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Trainerinnen und Trainer im deutschen Sport
"Der Frust ist groß"

Trainerinnen und Trainer im deutschen Spitzensport hangeln sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten. Der Beruf Trainer sei deshalb nur noch für wenige attraktiv, sagt Holger Hasse, Präsident des Bundesverbands der Trainer, im Dlf. Eine Veränderung sei politisch nicht gewollt, mutmaßt er.

Holger Hasse im Gespräch mit Matthias Friebe | 29.08.2021
Badminton Bundestrainer der Damen, Holger HASSE (links) beobachtet das Spiel, CHANG Ye Na / LEE So Hee (KOR) vs. Johanna GOLISZEWSKI / Carla NELTE (GER) 2:1, Badminton - Doppel der Frauen, Women s Doubles Group Play Stage am.12.08.2016 Olympische Sommerspiele 2016, vom 05.08. - 21.08.2016 in Rio de Janeiro/ Brasilien. Badminton German coach the women Holger Hasse left observed the Game Chang Ye Na Lee as Hee KOR vs Johanna GOLISZEWSKI Carla Nelte ger 2 1 Badminton Double the Women Women s Doubles Group Play Stage at 12 08 2016 Olympic Summer Games 2016 of 05 08 21 08 2016 in Rio de Janeiro Brazil
Holger Hasse (l.) als Bundestrainer der deutschen Badminton-Damen. (IMAGO / Sven Simon)
Viele Trainer sind frustriert, denn nicht wenige von ihnen müssen sich Ende des Jahres arbeitslos melden, weil ihre Verträge auslaufen. Das Problem ist altbekannt. Eine Lösung ist dennoch nicht in Sicht. Wird der Trainerberuf nicht genug wertgeschätzt? "Trainerinnen und Trainer sind neben den Athletinnen und Athleten die Schlüsselfigur für den Erfolg. Das wird auch immer wieder propagiert. Nur wird im deutschen Spitzensport nicht danach gehandelt", sagte Holger Hasse im Dlf. Hasse ist Präsident des Bundesverbands der Trainer im Deutschen Sport (BVTDS).
Das Bundesinnenministerium (BMI) habe laut Hasse eine Studie in Auftrag gegeben, in der die Schritte zur Verbesserung der Trainer-Situation "detailliert" beschrieben seien. "Passiert ist seitdem aber sehr sehr wenig."

Mehrere Verantwortliche

Einen Hauptschuldigen gebe es nicht. Zwar trage der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Dachverband "ganz sicher eine Verantwortung", sagte Hasse. "Aber das BMI als Zuwendungsgeber sehe ich auch in der Verantwortung- Und natürlich sind auch die Spitzenverbände verantwortlich, genauso wie die Trainerinnen und Trainer selber. Ich glaube, dass die Trainerinnen und Trainer selber auch ein Stück weit aufstehen und für ihre Rechte einstehen müssen."
Der Frust bei den Trainerinnen und Trainern sei groß, sagte Hasse. "Stellen sie sich vor, da ist jemand, der seit 16 Jahren Bundestrainer ist und mit seinen Athletinnen und Athleten in Tokio erfolgreich war und sich jetzt turnusgemäß arbeitslos melden muss, weil sein Vertrag ausläuft. Einer, der vielleicht einen Kreditvertrag aufnehmen will, aber keinen Kredit bekommt, weil er immer nur befristete Verträge hat."

"Es ist ein Mix aus allem"

Aber es sei nicht nur die Befristung, die für Frust sorge, so Hasse. "Es ist ein Mix aus allem. Es ist ein Mix aus den Befristungen, aus der Vergütung, aus den Arbeitsbedingungen und aus der gesellschaftlichen Wertschätzung". So würden Trainer schlechter bezahlt, als ein Lehrer im ersten Berufsjahr, "der im Übrigen unbefristet angestellt ist. Das passt einfach nicht zusammen und deswegen ist der Beruf Trainer, insbesondere Bundestrainer, für wenige noch attraktiv und zu wenige Talente entscheiden sich dann auch für den Trainerberuf."
Das Team aus Deutschland, GER, marschiert ein, die Beachvolleyballerin Laura Ludwig und der Turmspringer Patrick Hausding tragen die deutsche Flagge
"Der Medaillenspiegel kann gerne weg"
37 Medaillen hat die deutsche Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Tokio gewonnen – so wenige wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Was bedeutet das für den deutschen Spitzensport? Sportwissenschaftler, Politikerin und Sportlerin finden: Medaillen haben wenig Aussagekraft.
Solche Kettenverträge, wie Trainer sie bekommen, sind in anderen Branchen nicht möglich. Im Sport dagegen schon. "Das liegt daran, dass zu viele wegsehen", sagte Hasse. So sehe sich das BMI als Zuwendungsgeber etwa nicht in der Pflicht, die Kettenverträge zu kontrollieren. Man argumentiere dort mit der Autonomie des Sports. "Wir fordern, dass alle, die dort im System Verantwortung tragen, dazu gehören auch die Zuwendungsgeber, die ja die Steuermittel freigeben für diese Arbeitsverträge, dass sie auch mit darauf achten, dass ordentliche Arbeitsbedingungen vorliegen."

"Man möchte die Situation hier nicht verbessern"

Warum dem BMI arbeitsrechtliche Verträge nicht wichtig seien, könne Hasse nicht sagen. "Ich mutmaße, dass man ganz genau weiß, dass ordentliche Arbeitsbedingungen eine ganze Menge Geld kosten würden. Und man muss dann eben frage, ob es politisch nicht gewollt ist. Ich gehe davon aus. Man möchte die Situation hier nicht verbessern, man sieht sich da nicht in der Pflicht. Das ist zumindest die Antwort, die wir deutlich bekommen haben." Hasse habe nun die Hoffnung, dass der DOSB in den sportfachlichen Gesprächen die Arbeitsbedingen abfragt. "Dort haben wir Signale bekommen seitens der DOSB-Verantwortlichen, dass man das erwägt. Und das ist schon einmal ein erster Schritt."
Insgesamt dürfe man sich in Deutschland deshalb nicht die Frage stellen, warum man nicht so viele Medaillen holt, wie erhofft. "Es ist in der Tat so, dass man hier bisher nicht systematisch rangegangen ist. Ich will damit nicht sagen, dass nicht mehr Geld in das System gekommen ist. Der Bund gibt viel Geld ins System, aber die Frage ist dann, was passiert dort. Man hat viel in die Breite investiert, was auch nötig war. Aber es fehlt nicht nur an Stellen, sondern auch an gut ausgestatteten Stellen, gerade im Spitzensport. Und wenn wir jetzt bei den Bundestrainerinnen und Bundestrainern anfangen, dort muss es einfach deutlich attraktiver sein als im ersten Jahr Lehrer mit Einstiegsgehalt, wenn ich Bundestrainer bin in einer olympischen Disziplin. Das ist zumindest meine klare Haltung."