Leistungssport
Warum es so wenig Trainerinnen gibt

Die Zahl der Trainerinnen im deutschen Spitzensport steigt nur langsam. Nur gut zwölf Prozent der Coaches sind weiblich. Die Gründe für den Mangel sind vielfältig.

Von Sabine Lerche |
Die Cheftrainerin Sabrina Wittmann vom FC Ingolstadt.
Sabrina Wittmann vom FC Ingolstadt ist die erste Trainerin im deutschen Profifußball. Sie ist ziemlich allein auf weiter Flur. (IMAGO / Stefan Bösl / IMAGO / Stefan Bösl)
„Ich bin Trainerin im Radsport, das ist nach wie vor noch eine sehr, sehr männerdominierte Sportart. Im Bund Deutscher Radfahrer gibt es meines Erachtens genau zwei hauptamtliche Trainerinnen und eine davon bin ich.“
Kristina Vogel, ehemals Bahnradfahrerin, zweimal Olympia-Gold, elf WM-Titel.
„Tatsächlich gegen diese Struktur der Männer durchzukommen, die sich von früher teilweise auch kennen, ihre ganzen Geschichten von früher kennen – da ist einfach eine andere Vertrauensbasis von vornherein auch schon da. Und da extern dazu zu kommen, auch noch als Frau dazu zu kommen, ist sehr, sehr schwierig.“

Im Männerfußball sind Trainerinnen Mangelware

Bei den Sommerspielen 2016 in Rio waren sechs Prozent Trainerinnen im deutschen Team, in Tokio 2021 acht Prozent und bei den Spielen in Paris zwölf Prozent. Die meisten Trainerinnen finden sich in turnerischen Sportarten. In Bereichen wie dem Männerfußball ist es hingegen schwierig: „Wenn man sich als Athletiktrainerin bei unterschiedlichen Vereinen bewirbt, hat man das Gefühl, dass man ein bisschen als Frau unterschätzt wird.“
Saba Shakalio, Studium der Sportwissenschaften, Master in Sportphysiotherapie, acht Jahre Berufserfahrung und Athletiktrainerin im Frauenfußball - sie zieht für sich diese Konsequenz: „Man versucht immer, dass man nicht so einen weiblichen Eindruck hinterlässt beim Bewerbungsgespräch, weil Weiblichkeit wird schnell verbunden mit leider Schwäche im Leistungssport. Je männlicher man wirkt, desto kompetenter ist man im Bereich der Athletiktrainer.“

Bei Bewerbungsgesprächen betont männlich geben

Shakalio ist eher klein gewachsen. Bei Bewerbungsgesprächen achtet sie darauf, wie sie sich kleidet, um keine weiblichen Klischees zu bedienen. Auch hört sie immer wieder die Frage: Traust du dir zu, Männer zu trainieren?
„Es hat natürlich auch mit Stereotypen zu tun, obwohl Muskelkraft gar keine Rolle spielt. Man muss das Fachwissen haben, um eine Trainingsperiodisierung zu schreiben.“
Neben Vorurteilen gegenüber dem weiblichen Geschlecht und veralteten Strukturen schrecke aber auch der Beruf selbst ab, ergänzt Holger Hasse vom Berufsverband der deutschen Trainerinnen und Trainer. Er glaubt, „dass da Frauen einfach konsequenter agieren, zu sagen, ne, das lässt sich einfach nicht mit meinem Leben vereinbaren.“

Überstunden, befristete Verträge und schlechte Bezahlung

Seit Jahren fordert Hasse eine Aufwertung des Trainerberufs. Zusätzlich zu Themen wie Überstunden, befristete Verträge und die schlechte Bezahlung gebe es Trainerinnen, die schon vor der Einstellung nach Kinderwünschen gefragt oder nach der Familiengründung entlassen würden, erzählt Hasse aus seinen Erfahrungen. Übergreifende Mutterschutzregelungen oder eine organisierte Kinderbetreuung gibt es nicht.
Kristina Vogel ist seit diesem Jahr Diplomtrainerin. Mit der Ausbildung erhofft sie sich mehr Anerkennung als Trainerin: „Weil ich festgestellt habe, dass man gesagt hat, ich bin da nur die Sportlerin. Dass ich deswegen die Ausbildung gemacht habe, zu sagen: Ja, weil ich das auch studiert habe und auch sehr gut abgeschlossen habe, deswegen mache ich das Ganze.“
Wer eine Ausbildung an der Trainerakademie machen will, braucht neben bestimmten Qualifikationen auch eine Empfehlung vom Fachverband. Eine Hürde: „Diese Verbandsempfehlung kriegt man halt nicht leicht, wenn man in beliebten Sportarten arbeitet, vor allem aber bei Fußball ist das so, dass es unmöglich ist, eine Empfehlung von DFB zu bekommen.“

Plätze sind rar und mit Kosten verbunden

Athletiktrainerin Shakalio hat den Eindruck, dass der Weg für sie als Athletiktrainerin aus dem Frauenfußball schwieriger ist. Nach drei Jahren Warteliste hat Shakalio einen Platz an der Trainerakademie bekommen, ohne DFB-Empfehlung. So eine Fortbildung sei aber auch eine Frage des Geldes: Als Athletiktrainerin im Frauenfußball verdiene man weniger als im Männerfußball und nur teilweise können die Vereine die Ausbildungskosten übernehmen.
Die Plätze in den Lehrgängen an der Trainerakademie sind rar. Seit der Gründung der Trainerakademie vor 50 Jahren lag der Frauenanteil der Studierenden bei elf Prozent. Im aktuellen Diplom-Studiengang sind über ein Viertel Frauen. Diesen positiven Trend will die Trainerakademie fördern. So soll etwa ein Forschungsprojekt durch Interviews und Datenanalyse zeigen, warum es immer noch so wenig Trainerinnen im Spitzensport gibt.
„Das kann man tatsächlich nur spekulieren. Da fehlt so dieser wissenschaftliche Diskurs, dass man das belegen kann, woran es genau liegt", erklärt Alina Modolo von der Trainerakademie. Ziel ist, die Situation der Trainerinnen in allen Bereichen des Sports zu analysieren, Hinderungsgründe zu finden und Unterstützungsmaßnahmen zu erarbeiten.

Spezielle Angebote für Frauen sind nötig

Holger Hasse schlägt spezielle Angebote für Frauen vor, etwa Teilzeitmöglichkeiten, Stipendien und: „…dass man auch darüber spricht, dass man eben bestimmte Teams quotiert. Wirklich streng überlegen, wie wir dafür jetzt eben auch eine weibliche Person finden.“
„Selbst wenn wir hier eine Quote einführen würden, es ist einfach leider so, dass sich die Frauen einfach nicht bewerben. In den letzten 50 Jahren, da ist es, glaube ich, noch nie vorgefallen, dass wir eine Frau abgelehnt haben, die die Zulassungsvoraussetzungen mit sich bringt", denkt Alina Modolo. Auch für Kristina Vogel ist die Frauenquote keine Lösung. Quoten seien gut, um eine Bewegung voranzutreiben, aber am Ende müsse doch nach Qualität eingestellt werden, unabhängig vom Geschlecht.
„Und ich glaube auch, wenn man mal Fuß gefasst hat als Frau, dass das irgendwann auch kein Thema mehr ist.“
Allerdings fehlen weibliche Vorbilder, sagt Holger Hasse. Er plädiert für gemischte Trainerteams, gerade im Nachwuchsbereich. Damit schon Kindern und Jugendlichen klar ist: Es kann Trainer und Trainerinnen geben.