Jochen Spengler: Am Telefon ist nun Norbert Hansen, der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft Transnet. Herr Hansen, wir wollen gleich sprechen über die Pläne der Bahnverwaltung, von Berlin nach Hamburg umzuziehen. Und lassen Sie uns aber zunächst einige Worte über die Ausfälle in Nordrhein-Westfalen verlieren. Es kam ja zu Streckensperrungen der Bahn im Raum Münster-Osnabrück; Menschen saßen stundenlang auf Bahnhöfen fest. Warum ist die Bahn bei solchen Unwettern eigentlich nicht viel zuverlässiger als andere Verkehrsmittel, also als Autos oder Flugzeuge?
Norbert Hansen: Na, als Autos, da gehe ich - das hat sich jetzt wieder gezeigt - ist sie sicherlich zuverlässiger. Aber natürlich ist dies System genauso dem Wetter ausgesetzt und vor allen Dingen dort, wo elektrifiziert ist. Wenn die Oberleitungen so massiv betroffen sind von Vereisungen, dann ist das technisch nicht lösbar.
Spengler: Ist dieser Fortschritt, Elektrifizierung, eigentlich ein Nachteil? Also, waren Diesel- und Dampfloks zuverlässiger?
Hansen: Nein. Ich kann mich noch gut erinnern an Schneekatastrophen vor 30 Jahren, wo die Menschen auch tagelang abgeschnitten waren und es Tage gedauert hat, bis man den Schnee von den Gleisen geräumt hat. Also das ist keine Frage der Technik, sondern der Witterungsunbillen, die manchmal eben so extrem sind, dass da nichts mehr funktioniert.
Spengler: Also dieser Spruch von damals, 60er, 70er Jahre: Alle reden vom Wetter, wir nicht - das hat schon damals nicht gestimmt?
Hansen: Nein, das hat damals schon nicht gestimmt.
Spengler: Zum eigentlichen Interviewthema, Herr Hansen: Am Freitag wurden die Pläne des Bahnchefs Mehdorn bekannt, den Hauptsitz möglicherweise von Berlin nach Hamburg zu verlegen. Die Bundesregierung wusste davon nichts; der Verkehrsminister nicht. Kannten Sie denn als Vorsitzender der Gewerkschaft Transnet die Pläne?
Hansen: Also ich bin zumindest informiert gewesen, dass es Überlegungen gibt, in Hamburg auch im Hafenbereich mit ins Geschäft zu kommen. Das gehört zu der strategischen Planung, sich als globales Logistikunternehmen weiterzuentwickeln. Von Umzugsplänen war mir bis dahin nichts bekannt.
Spengler: Überzeugen Sie denn die Argumente von Hartmut Mehdorn, dem Bahnchef?
Hansen: Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Ich gehe davon aus, dass wir als Aufsichtsrat damit noch befasst werden. Entgegen den Meldungen der Zeitungen, ist das nämlich noch nicht geschehen. Und es kommt sicherlich darauf an, was jetzt konkret dort mit der Hansestadt Hamburg für Pläne vereinbart worden sind. Es geht ja wohl um die Hamburger Hochbahn und um die Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft - beides sehr interessante Geschäftsfelder für die Expansion der Deutschen Bahn AG. Und wenn in dem Zusammenhang ein Standort- oder auch Teilstandortwechsel mit vereinbart ist, muss man das Gesamtpaket betrachten.
Spengler: Das klingt nicht so negativ, was Sie da sagen. Das heißt, könnten Sie die Vision Mehdorns, nämlich aus der Bahn ein großes, weltweit weit verzweigtes Logistikunternehmen zu machen, könnten Sie sich dieser Vision Mehdorns anschließen?
Hansen: Der habe ich mich bereits angeschlossen und das ist auch keine "Vision" mehr. Mit dem Zukauf der Firma Bax ist die Bahn AG jetzt schon zu einem führenden Logistikunternehmen global aufgestiegen. Und das ist gut für die Schiene, weil hier auch Gewinne erzielt werden können in der gesamten Wertschöpfungskette des Transports, die dann reinvestiert werden können in das Schienensystem in Deutschland.
Spengler: Wenn Sie dann im Aufsichtsrat über diese Umzugspläne sprechen, worauf legen Sie dann als Gewerkschaftschef besonderen Wert?
Hansen: Ja selbstverständlich geht es in erster Linie um die Interessen der Beschäftigten, die ja nun von einem Umzug betroffen wären. Da ist überhaupt noch nichts, was mir jetzt genau sagen würde: Wie viele sind es denn eigentlich? Da sind die unterschiedlichen Zahlen jetzt auf dem Markt - muss man sich in Ruhe und objektiv anschauen. Und dann geht es selbstverständlich auch um mögliche Risiken und Chancen, die mit der Übernahme von anderen Unternehmen verbunden sind - oder auch der Beteiligung an Unternehmen in Hamburg. Wir haben Anfang Dezember Aufsichtsratsitzung und ich denke, da werden wir die nötigen Fakten dann kennen.
Spengler: Aber um es noch mal ganz klar zu fragen und auch dann zu sagen: Sie sind nicht gegen diese Umzugspläne?
Hansen: Nein. Ich bin nicht dagegen, wenn das in einem vernünftigen Rahmen und das Paket insgesamt stimmt und die Interessen der Beschäftigten dabei gewahrt bleiben.
Spengler: Die Bahn ist in Berlin der größte Arbeitgeber; da sind 19.000 Arbeitsplätze betroffen. Und Berlins Bürgermeister Wowereit ist nun sauer. Trägt der eigentlich eine Mitschuld an diesen Umzugsplänen?
Hansen: Das kann ich so nicht beurteilen. Aber auf jeden Fall ist die Deutsche Bahn inzwischen eine Aktiengesellschaft. Und Politiker sollten sich häufiger überlegen, insbesondere was die Bahn AG betrifft, wo es noch ihre Angelegenheit ist und wo sie es besser dem Vorstand, dem Management des Unternehmens überlassen, Entscheidungen zu treffen. Wenn der Deutschen Bahn AG aus einer solchen Situation oder einem solchen möglichen, ja, Übernahmegeschäft in Hamburg Nachteile entstehen durch politische Hindernisse, dann muss man dafür auch die finanzielle Verantwortung übernehmen.
Spengler: Das heißt, mit anderen Worten: Herr Wowereit soll sich da raushalten, oder wie verstehe ich Sie?
Hansen: Nein. Das kann er natürlich als Regierender Bürgermeister von Berlin nicht. Er hat die Interessen der Stadt zu wahren. Aber er kann auch letztendlich nicht über die Tatsache, dass die Deutsche Bahn AG im Eigentum des Bundes ist, eine Entscheidung erzwingen, die wirtschaftliche Nachteile für das Unternehmen bringen würde oder sie hindern würde in ihrer Weiterentwicklung. Dann hätten wir ein Problem. Dann ist nämlich das Prinzip der Privatisierung nicht mehr gewahrt. Das Unternehmen wird geführt wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen und das muss man berücksichtigen.
Spengler: Herr Hansen, morgen ist das Thema Umzug ja im Bundeskabinett. Was erwarten Sie denn von der Bundesregierung?
Hansen: Genau das Gleiche, was ich gerade gesagt habe zu der Haltung der Politik insgesamt: Der Eigentümer muss nach wirtschaftlichen Aspekten entscheiden. Wenn es politische Überlegungen gibt, die so schwergewichtig sind, dass die Pläne von Herrn Mehdorn nicht akzeptiert werden können, und damit finanzielle Nachteile verbunden sind, dann muss dafür dem Unternehmen eine entsprechende Absicherung gewährleistet werden.
Norbert Hansen: Na, als Autos, da gehe ich - das hat sich jetzt wieder gezeigt - ist sie sicherlich zuverlässiger. Aber natürlich ist dies System genauso dem Wetter ausgesetzt und vor allen Dingen dort, wo elektrifiziert ist. Wenn die Oberleitungen so massiv betroffen sind von Vereisungen, dann ist das technisch nicht lösbar.
Spengler: Ist dieser Fortschritt, Elektrifizierung, eigentlich ein Nachteil? Also, waren Diesel- und Dampfloks zuverlässiger?
Hansen: Nein. Ich kann mich noch gut erinnern an Schneekatastrophen vor 30 Jahren, wo die Menschen auch tagelang abgeschnitten waren und es Tage gedauert hat, bis man den Schnee von den Gleisen geräumt hat. Also das ist keine Frage der Technik, sondern der Witterungsunbillen, die manchmal eben so extrem sind, dass da nichts mehr funktioniert.
Spengler: Also dieser Spruch von damals, 60er, 70er Jahre: Alle reden vom Wetter, wir nicht - das hat schon damals nicht gestimmt?
Hansen: Nein, das hat damals schon nicht gestimmt.
Spengler: Zum eigentlichen Interviewthema, Herr Hansen: Am Freitag wurden die Pläne des Bahnchefs Mehdorn bekannt, den Hauptsitz möglicherweise von Berlin nach Hamburg zu verlegen. Die Bundesregierung wusste davon nichts; der Verkehrsminister nicht. Kannten Sie denn als Vorsitzender der Gewerkschaft Transnet die Pläne?
Hansen: Also ich bin zumindest informiert gewesen, dass es Überlegungen gibt, in Hamburg auch im Hafenbereich mit ins Geschäft zu kommen. Das gehört zu der strategischen Planung, sich als globales Logistikunternehmen weiterzuentwickeln. Von Umzugsplänen war mir bis dahin nichts bekannt.
Spengler: Überzeugen Sie denn die Argumente von Hartmut Mehdorn, dem Bahnchef?
Hansen: Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Ich gehe davon aus, dass wir als Aufsichtsrat damit noch befasst werden. Entgegen den Meldungen der Zeitungen, ist das nämlich noch nicht geschehen. Und es kommt sicherlich darauf an, was jetzt konkret dort mit der Hansestadt Hamburg für Pläne vereinbart worden sind. Es geht ja wohl um die Hamburger Hochbahn und um die Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft - beides sehr interessante Geschäftsfelder für die Expansion der Deutschen Bahn AG. Und wenn in dem Zusammenhang ein Standort- oder auch Teilstandortwechsel mit vereinbart ist, muss man das Gesamtpaket betrachten.
Spengler: Das klingt nicht so negativ, was Sie da sagen. Das heißt, könnten Sie die Vision Mehdorns, nämlich aus der Bahn ein großes, weltweit weit verzweigtes Logistikunternehmen zu machen, könnten Sie sich dieser Vision Mehdorns anschließen?
Hansen: Der habe ich mich bereits angeschlossen und das ist auch keine "Vision" mehr. Mit dem Zukauf der Firma Bax ist die Bahn AG jetzt schon zu einem führenden Logistikunternehmen global aufgestiegen. Und das ist gut für die Schiene, weil hier auch Gewinne erzielt werden können in der gesamten Wertschöpfungskette des Transports, die dann reinvestiert werden können in das Schienensystem in Deutschland.
Spengler: Wenn Sie dann im Aufsichtsrat über diese Umzugspläne sprechen, worauf legen Sie dann als Gewerkschaftschef besonderen Wert?
Hansen: Ja selbstverständlich geht es in erster Linie um die Interessen der Beschäftigten, die ja nun von einem Umzug betroffen wären. Da ist überhaupt noch nichts, was mir jetzt genau sagen würde: Wie viele sind es denn eigentlich? Da sind die unterschiedlichen Zahlen jetzt auf dem Markt - muss man sich in Ruhe und objektiv anschauen. Und dann geht es selbstverständlich auch um mögliche Risiken und Chancen, die mit der Übernahme von anderen Unternehmen verbunden sind - oder auch der Beteiligung an Unternehmen in Hamburg. Wir haben Anfang Dezember Aufsichtsratsitzung und ich denke, da werden wir die nötigen Fakten dann kennen.
Spengler: Aber um es noch mal ganz klar zu fragen und auch dann zu sagen: Sie sind nicht gegen diese Umzugspläne?
Hansen: Nein. Ich bin nicht dagegen, wenn das in einem vernünftigen Rahmen und das Paket insgesamt stimmt und die Interessen der Beschäftigten dabei gewahrt bleiben.
Spengler: Die Bahn ist in Berlin der größte Arbeitgeber; da sind 19.000 Arbeitsplätze betroffen. Und Berlins Bürgermeister Wowereit ist nun sauer. Trägt der eigentlich eine Mitschuld an diesen Umzugsplänen?
Hansen: Das kann ich so nicht beurteilen. Aber auf jeden Fall ist die Deutsche Bahn inzwischen eine Aktiengesellschaft. Und Politiker sollten sich häufiger überlegen, insbesondere was die Bahn AG betrifft, wo es noch ihre Angelegenheit ist und wo sie es besser dem Vorstand, dem Management des Unternehmens überlassen, Entscheidungen zu treffen. Wenn der Deutschen Bahn AG aus einer solchen Situation oder einem solchen möglichen, ja, Übernahmegeschäft in Hamburg Nachteile entstehen durch politische Hindernisse, dann muss man dafür auch die finanzielle Verantwortung übernehmen.
Spengler: Das heißt, mit anderen Worten: Herr Wowereit soll sich da raushalten, oder wie verstehe ich Sie?
Hansen: Nein. Das kann er natürlich als Regierender Bürgermeister von Berlin nicht. Er hat die Interessen der Stadt zu wahren. Aber er kann auch letztendlich nicht über die Tatsache, dass die Deutsche Bahn AG im Eigentum des Bundes ist, eine Entscheidung erzwingen, die wirtschaftliche Nachteile für das Unternehmen bringen würde oder sie hindern würde in ihrer Weiterentwicklung. Dann hätten wir ein Problem. Dann ist nämlich das Prinzip der Privatisierung nicht mehr gewahrt. Das Unternehmen wird geführt wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen und das muss man berücksichtigen.
Spengler: Herr Hansen, morgen ist das Thema Umzug ja im Bundeskabinett. Was erwarten Sie denn von der Bundesregierung?
Hansen: Genau das Gleiche, was ich gerade gesagt habe zu der Haltung der Politik insgesamt: Der Eigentümer muss nach wirtschaftlichen Aspekten entscheiden. Wenn es politische Überlegungen gibt, die so schwergewichtig sind, dass die Pläne von Herrn Mehdorn nicht akzeptiert werden können, und damit finanzielle Nachteile verbunden sind, dann muss dafür dem Unternehmen eine entsprechende Absicherung gewährleistet werden.