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Tower of Power

Technik. - Die Petronas Towers in Kuala Lumpur oder der Taipeh 101 in Taiwan mit seinen 508 Metern werden eher mickrig wirken, wenn die Pläne australischer Ingenieure denn wirklich umgesetzt werden: im Outback vor Melbourne soll ein 1000 Meter hohes Aufwindkraftwerk entstehen.

Von Ralf Krauter | 06.09.2005
    Früher war Roger Davey Börsenmakler. Heute ist er Visionär. Wer den Chef der Firma EnviroMission in Melbourne besucht, trifft einen Mann um die 50, dessen Augen hinter der Brille vor Begeisterung funkeln. Und wahrscheinlich ist das auch gut so, denn Roger Davey will höher hinaus als andere. Viel höher.

    "Wir wollen den höchsten Turm der Welt bauen. Dieser Turm ist Teil eines der weltweit größten Projekte zur Nutzung von Solarenergie. Wir planen ein Solarkraftwerk mit 200 Megawatt Leistung – genug, um 200 000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Es ist ein ziemlich großes Projekt."

    Ziemlich groß ist auch der Flächenbedarf. Denn der Turm ist nur eine zentrale Komponente des solarthermischen Aufwindkraftwerkes, das Roger Davey bauen will. Die zweite befindet sich am Boden: Ein kreisförmiges Glasdach mit sieben Kilometern Durchmesser, in dessen Zentrum der Turm steht. Die Entwürfe des Megaprojektes erinnern an eine überdimensionale Sonnenuhr.

    "Der Solarturm hat einen Durchmesser von 120 Metern und ist einen Kilometer hoch. Am Boden befindet sich rund herum ein riesiges Dach aus durchsichtigem Material. Die Sonne erwärmt die Luft darunter – wie in einem Treibhaus. Die warme Luft steigt auf und weil das Dach in der Nähe des Turms nach oben gewölbt ist, strömt sie ins Zentrum der Konstruktion, durch große Öffnungen unten in den Turm. Dort befinden sich 32 Windturbinen. Die Luft wird durch den Kamin nach oben gesaugt und setzt die Turbinen in Bewegung. Das Ganze ist also ein Windkraftwerk, das seinen eigenen Wind erzeugt."

    Modellrechnungen zufolge wird die Luft unter dem Glasdach bei maximaler Sonneneinstrahlung um 18 Grad Celsius erwärmt. Der kontinuierliche Luftstrom ins Zentrum erreicht bis zu 40 Kilometer pro Stunde. Und Wärmespeicher am Boden halten die Luftzirkulation auch nachts in Gang. Dass solche Aufwindkraftwerke in der Praxis funktionieren, wurde bereits im spanischen Manzanares getestet. 1982 wurde dort eine 50 Kilowatt-Pilotanlage errichtet. Die Federführung hatte das Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich, Bergermann und Partner, das für seine Aufsehen erregenden Glaskonstruktionen bekannt ist. Der Solarturm in Manzanares ist 195 Meter hoch, der Kollektor aus Glas und transparenter Folie hat 240 Meter Durchmesser. Die Anlage lief mehrere Jahre weitgehend problemlos, aber inwieweit sich die Erkenntnisse auf ein Aufwindkraftwerk mit 760 mal größerer Kollektorfläche übertragen lassen, ist unter Experten umstritten.

    Einig ist man sich immerhin darin, dass das australische 200 Megawatt-Kraftwerk im Prinzip machbar ist. Der Bau eines 1000 Meter hohen Turms aus Stahlbeton ist mit gleitenden Schalungen, wie sie beim Bau von Kühltürmen verwendet werden, kein unlösbares Problem. Auch die riesige Dachkonstruktion aus Glas und transparenter Folie scheint machbar. Spezielle Beschichtungen sollen sicherstellen, dass ein Regenguss genügt, um Schmutz und Staub herunter zu waschen. Die Frage, die den Ex-Börsianer Roger Davey am meisten beschäftigt, ist eine andere: Lässt sich mit so einem Kraftwerk Geld verdienen?

    "Derzeit spielen wir technische Varianten durch, mit dem Ziel, die Effizienz der Energieerzeugung zu steigern. Denn ein höherer Wirkungsgrad steigert den Profit und macht das Ganze attraktiver für Investoren."

    Und das scheint dringend nötig, denn die Geldgeber lassen weiter auf sich warten – kein Wunder bei Investitionskosten um 600 Millionen Euro. In Melbourne stellt man sich deshalb darauf ein, erst einmal kleinere Brötchen zu backen. EnviroMission plant eine deutlich geschrumpfte 25 Megawatt-Version des Solarturms. Der wäre bloß 750 Meter hoch und hätte einen Kollektordurchmesser von knapp drei Kilometern. Der Bonus des Weltrekords wäre dann aber wohl futsch. In Spanien sind Anlagen vergleichbarer Größe in Planung. Und aufgrund massiver staatlicher Förderung sind die Chancen für eine baldige Realisierung dort derzeit deutlich größer.