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Tour de France
Die Qualitäten des Julian Alaphilippe

Der französische Radprofi Julian Alaphilippe ist ein Attacke-Fahrer. Er ist es auch, weil er es darf, weil sein Team Deceuninck Quick Step auf Tagessiege aus ist und nicht auf das Podium in Paris schielt - obwohl Alaphilippe das gelbe Trikot des Spitzenreiters trägt.

Von Tom Mustroph | 16.07.2019
    Julian Alaphilippe bei der Siegerehrung nach der zehnten Etappe der Tour de France 2019
    Julian Alaphilippe bei der Siegerehrung nach der zehnten Etappe (Peter De Voecht/imago images / Panoramic International)
    Business as usual bei der Tour de France. Zwei Profis vom Team Ineos, dem Nachfolgerennstall von Sky, liegen im Gesamtklassement vorn. Nur ein Mann liegt noch vor ihnen: Julian Alaphilippe. Der Franzose wird von den Briten aber nicht gefürchtet, sondern geschätzt.
    "Er ist brilliant, absolut fantastisch. Er ist der Beste in der Welt in den Dingen, die er kann. Und er macht das weiter und es ist fantastisch, das zu beobachten."
    Diese Lobeshymne stammt von David Brailsford, dem Teamchef von Ineos. Das, was der Mann in Gelb besser kann als alle anderen: Er kommt superschnell die kleineren Anstiege hoch. Auch Michal Kwiatkowski, einer der Fahrer im Team Ineos, ist von Alaphilippe begeistert:
    "Er ist ein superdynamischer Fahrer, der solche Berge liebt. Wenn man sich an Sanremo erinnert und an die anderen Klassiker, dort hat er einen enormen Punch, und es ist sehr schwer ihm zu folgen. In dieser Saison ist das besonders schwer auf diesen kleinen Anstiegen."
    Julian Alaphilippe und Michal Kwiatkowski fahren nebeneinander
    Julian Alaphilippe (links) und Michal Kwiatkowski (rechts) (YORICK JANSENS/imago images / Belga)
    Deshalb fürchtet man ihn bei Ineos auch nicht als Rivalen für das Gesamtklassement. In den Alpen und Pyrenäen wird Alaphilippe nicht standhalten. Dafür trainiert er auch nicht, weil er das Kalkulieren und Abwarten der Klassementfahrer einfach nicht schätzt. Selbst glaubt Julian Alaphilippe auch nicht, dass er das Gelbe Trikot noch in Paris hat:
    "Ich denke, dieses Trikot ehrt den, der es trägt und es macht mich auch glücklich. Aber ich werde nicht, nur weil ich jetzt trage, die Tour de France gewinnen. Ich denke, es wird der gewinnen, der zu Beginn der Tour schon gute Form hatte, der aber immer noch frisch ist, und das ist bei mir nicht der Fall."
    "Wir sind anders aufgestellt."
    Aufatmen also bei Ineos. Michal Kwiatkowski, der Helfer bei den Briten, hat ähnliche Qualitäten wie Alaphilippe. Der frühere Weltmeister setzt seine Klasse aber dazu ein, anderen zu helfen. Kwiatkowski sagt:
    "Es gibt Tage, da fährt man auf Sieg, und andere, an denen man für die Anderen zu fahren hat. So ist das im Radsport. Wenn du das nicht verstehst, dann wirst du nie ein großer Kapitän werden. Wir arbeiten immer für den Besten, der in der Lage ist, die größten Rennen zu gewinnen. Das erfordert auch persönliche Opfer. Jeder im Team versteht das."
    Alaphilippe liebt die Attacke. Einer wie er hätte beim Kalkuliererteam Ineos gar keinen Platz, erläutert Brailsford:
    "Unser Team ist etwas anders aufgestellt. Wir sind hier fürs Gesamtklassement. Wir sind nicht auf Tagessiege aus. Und es ist fair zu sagen, dass er dort, wo er ist, besser aufgehoben ist, als er es bei uns wäre. Das ist sicher."
    Daivd Brailsford, General Manager des Teams Ineos
    Daivd Brailsford, General Manager des Teams Ineos (Nico Vereecken/imago images / Panoramic International)
    Das Team formt also auch den Fahrer. Mit den Möglichkeiten, die es ihm gibt, und denen, die die Teamtaktik ihm verwehrt. Alaphilippe ist nur so gut, weil sein Team Deceuninck Quick Step ihm die Freiheiten gibt. Ineos hingegen will den Jackpot in Paris. Mit Helfern, die auf die eigene Glorie verzichten.