Christoph Heinemann: Morgen, Samstag, 18 Uhr und vor allem Sonntagabend sollten Sie keine alten Bekannten anrufen. Das könnte ein kurzes Wiederhören werden, denn am Wochenende beginnt das größte öffentliche europäische Expertentreffen: die Fußball-Europameisterschaft. Die Ausgangslage ist schnell beschrieben: viermal vier Nationen gehen an den Start. Unter Aufsicht eines Herrn in Schwarz kämpfen zwei Mannschaften zu jeweils elf Spieler darum, das Runde in das Eckige zu befördern, und diese Bemühung endet in der Regel nach 90 Minuten. Es gibt Sportarten, die schwieriger zu beschreiben sind, aber kaum eine reißt so viele Menschen vom Hocker. Erinnern Sie sich: 1996, das EM-Finale in London - Deutschland-Tschechien.
Das goldene Tor gibt es nicht mehr. Ein berühmtes hat aber bei der WM 2003 Nia Künzer erzielt. Sie ist Mittelfeldspielerin des 1. FFC Frankfurt, deutsche Meisterin, Pokalsiegerin, Europa- und Weltmeisterin. Guten Morgen!
Nia Künzer: Guten Morgen!
Heinemann: Frau Künzer, rechnen Sie mit einem Sommermärchen?
Künzer: Das schon, aber vielleicht nicht mit einem deutschen Sommermärchen.
Heinemann: Sondern?
Künzer: Ich glaube, dass es ganz schwierig werden wird. Eine Europameisterschaft ist ja schon fast schwieriger als eine Weltmeisterschaft, weil es direkt schon in der Gruppe sehr schwer werden kann. Von daher weiß ich nicht: Frankreich, Italien, Spanien. Das sind sicherlich alles hochkarätige Mannschaften.
Heinemann: Und die Deutschen?
Künzer: Ist auch eine hochkarätige Mannschaft, die sicherlich auch in den engeren oder weiteren Favoritenkreis zu zählen ist. Aber es muss halt eben alles perfekt laufen, um so ein Turnier zu gewinnen, und das versuchen natürlich die anderen auch.
Heinemann: Mit welcher Taktik sollten Michael Ballack und die seinen gegen die Polen, die ersten Gegner in Klagenfurt, antreten?
Künzer: Ich glaube, dass das ein ganz wichtiges Spiel wird. Die Deutschen haben jetzt schon länger kein Europameisterschaftsspiel mehr gewonnen. Von daher wäre es schon wichtig, mit einem Sieg zu starten. Das heißt, man muss darauf achten, dass man hinten in der Defensive sehr gut steht - da gab es ja in den letzten Spielen noch einige Probleme -, dass man sich da findet sozusagen als Abwehrverbund, und in der Offensive wird sich der Rest, glaube ich, ergeben, weil Tore machen, das können die Deutschen.
Heinemann: Welche Probleme gibt es in der Defensive?
Künzer: Man hat gesehen: Christoph Metzelder ist noch nicht so lange wieder im Training, hat eine längere Verletzungspause hinter sich und musste sich quasi jetzt in den letzten Wochen richtig ranarbeiten. Von daher gab es da noch leichtere Abstimmungsprobleme. Mertesacker sah ein bisschen müde aus von der harten Vorbereitung und auch von der harten Saison. Von daher hoffe ich, dass die deutsche Mannschaft die letzten Tage gut nutzen wird und dass es dann alles passt.
Heinemann: Und Jens Lehmann hat den englischen Rasen auch schon länger nicht betreten. Muss dahinten noch zusammenwachsen, was zusammen gehören sollte?
Künzer: Ja, auf jeden Fall. Es ist vielleicht eine ungewöhnliche Ausgangssituation mit einem Torwart, der nicht regelmäßig gespielt hat. Aber ich glaube, er ist erfahren genug und cool genug, dass er das quasi ausschalten kann und sich ganz auf die Spiele konzentrieren kann.
Heinemann: Gehört Lukas Podolski ins Mittelfeld wie in seinen Kölner Zeiten, oder ist er eher ein lupenreiner Stürmer für Sie?
Künzer: Von vornherein will ich erst mal sagen ist er schon Stürmer. Man kann ihn sicherlich - er hat es ja gezeigt - auch mal im Mittelfeld bringen, aber ich glaube, er sieht sich selbst auch eher als Stürmer. Von daher: Zur Gewohnheit wird es wahrscheinlich im Mittelfeld nicht werden.
Heinemann: Frau Künzer, Michael Ballack hat vor dem letzten Spiel klare Ansagen gemacht. Die Testformation müsse auch die Mannschaft für den Ernstfall sein. Wie stark ist die Position des Kapitäns?
Künzer: Im Moment habe ich das Gefühl, dass er vielleicht präsenter als jemals zuvor ist. Die Medien geben ihm da auch etwas Unterstützung. Man hat gemerkt, in Chelsea kommt er immer besser in Fahrt. Er übernimmt so schon die Rolle des Leithammels, möchte ich mal sagen, und die ist sicherlich auch ganz wichtig, weil er im Moment die einzige Person ist, die vielleicht die Mannschaft führen kann.
Heinemann: Welcher Spielraum bleibt für den Bundestrainer?
Künzer: Ich glaube, er hat schon Spielraum, und er ist ja ein Fußballfachmann. Von daher wird er sich auch mit seinem Team-Captain besprechen und die richtigen Entscheidungen treffen. Er ist letztendlich derjenige, der die Verantwortung tragen muss, und er wird die richtigen Entscheidungen treffen.
Heinemann: Schauen wir noch mal auf die anderen Mannschaften. Wie schätzen Sie die Gastgeber ein?
Künzer: Ja, die Gastgeber - das ist glaube ich ein bisschen schwieriger. Sie werden glaube ich von den Bewohnern selbst nicht so sehr gut eingeschätzt. Aber ich würde mich natürlich freuen, wenn sie zumindest die Vorrunde überstehen würden, weil man hat es 2006 bei uns gesehen, was für eine ganz herrliche Atmosphäre sich entwickelt, wenn der Gastgeber lange im Turnier oder länger im Turnier dabei bleibt.
Heinemann: Und umgekehrt: die Deutschen sind bei den Österreichern und bei den Schweizern nicht übermäßig beliebt. Spüren Spieler so etwas?
Künzer: Ich glaube eigentlich nicht. Ich glaube, dass man sich, wenn das Spiel angepfiffen ist, sowieso auf das Wesentliche konzentriert. Vielleicht merkt man die eine oder andere Schlagzeile, aber ich glaube nicht, dass das Gros der Zuschauer da jetzt irgendwie sich negativ äußern wird. Manchmal ist es ja sogar motivierend, wenn mehr gegen einen sind als für einen.
Heinemann: Wie ist das überhaupt bei so einem internationalen Turnier? Unter welchem Druck stehen Nationalspieler?
Künzer: Je nachdem was die Erwartungshaltung ist, von der Öffentlichkeit und von den Medien.
Heinemann: Ja nun, die ist ja groß!
Künzer: Ja, wobei bei den Deutschen ist die immer groß. Das ist selbstverständlich. Aber viele Spieler sind das natürlich auch gewöhnt. Gerade Spieler von Bayern München, Michael Ballack bei Chelsea, die sind gewohnt, mit einem sehr hohen Druck umzugehen, und ich denke, das wird auch so bei der EM sein. Da zählt im Endeffekt im Endeffekt dann nur das Spiel.
Heinemann: Chelsea haben Sie gerade genannt. Das Mutterland des Fußballs verfügt über die besten Mannschaften - Chelsea, Manchester, Arsenal und so weiter - , aber bei der Europameisterschaft ist England nicht mit von der Partie. Warum schafft die Nationalmannschaft nicht, was den Vereinen so überragend gelingt?
Künzer: Das müsste dem englischen Verband schon zu denken geben. Ihre Vereinsmannschaften spielen im europäischen Spitzenfußball, aber die Nationalmannschaft schafft es nicht. Wenn man es genau beobachtet, sieht man natürlich, dass in den Spitzenvereinen in England nur noch relativ wenige Engländer spielen. Vielleicht ist das ein Grund. Aber es gibt auch andere Nationen mit sehr viel Ausländern in den Vereinsmannschaften, die bekommen es hin. In England ist das eine sehr bedenkliche Entwicklung und auch wirklich schade, weil ich persönlich vermisse die schon beim großen Turnier.
Heinemann: Und was machen die falsch? Zu wenig Jugendarbeit oder was?
Künzer: Was die Jugendarbeit angeht, kann ich hier jetzt nichts Genaueres sagen. Ich kann mir schon vorstellen, dass auch große Mannschaften wie Chelsea und Liverpool eine sehr gute Jugendarbeit haben. Letztendlich schaffen es nur leider sehr wenig englische Spieler in die A-Mannschaft ihrer Vereine. Das ist sicherlich ein Problem. Nicht ohne Grund hat die FIFA eine Sechs-plus-fünf-Regelung verabschiedet, dass sechs einheimische Spieler in der Anfangsformation stehen müssen.
Heinemann: Frau Künzer, aber auch in Deutschland gilt: Die Frauennationalmannschaft ist wesentlich erfolgreicher als die Männer-Elf - jedenfalls zurzeit. Können die Jungs von den Fußballerinnen etwas lernen?
Künzer: Was die Erfolge angeht sicherlich. Ich denke, da hat sich die deutsche Frauennationalmannschaft in den letzten Jahren wirklich von der besten Seite gezeigt. Da jetzt direkt was abzukupfern, ist glaube ich ein bisschen übertrieben, aber Tatsache ist, dass wir immer einen sehr guten Teamgeist haben und auch die Fähigkeit haben, uns in großen Turnieren zu steigern. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass man immer noch während des Turniers das Potenzial hat, sich zu steigern.
Heinemann: Und das geht vor allen Dingen durch Mannschaftsgeist, oder wie steigert man sich innerhalb eines Turniers? Die Kräfte müssten doch eigentlich schwinden.
Künzer: Zum einen ist es natürlich trainingswissenschaftlich, dass man auf dem Punkt und damit in den wichtigsten Spielen topfit ist. Aber es ist sicherlich auch eine Kopfsache. Wie gesagt wie im Puzzle muss eins zum andern passen. Nur so kann man quasi ein Turnier perfekt bestreiten und gewinnen. Da gehören nicht nur die 20 oder 22 Spieler oder Spielerinnen dazu, sondern das ganze Team mit Physiotherapeuten, mit Trainerstab. Ja, das ist schon eine ganz, ganz heikle Aufgabe.
Heinemann: Frau Künzer, Sie persönlich müssen sich den Genuss des ersten Spiels der deutschen Nationalmannschaft bei dieser EM noch hart erarbeiten, nämlich im entscheidenden Spiel Duisburg gegen Frankfurt am Sonntag. Droht die Frauen-Fußballmeisterschaft im EM-Rummel unterzugehen?
Künzer: Es ist sicherlich für alle Sportarten oder überhaupt alle Sachen oder Dinge, die geschehen, zu dieser Zeit sehr schwierig, sich dagegen durchzusetzen. Aber ich habe da jetzt keinen Bammel vor. Wir konzentrieren uns auf das vielleicht vorentscheidende Spiel gegen Duisburg, und ich denke, auch das wird die gerechte Aufmerksamkeit bekommen.
Heinemann: Nia Künzer vom 1. FFC Frankfurt. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Künzer: Gerne!
Das goldene Tor gibt es nicht mehr. Ein berühmtes hat aber bei der WM 2003 Nia Künzer erzielt. Sie ist Mittelfeldspielerin des 1. FFC Frankfurt, deutsche Meisterin, Pokalsiegerin, Europa- und Weltmeisterin. Guten Morgen!
Nia Künzer: Guten Morgen!
Heinemann: Frau Künzer, rechnen Sie mit einem Sommermärchen?
Künzer: Das schon, aber vielleicht nicht mit einem deutschen Sommermärchen.
Heinemann: Sondern?
Künzer: Ich glaube, dass es ganz schwierig werden wird. Eine Europameisterschaft ist ja schon fast schwieriger als eine Weltmeisterschaft, weil es direkt schon in der Gruppe sehr schwer werden kann. Von daher weiß ich nicht: Frankreich, Italien, Spanien. Das sind sicherlich alles hochkarätige Mannschaften.
Heinemann: Und die Deutschen?
Künzer: Ist auch eine hochkarätige Mannschaft, die sicherlich auch in den engeren oder weiteren Favoritenkreis zu zählen ist. Aber es muss halt eben alles perfekt laufen, um so ein Turnier zu gewinnen, und das versuchen natürlich die anderen auch.
Heinemann: Mit welcher Taktik sollten Michael Ballack und die seinen gegen die Polen, die ersten Gegner in Klagenfurt, antreten?
Künzer: Ich glaube, dass das ein ganz wichtiges Spiel wird. Die Deutschen haben jetzt schon länger kein Europameisterschaftsspiel mehr gewonnen. Von daher wäre es schon wichtig, mit einem Sieg zu starten. Das heißt, man muss darauf achten, dass man hinten in der Defensive sehr gut steht - da gab es ja in den letzten Spielen noch einige Probleme -, dass man sich da findet sozusagen als Abwehrverbund, und in der Offensive wird sich der Rest, glaube ich, ergeben, weil Tore machen, das können die Deutschen.
Heinemann: Welche Probleme gibt es in der Defensive?
Künzer: Man hat gesehen: Christoph Metzelder ist noch nicht so lange wieder im Training, hat eine längere Verletzungspause hinter sich und musste sich quasi jetzt in den letzten Wochen richtig ranarbeiten. Von daher gab es da noch leichtere Abstimmungsprobleme. Mertesacker sah ein bisschen müde aus von der harten Vorbereitung und auch von der harten Saison. Von daher hoffe ich, dass die deutsche Mannschaft die letzten Tage gut nutzen wird und dass es dann alles passt.
Heinemann: Und Jens Lehmann hat den englischen Rasen auch schon länger nicht betreten. Muss dahinten noch zusammenwachsen, was zusammen gehören sollte?
Künzer: Ja, auf jeden Fall. Es ist vielleicht eine ungewöhnliche Ausgangssituation mit einem Torwart, der nicht regelmäßig gespielt hat. Aber ich glaube, er ist erfahren genug und cool genug, dass er das quasi ausschalten kann und sich ganz auf die Spiele konzentrieren kann.
Heinemann: Gehört Lukas Podolski ins Mittelfeld wie in seinen Kölner Zeiten, oder ist er eher ein lupenreiner Stürmer für Sie?
Künzer: Von vornherein will ich erst mal sagen ist er schon Stürmer. Man kann ihn sicherlich - er hat es ja gezeigt - auch mal im Mittelfeld bringen, aber ich glaube, er sieht sich selbst auch eher als Stürmer. Von daher: Zur Gewohnheit wird es wahrscheinlich im Mittelfeld nicht werden.
Heinemann: Frau Künzer, Michael Ballack hat vor dem letzten Spiel klare Ansagen gemacht. Die Testformation müsse auch die Mannschaft für den Ernstfall sein. Wie stark ist die Position des Kapitäns?
Künzer: Im Moment habe ich das Gefühl, dass er vielleicht präsenter als jemals zuvor ist. Die Medien geben ihm da auch etwas Unterstützung. Man hat gemerkt, in Chelsea kommt er immer besser in Fahrt. Er übernimmt so schon die Rolle des Leithammels, möchte ich mal sagen, und die ist sicherlich auch ganz wichtig, weil er im Moment die einzige Person ist, die vielleicht die Mannschaft führen kann.
Heinemann: Welcher Spielraum bleibt für den Bundestrainer?
Künzer: Ich glaube, er hat schon Spielraum, und er ist ja ein Fußballfachmann. Von daher wird er sich auch mit seinem Team-Captain besprechen und die richtigen Entscheidungen treffen. Er ist letztendlich derjenige, der die Verantwortung tragen muss, und er wird die richtigen Entscheidungen treffen.
Heinemann: Schauen wir noch mal auf die anderen Mannschaften. Wie schätzen Sie die Gastgeber ein?
Künzer: Ja, die Gastgeber - das ist glaube ich ein bisschen schwieriger. Sie werden glaube ich von den Bewohnern selbst nicht so sehr gut eingeschätzt. Aber ich würde mich natürlich freuen, wenn sie zumindest die Vorrunde überstehen würden, weil man hat es 2006 bei uns gesehen, was für eine ganz herrliche Atmosphäre sich entwickelt, wenn der Gastgeber lange im Turnier oder länger im Turnier dabei bleibt.
Heinemann: Und umgekehrt: die Deutschen sind bei den Österreichern und bei den Schweizern nicht übermäßig beliebt. Spüren Spieler so etwas?
Künzer: Ich glaube eigentlich nicht. Ich glaube, dass man sich, wenn das Spiel angepfiffen ist, sowieso auf das Wesentliche konzentriert. Vielleicht merkt man die eine oder andere Schlagzeile, aber ich glaube nicht, dass das Gros der Zuschauer da jetzt irgendwie sich negativ äußern wird. Manchmal ist es ja sogar motivierend, wenn mehr gegen einen sind als für einen.
Heinemann: Wie ist das überhaupt bei so einem internationalen Turnier? Unter welchem Druck stehen Nationalspieler?
Künzer: Je nachdem was die Erwartungshaltung ist, von der Öffentlichkeit und von den Medien.
Heinemann: Ja nun, die ist ja groß!
Künzer: Ja, wobei bei den Deutschen ist die immer groß. Das ist selbstverständlich. Aber viele Spieler sind das natürlich auch gewöhnt. Gerade Spieler von Bayern München, Michael Ballack bei Chelsea, die sind gewohnt, mit einem sehr hohen Druck umzugehen, und ich denke, das wird auch so bei der EM sein. Da zählt im Endeffekt im Endeffekt dann nur das Spiel.
Heinemann: Chelsea haben Sie gerade genannt. Das Mutterland des Fußballs verfügt über die besten Mannschaften - Chelsea, Manchester, Arsenal und so weiter - , aber bei der Europameisterschaft ist England nicht mit von der Partie. Warum schafft die Nationalmannschaft nicht, was den Vereinen so überragend gelingt?
Künzer: Das müsste dem englischen Verband schon zu denken geben. Ihre Vereinsmannschaften spielen im europäischen Spitzenfußball, aber die Nationalmannschaft schafft es nicht. Wenn man es genau beobachtet, sieht man natürlich, dass in den Spitzenvereinen in England nur noch relativ wenige Engländer spielen. Vielleicht ist das ein Grund. Aber es gibt auch andere Nationen mit sehr viel Ausländern in den Vereinsmannschaften, die bekommen es hin. In England ist das eine sehr bedenkliche Entwicklung und auch wirklich schade, weil ich persönlich vermisse die schon beim großen Turnier.
Heinemann: Und was machen die falsch? Zu wenig Jugendarbeit oder was?
Künzer: Was die Jugendarbeit angeht, kann ich hier jetzt nichts Genaueres sagen. Ich kann mir schon vorstellen, dass auch große Mannschaften wie Chelsea und Liverpool eine sehr gute Jugendarbeit haben. Letztendlich schaffen es nur leider sehr wenig englische Spieler in die A-Mannschaft ihrer Vereine. Das ist sicherlich ein Problem. Nicht ohne Grund hat die FIFA eine Sechs-plus-fünf-Regelung verabschiedet, dass sechs einheimische Spieler in der Anfangsformation stehen müssen.
Heinemann: Frau Künzer, aber auch in Deutschland gilt: Die Frauennationalmannschaft ist wesentlich erfolgreicher als die Männer-Elf - jedenfalls zurzeit. Können die Jungs von den Fußballerinnen etwas lernen?
Künzer: Was die Erfolge angeht sicherlich. Ich denke, da hat sich die deutsche Frauennationalmannschaft in den letzten Jahren wirklich von der besten Seite gezeigt. Da jetzt direkt was abzukupfern, ist glaube ich ein bisschen übertrieben, aber Tatsache ist, dass wir immer einen sehr guten Teamgeist haben und auch die Fähigkeit haben, uns in großen Turnieren zu steigern. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass man immer noch während des Turniers das Potenzial hat, sich zu steigern.
Heinemann: Und das geht vor allen Dingen durch Mannschaftsgeist, oder wie steigert man sich innerhalb eines Turniers? Die Kräfte müssten doch eigentlich schwinden.
Künzer: Zum einen ist es natürlich trainingswissenschaftlich, dass man auf dem Punkt und damit in den wichtigsten Spielen topfit ist. Aber es ist sicherlich auch eine Kopfsache. Wie gesagt wie im Puzzle muss eins zum andern passen. Nur so kann man quasi ein Turnier perfekt bestreiten und gewinnen. Da gehören nicht nur die 20 oder 22 Spieler oder Spielerinnen dazu, sondern das ganze Team mit Physiotherapeuten, mit Trainerstab. Ja, das ist schon eine ganz, ganz heikle Aufgabe.
Heinemann: Frau Künzer, Sie persönlich müssen sich den Genuss des ersten Spiels der deutschen Nationalmannschaft bei dieser EM noch hart erarbeiten, nämlich im entscheidenden Spiel Duisburg gegen Frankfurt am Sonntag. Droht die Frauen-Fußballmeisterschaft im EM-Rummel unterzugehen?
Künzer: Es ist sicherlich für alle Sportarten oder überhaupt alle Sachen oder Dinge, die geschehen, zu dieser Zeit sehr schwierig, sich dagegen durchzusetzen. Aber ich habe da jetzt keinen Bammel vor. Wir konzentrieren uns auf das vielleicht vorentscheidende Spiel gegen Duisburg, und ich denke, auch das wird die gerechte Aufmerksamkeit bekommen.
Heinemann: Nia Künzer vom 1. FFC Frankfurt. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Künzer: Gerne!