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Totengräber-Käfer
Weibchen lassen Männchen während der Brutpflege abblitzen

Die Weibchen der Totengräber-Käfer bringen die Männchen mit einem ganz bestimmten Verhalten dazu, sich voll und ganz ihrer Vaterrolle zu widmen. Wissenschaftler der Universität Ulm haben herausgefunden, dass sie während der Brutpflege unfruchtbar werden und den Männchen Duftstoffe senden, die sie von Annäherungsversuchen abhalten.

Von Christine Westerhaus | 23.03.2016
    Der gemeine Totengräberkäfer sitzt auf einem Blatt.
    Welcher Mechanismus bewirkt, dass fürsorgende Totengräber-Weibchen ihre Männchen abblitzen lassen, ist noch unklar. (Imago / blickwinkel)
    Der Totengräber ist ein Käfer mit morbiden Eigenschaften. Findet er im Wald eine tote Maus oder einen Vogel, verbuddelt er den Kadaver im Boden und konserviert ihn mit Mundsekreten. Dabei hilft ihm meist ein Weibchen: Sie kopulieren häufig miteinander und verdauen das Aas gemeinsam für den späteren Nachwuchs vor.
    Sandra Steiger von der Universität Ulm und ihre Kollegen haben sich die Brutpflege der Totengräber genauer angesehen und dabei beobachtet, dass die Weibchen unfruchtbar werden, sobald sie sich um geschlüpfte Larven kümmern müssen. Derweil bringen sie die Männchen dazu, sich voll und ganz ihrer Vaterrolle widmen zu können.
    "Das wirklich Witzige oder Schöne an der Geschichte ist einfach, dass sie ihren Reproduktionsstatus auch ihrem männlichen Partner kommunizieren mit einem chemischen Signal. Und er weiß dann einfach, sie macht jetzt Brutpflege, es bringt jetzt eh nichts, mit ihr zu kopulieren, weil sie produziert keine Eier und tatsächlich kopuliert er dann auch nicht mehr während dieser Zeit. Und beide Eltern können damit eben richtig gut in Brutpflege investieren und müssen nicht in die Paarung Zeit und Aufwand investieren."
    Dass dieser Aufwand bei Totengräbern ganz enorm zu Buche schlägt, wussten die Forscher bereits aus Videoaufnahmen. Sie hatten die Käfer mehrere Tage lang bei der Paarung beobachtet:
    "Am Anfang, wenn die so ein Aas eingraben, kopuliert der extrem häufig. Also insgesamt kopuliert er 170 mal mit ihr, aber sobald dann die Larven da sind, hört er komplett auf. Wenn man jetzt zum Beispiel die Larven wegnimmt, dann produziert das Weibchen wieder Eier und das Männchen kopuliert auch sofort wieder, also der merkt das sofort und in der Konstellation kopuliert er dann über 300 mal mit ihr während des gleichen Zeitraums. Also das ist extrem."
    Der Botenstoff, der die Weibchen zeitweilig unfruchtbar macht, ist das sogenannte Juvenilhormon. Es steuert bei Insekten auch die Metamorphose, also die Verwandlung einer Larve in einen Käfer. Das Juvenilhormon ist auch dafür verantwortlich, dass die Weibchen Duftstoffe produzieren, die Männchen von Annäherungsversuchen abhalten. Doch welcher Mechanismus bewirkt, dass fürsorgende Totengräber ihre Männchen abblitzen lassen, ist unklar:
    "Wir wissen, dass die Larven ein Bettelverhalten zeigen, also die strecken ihren Kopf hoch und gehen mit ihren Beinchen im Prinzip an die Mundwerkzeuge der Mutter, um an Nahrung zu kommen von der Mutter. Also sie merkt schon, dass Larven da sind und es könnte also einfach mechanisch sein, durch die Beinchen von den Kinderchen, aber es könnte auch sein, dass die Larven ebenfalls chemische Signale abgeben, was sie auch bestimmt tun, aber wir wissen nicht genau, was verantwortlich dafür ist."
    Während sie die Larven füttern, reiben die Weibchen oftmals mit ihren Hinterbeinen an einer Kante und erzeugen dabei ein Geräusch. Warum sie das tun, wissen die Forscher nicht genau. Klar ist aber, dass die Weibchen ganz genau im Überblick haben, ob ihre Kinderschar noch vollzählig ist. Denn als die Forscher ein paar der Larven entfernten, legten die Weibchen wenig später neue Eier. Offenbar sind sie in der Lage, abschätzen zu können, wie viele Larven sie von einem gefundenen Kadaver ernähren können. Schlüpfen zu viele Raupen, tötet die Weibchen sogar ein paar von ihnen.
    "Wir finden das extrem faszinierend - also wir denken nicht, dass sie wirklich zählen können. Aber irgendwie muss sie abschätzen können, wie viele Larven sie hat. Also vielleicht auch wieder über chemische Signale, jede Larve gibt vielleicht etwas ab und dann kann sie über die Quantität bestimmen, wie viele Nachkommen sie im Moment hat, aber wir müssen wirklich das mal in Zukunft weiter untersuchen, wie sie das genau machen kann."
    Sandra Steiger hält es für sehr wahrscheinlich, dass die Larven ihre Mütter aktiv manipulieren, damit sie keine weiteren Eier legen. Aus biologischer Sicht würde das Sinn machen, denn je weniger Geschwister, umso mehr vorverdautes Aas bleibt für sie selber übrig.