu kommt, dass auch die Sicherheiten, nämlich die Immobilie selber in der letzten Zeit drastisch an Wert verloren hat, sodass auch auf der Seite für keinen Ausgleich gesorgt ist. Insofern aus meiner Sicht schon ein deutliches Gefahrensignal.
Schütte: Der Chef der US-Notenbank Bernanke hat erst jetzt strengere Regeln bei der Kreditvergabe angekündigt, um Verbraucher zu schützen. Warum haben die USA Ihrer Einschätzung nach bisher so wenig getan, um den Häuser- und Hypothekenmarkt tatsächlich zu stabilisieren?
Faust: Der amerikanische Hypothekenmarkt ist ganz zentral für die Wirtschaft, und sie stehen als Notenbank natürlich jetzt zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite könnte man eine stärkere Regulierung vornehmen, auf der anderen Seite möchte man natürlich auch die Konjunktur unterstützen. Und hier hatte sich die Notenbank bisher auf die Seite der Konjunkturunterstützung geschlagen, muss nun aber einsehen, dass ihre Maßnahmen da wenig hilfreich waren, sodass man nun zwangsläufig auch auf Druck der Kapitalmärkte hier eine stärkere Regulierung durchführen muss.
Schütte: Aber die Warnungen waren ja auch vorher schon da. Das heißt, die hat die Notenbank einfach leichtsinnig in den Wind geschlagen?
Faust: Ich möchte nicht ausschließen, dass die Notenbank auch schon vorher die Probleme wusste. Nur wird eine Notenbank natürlich, wenn sie gefragt wird, immer wieder sagen, die Probleme sind nicht da. Das heißt, in dem Augenblick, selbst jetzt in den aktuellen Fällen, hat man ja noch wenige Tage vorher berichtet darüber, dass es den Instituten gut ginge, dass sie keine Eigenkapital- und Liquiditätsprobleme hätten. Eine Notenbank wird natürlich bis zuletzt immer wieder versuchen, die Probleme kleinzureden oder eben auch von vornherein zu verneinen.
Schütte: Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, hat allerdings vor einiger Zeit Zweifel geäußert an den Selbstheilungskräften des weltweiten Finanzmarktes. Inzwischen scheint es offensichtlich, dass die Märkte die Finanzmarktkrise nicht alleine in den Griff bekommen. Das heißt, der US-Regierung blieb gar keine andere Wahl als einzuschreiten?
Faust: Ja. In dem Augenblick, wo zuerst zentrale Akteure auf den Finanzmärkten und hier in den beiden Beispielen, eben Fannie Mae und Freddy Mac, in Probleme kommen, kann eine Notenbank und ein Staat nicht anders handeln. Es wäre aus meiner Sicht fatal, wenn man solch große Unternehmen durch große Banken dann in die Insolvenz führen würde. "Too big to fail" gilt tatsächlich. Bei kleineren Instituten, wie wir es in Deutschland erlebt haben, bei der IKB, hätte man sicherlich überlegen können, ob man tatsächlich eine Stützung durchführt. Aber in den USA ist die Lage im Augenblick so dramatisch, dass der Notenbank nichts anders übrig bleibt.
Schütte: Das heißt, ist die Lehre daraus, es geht nicht anders, als dass letztendlich der Steuerzahler aufkommt für leichtsinnige Kreditvergaben der Banken?
Faust: Nein. Die Lehre daraus sollte sein, dass auf der einen Seite die Notenbank, was ihre Geldpolitik anbelangt, etwas weniger großzügig sein sollte. Das Zweite ist, dass die Bankenaufsicht gestärkt werden sollte, dass man eben im Vorfeld schon es verhindert, dass es zu solchen größeren Problemen kommt. Und aus meiner Sicht eine Lehre könnte es sein auch, dass die Kreditinstitute hier auch selber ihr Risikomanagement weiter stärken. Wir sind in globalen Finanzmärkten, das heißt, insofern muss man immer damit rechnen, dass Krisen auch aus anderen Ländern überschwappen können, dass auch hier nicht nur die nationalen, sondern auch die internationalen Behörden entsprechend gefragt sind.
Schütte: Die Krise schwappt weiterhin über. Was wird Deutschland konkret zu spüren bekommen von den aktuellen Entwicklungen in den USA?
Faust: Ich sehe mehrere Gefahrenpotenziale. Das eine Gefahrenpotenzial besteht darin, dass einige deutsche Kreditinstitute ja selber im amerikanischen Hypothekenmarkt aktiv sind, die zwar gesagt haben, sie seien nicht im Subprime-Markt, aber sie sind natürlich trotzdem im größten Hypothekenmarkt der Welt entsprechend vertreten. Das Zweite ist, dass natürlich auch hier Verbriefungsaktionen stattgefunden haben, das heißt, die Kredite wurden weiterverkauft und damit weltweit breit gestreut. Auch da werden sicherlich deutsche Kreditinstitute mitzugegriffen haben. Und das Dritte ist natürlich ein konjunkturelles Problem, das durch die Hypothekenkrise aus meiner Sicht eben die Konjunktur in den USA nachhaltig auch mitgeschädigt wird. Das heißt, eine schnelle Erholung der amerikanischen Wirtschaft ist nicht so zu erwarten, und das wird natürlich auch Folgen auf die deutsche Wirtschaft haben.
Schütte: Und mit welchem Szenario rechnen Sie hier dann konkret?
Faust: Ich gehe davon aus, dass wir noch ein Jahr sicherlich abwarten müssen. Das heißt, wir brauchen in den USA wieder eine wirtschaftliche Erholung, um hier tatsächlich größere Probleme zu vermeiden. Aus meiner Sicht wird es noch ein Jahr Turbulenzen geben. Es wird keine Insolvenzen in Deutschland geben dadurch. Dadurch, dass die Risiken von den USA sehr breit gestreut wurden, betrifft es wahrscheinlich dann wie bei der Subprime-Krise viele Kreditinstitute. Aber es wird zumindest für die deutschen Kreditinstitute nicht so dramatisch sein, dass man tatsächlich dann in die Insolvenz geraten könnte.
Schütte: Den großen Bankencrash in Deutschland, den schließen Sie aus?
Faust: Den schließe ich aus. Auch dadurch, dass wir in Deutschland nie solche übertriebenen Hypothekenpreise hatten und Immobilienpreise wie in den USA, das heißt, es wird Auswirkungen haben, ja, aber sie werden nicht so dramatisch sein.
Schütte: Dennoch sind ja deutsche Banken auch in der Vergangenheit in Schieflage geraten?
Faust: Genau, das heißt, deutsche Kreditinstitute haben bei der Subprime-Krise einzelne Institute über die Wertpapiertransaktionen dort sehr stark mitgemacht. Ich glaube aber nicht, dass die Position in den USA, die Ausfallraten so hoch werden wie bei den Subprimes. Und auch hier gilt wieder, was eigentlich durchaus sehr positiv ist, dass durch die Streuung der Risiken zwar am Ende alle betroffen sind, aber keiner so dramatisch, dass es wirklich zu größeren Problemen kommen sollte.
Schütte: Martin Faust, Bankexperte und Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Martin Faust: Ja, schönen guten Morgen, Herr Schütte!
Schütte: Dass die Finanzkrise noch nicht ausgestanden war, davor haben viele gewarnt. Dennoch, dass es gleich drei Branchenriesen zur gleichen Zeit trifft, hätten Sie damit gerechnet?
Faust: Dass die Probleme noch weiter bestehen, davon bin ich ausgegangen, insbesondere aufgrund der konjunkturellen Schwäche in den USA. Dass es jetzt so dramatisch und sich so schnell entwickelt hat, das war jetzt nun nicht unbedingt vorherzusehen.
Schütte: Regierung und Notenbank haben rasch reagiert. Die Börse hat dies durchaus positiv aufgenommen. Ist das Vertrauen zunächst erst mal wieder hergestellt?
Faust: Aus meiner Sicht aber nur kurzfristig. Es ist eher eine Rettungsmaßnahme, und als solche ist es ja auch an den Märkten auch aufgenommen worden. Aus meiner Sicht ist das Misstrauen dadurch nicht gesunken, sondern die Sorge, dass es andere Institute treffen könnte, ist aus meiner Sicht sehr berechtigt.
Schütte: Von einer Spitze des Eisbergs ist die Rede. Wie viel vermuten Sie denn unterhalb der Wasseroberfläche?
Faust: Genaue Zahlen sind sicherlich problematisch vorherzusagen. Aber es ist sicherlich so, wenn wir eine konjunkturelle Krise haben, und die USA sind ja nun schon ja auf dem Wege in die Rezession und vielleicht sogar schon in der Rezession, dann führt dies automatisch eigentlich dazu, dass die Hypothekenfinanzierer Probleme bekommen. Bei diesem Mal ist es aus meiner Sicht viel dramatischer dadurch, dass zum einen die Notenbank die Zinsen über lange Jahre sehr, sehr niedrig gehalten hat, dadurch einfach die Kreditaufnahmen viel größer geworden sind, als vielleicht in früheren Jahren und darüber hinaus auch die Banken bei der Bonitätsprüfung ihrer Kunden weniger streng vorgegangen sind als vielleicht früher.
Schütte: Die USA befinden sich ja erst in einer leichten Rezession, in einer frühen Phase, könnte man sagen. Die Arbeitslosenzahlen sollen erst noch stärker ansteigen und trotzdem schon diese Probleme. Wie ist das zu bewerten?
Faust: Aus meiner Sicht ist das durchaus eine sehr kritische Situation. Wir haben jetzt aufgrund der geringen Arbeitslosigkeit schon die Schwierigkeiten, wenn es wirklich in eine Rezession käme, vielleicht haben wir ja Glück und es wird keine Rezession im Wahljahr, dann hätten wir die Situation, dass die Arbeitslosigkeit zunimmt. Bisher hatte wir ja nur eine Subprime-Krise. Das heißt, die Kredite sind ausgefallen, ein Schuldner mit einer sehr schlechten Bonität. Nun, wenn es zur Arbeitslosigkeit käme, würde auch die größere Masse der Kunden in Schwierigkeiten kommen. Und das wäre sicherlich ein gewisser Dominoeffekt, der dann ausgelöst wird.
Schütte: Das heißt, Sie sagen, bisher standen Darlehen an private Bauherrn mit geringer Kreditwürdigkeit im Blickpunkt. Inwiefern geraten denn jetzt nun gesicherte Kredite in diesen Strudel hinein oder sind vielleicht sogar schon hineingeraten?
Faust: Sie sind schon langsam hineingeraten, das heißt, die Kaufkraft der Amerikaner hat ja schon drastisch abgenommen durch die steigenden Rohstoffpreise. Das heißt, viele, die sich ja bisher ihre Hypotheken noch leisten konnten, haben jetzt auch, obwohl sie schon noch berufstätig sind, nicht mehr die Mittel, um das Ganze zu bezahlen. Hinzu kommt, dass auch die Sicherheiten, nämlich die Immobilie selber in der letzten Zeit drastisch an Wert verloren hat, sodass auch auf der Seite für keinen Ausgleich gesorgt ist. Insofern aus meiner Sicht schon ein deutliches Gefahrensignal.
Schütte: Der Chef der US-Notenbank Bernanke hat erst jetzt strengere Regeln bei der Kreditvergabe angekündigt, um Verbraucher zu schützen. Warum haben die USA Ihrer Einschätzung nach bisher so wenig getan, um den Häuser- und Hypothekenmarkt tatsächlich zu stabilisieren?
Faust: Der amerikanische Hypothekenmarkt ist ganz zentral für die Wirtschaft, und sie stehen als Notenbank natürlich jetzt zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite könnte man eine stärkere Regulierung vornehmen, auf der anderen Seite möchte man natürlich auch die Konjunktur unterstützen. Und hier hatte sich die Notenbank bisher auf die Seite der Konjunkturunterstützung geschlagen, muss nun aber einsehen, dass ihre Maßnahmen da wenig hilfreich waren, sodass man nun zwangsläufig auch auf Druck der Kapitalmärkte hier eine stärkere Regulierung durchführen muss.
Schütte: Aber die Warnungen waren ja auch vorher schon da. Das heißt, die hat die Notenbank einfach leichtsinnig in den Wind geschlagen?
Faust: Ich möchte nicht ausschließen, dass die Notenbank auch schon vorher die Probleme wusste. Nur wird eine Notenbank natürlich, wenn sie gefragt wird, immer wieder sagen, die Probleme sind nicht da. Das heißt, in dem Augenblick, selbst jetzt in den aktuellen Fällen, hat man ja noch wenige Tage vorher berichtet darüber, dass es den Instituten gut ginge, dass sie keine Eigenkapital- und Liquiditätsprobleme hätten. Eine Notenbank wird natürlich bis zuletzt immer wieder versuchen, die Probleme kleinzureden oder eben auch von vornherein zu verneinen.
Schütte: Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, hat allerdings vor einiger Zeit Zweifel geäußert an den Selbstheilungskräften des weltweiten Finanzmarktes. Inzwischen scheint es offensichtlich, dass die Märkte die Finanzmarktkrise nicht alleine in den Griff bekommen. Das heißt, der US-Regierung blieb gar keine andere Wahl als einzuschreiten?
Faust: Ja. In dem Augenblick, wo zuerst zentrale Akteure auf den Finanzmärkten und hier in den beiden Beispielen, eben Fannie Mae und Freddy Mac, in Probleme kommen, kann eine Notenbank und ein Staat nicht anders handeln. Es wäre aus meiner Sicht fatal, wenn man solch große Unternehmen durch große Banken dann in die Insolvenz führen würde. "Too big to fail" gilt tatsächlich. Bei kleineren Instituten, wie wir es in Deutschland erlebt haben, bei der IKB, hätte man sicherlich überlegen können, ob man tatsächlich eine Stützung durchführt. Aber in den USA ist die Lage im Augenblick so dramatisch, dass der Notenbank nichts anders übrig bleibt.
Schütte: Das heißt, ist die Lehre daraus, es geht nicht anders, als dass letztendlich der Steuerzahler aufkommt für leichtsinnige Kreditvergaben der Banken?
Faust: Nein. Die Lehre daraus sollte sein, dass auf der einen Seite die Notenbank, was ihre Geldpolitik anbelangt, etwas weniger großzügig sein sollte. Das Zweite ist, dass die Bankenaufsicht gestärkt werden sollte, dass man eben im Vorfeld schon es verhindert, dass es zu solchen größeren Problemen kommt. Und aus meiner Sicht eine Lehre könnte es sein auch, dass die Kreditinstitute hier auch selber ihr Risikomanagement weiter stärken. Wir sind in globalen Finanzmärkten, das heißt, insofern muss man immer damit rechnen, dass Krisen auch aus anderen Ländern überschwappen können, dass auch hier nicht nur die nationalen, sondern auch die internationalen Behörden entsprechend gefragt sind.
Schütte: Die Krise schwappt weiterhin über. Was wird Deutschland konkret zu spüren bekommen von den aktuellen Entwicklungen in den USA?
Faust: Ich sehe mehrere Gefahrenpotenziale. Das eine Gefahrenpotenzial besteht darin, dass einige deutsche Kreditinstitute ja selber im amerikanischen Hypothekenmarkt aktiv sind, die zwar gesagt haben, sie seien nicht im Subprime-Markt, aber sie sind natürlich trotzdem im größten Hypothekenmarkt der Welt entsprechend vertreten. Das Zweite ist, dass natürlich auch hier Verbriefungsaktionen stattgefunden haben, das heißt, die Kredite wurden weiterverkauft und damit weltweit breit gestreut. Auch da werden sicherlich deutsche Kreditinstitute mitzugegriffen haben. Und das Dritte ist natürlich ein konjunkturelles Problem, das durch die Hypothekenkrise aus meiner Sicht eben die Konjunktur in den USA nachhaltig auch mitgeschädigt wird. Das heißt, eine schnelle Erholung der amerikanischen Wirtschaft ist nicht so zu erwarten, und das wird natürlich auch Folgen auf die deutsche Wirtschaft haben.
Schütte: Und mit welchem Szenario rechnen Sie hier dann konkret?
Faust: Ich gehe davon aus, dass wir noch ein Jahr sicherlich abwarten müssen. Das heißt, wir brauchen in den USA wieder eine wirtschaftliche Erholung, um hier tatsächlich größere Probleme zu vermeiden. Aus meiner Sicht wird es noch ein Jahr Turbulenzen geben. Es wird keine Insolvenzen in Deutschland geben dadurch. Dadurch, dass die Risiken von den USA sehr breit gestreut wurden, betrifft es wahrscheinlich dann wie bei der Subprime-Krise viele Kreditinstitute. Aber es wird zumindest für die deutschen Kreditinstitute nicht so dramatisch sein, dass man tatsächlich dann in die Insolvenz geraten könnte.
Schütte: Den großen Bankencrash in Deutschland, den schließen Sie aus?
Faust: Den schließe ich aus. Auch dadurch, dass wir in Deutschland nie solche übertriebenen Hypothekenpreise hatten und Immobilienpreise wie in den USA, das heißt, es wird Auswirkungen haben, ja, aber sie werden nicht so dramatisch sein.
Schütte: Dennoch sind ja deutsche Banken auch in der Vergangenheit in Schieflage geraten?
Faust: Genau, das heißt, deutsche Kreditinstitute haben bei der Subprime-Krise einzelne Institute über die Wertpapiertransaktionen dort sehr stark mitgemacht. Ich glaube aber nicht, dass die Position in den USA, die Ausfallraten so hoch werden wie bei den Subprimes. Und auch hier gilt wieder, was eigentlich durchaus sehr positiv ist, dass durch die Streuung der Risiken zwar am Ende alle betroffen sind, aber keiner so dramatisch, dass es wirklich zu größeren Problemen kommen sollte.
Schütte: Martin Faust, Bankexperte und Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Ich danke Ihnen für das Gespräch!