Friedbert Meurer: Eine Weile sah es gestern so aus, als würde der schier endlose Tarifkampf zwischen Bahn und den Lokführern beendet werden können. Dann wurden die Gespräche doch noch einmal unterbrochen. Heute soll gerechnet werden, morgen weiter verhandelt. Und der Chef der GDL, Manfred Schell, zeigt sich sicher: Morgen werde es ein Ergebnis geben. Das bedeutet dann, bei der Bahn wird es dann insgesamt mehr als einen Tarifvertrag geben. Die Lokführer haben dann einen eigenen Vertrag, und offensichtlich werden sie einen besseren Vertrag haben. Die Rede ist von knapp zehn Prozent mehr Gehalt. Die anderen liegen bisher oder werden nur bekommen 4,5 Prozent, also halb so viel.
Die größere Gewerkschaft Transnet verhandelt auch noch mit der Bahn. Verhandlungsführer ist Alexander Kirchner, Mitglied im Vorstand von Transnet. Guten Morgen, Herr Kirchner!
Alexander Kirchner: Guten Morgen!
Meurer: Wie viel besser, fürchten Sie, werden die Lokführer abschneiden?
Kirchner: Befürchten tue ich da gar nichts. Ich gehe davon aus, dass die Verhandlungen mit der GDL in dem Rahmen sich dort finden, wie wir auch mit der Bahn derzeit die Verhandlungen führen beziehungsweise schon Vereinbarungen getroffen haben. Sie wissen, dass wir im letzten Jahr viereinhalb Prozent vereinbart haben, darüber hinaus eine garantierte Entgelterhöhung von zehn Prozent in den nächsten drei Jahren und noch mal vier Prozent in der Struktur für einzelne Berufsgruppen.
Meurer: Versuchen Sie jetzt also darzustellen, beide Seiten kriegen gleich viel? Das wird Ihnen manches Mitglied nicht glauben.
Kirchner: Sie wissen, dass im letzten Jahr es ein Moderationsergebnis gegeben hat mit Biedenkopf und Geißler, in dem vereinbart worden ist, dass die Tarifverträge, auch wenn es einen eigenständigen Tarifvertrag für Lokführer gibt, Konflikt- und Widerspruchsfreiheit darstellen müssen. Das bedeutet, Konfliktfreiheit, es kann nicht sein, dass eine Berufsgruppe deutlich besser wegkommt als andere Berufsgruppen in diesem Bahnkonzern. Und darauf werden wir achten.
Meurer: Gehen Sie denn davon aus, dass die acht bis zehn Prozent mehr Gehalt für die Lokführer gestreckt werden bis 2010?
Kirchner: Ich gehe zumindest davon aus, dass die Lokomotivführer neben dem Thema Entgelt auch Arbeitszeitkomponenten mit verhandeln werden, wie wir im Übrigen auch. Auch wir verhandeln über verbesserte Regelungen für Familie und Beruf, dass das in dieses Teilabschlusspaket mit reinkommt und dass es nicht mit einem Schritt zehn Prozent mehr geben wird für die Lokführer.
Meurer: Unter dem Strich sagen Sie: Das wird ein gleiches Ergebnis werden für die Lokführer, wie Sie es bisher erzielt haben?
Kirchner: Ja, denn ansonsten ist das, was letztendlich auch die Bahn und die Moderatoren Geißler und Biedenkopf gesagt haben, nicht gewährleistet. Der Sozialverbund Bahn muss erhalten bleiben. Und, wie gesagt, es muss auch die GDL akzeptieren, dass letztendlich nicht einige Berufsgruppen von diesem Kuchen, der zu verteilen ist, sich ein großes Stück rausschneiden, die anderen nur die Krümel bekommen.
Meurer: Wenn das tatsächlich so kommt, wie Sie sagen, dann bliebe für Sie allerdings noch ein wichtiger Punkt, der eigenständige Tarifvertrag, den Sie ja immer als unsolidarisch empfunden haben. Ist das ein eigenständiger Tarifvertrag?
Kirchner: Nein, unsolidarisch haben wir empfunden, dass Einzelberufsgruppen besser sein wollen. Die GDL hat heute schon einen eigenständigen Tarifvertrag. Sie hat ja nie auf unserem Tarifvertrag mit unterschrieben, sondern immer auch eigenständig ihre Unterschriften unter Tarifverträge gesetzt. Das Einzige, was jetzt neu ist, ist, dass wir akzeptieren, dass die GDL für die Berufsgruppe der Lokomotivführer eine Vorrangstellung bekommt, weil sie dort auch anerkannter Weise die meisten Mitglieder organisiert hat oder mehr Mitglieder organisiert hat, als wir das haben. Aber sie hat auch eine Gesamtverantwortung für alle Beschäftigen und für das Gesamtunternehmen. Und das muss sie akzeptieren. Und wenn sie das akzeptiert, dann akzeptieren wir auch andererseits den Tarifvertrag, den sie abschließt.
Meurer: Akzeptieren Sie es, dass dieser gesonderte Tarifvertrag der Lokführer von Transnet nicht unterschrieben und gegengezeichnet wird?
Kirchner: Ja, der muss ja unterschrieben werden, beziehungsweise es muss in gegenseitigen Anerkennungstarifverträgen Tarifeinheit wieder hergestellt werden. Denn letztendlich ist es so, dass Tarifbindung ja nur aus der Mitgliedschaft zu den jeweiligen Gewerkschaften entsteht. Das heißt, unsere Mitglieder erhalten die Leistungen dieses Tarifvertrages nur insoweit, als auch wir diesen Tarifvertrag unterschreiben. Und anderseits hat die GDL ja auch Mitglieder, zum Beispiel im Zugbegleitdienst oder in anderen Berufsgruppen, die nicht Lokführer sind, die ja auch nur von unseren Tarifverträgen partizipieren können, wenn die GDL ihrerseits anerkennt, was wir dort vereinbaren.
Meurer: Die "Frankfurter Rundschau" berichtet heute, dass der Kompromiss bei der Bahn wohl so aussieht, dass der Zusatztarifvertrag für die Lokführer von Transnet nicht unterschrieben wird. Stimmt das nicht?
Kirchner: Das stimmt insoweit nicht. Die Frage ist in der Tariftechnik, wie es passiert. Entweder müssten wir den inhaltsgleich unterschreiben oder, was wir vorgeschlagen haben, ist, durch sogenannte Anerkennungstarifverträge das zu tun. Das heißt, dass wir anerkennen, dass die GDL für die Berufsgruppe der Lokomotivführer einen Tarifvertrag hat, der auf unsere Mitglieder wirkt. Das ist dann so ein Anerkennungstarifvertrag. Dann muss man nicht den gleichen Tarifvertrag unterschreiben. Das geht aber wieder, wie gesagt, nur, wenn im Gegenzug die GDL das für andere Berufsgruppen genauso tut und wenn sichergestellt ist, dass das Niveau dieses Tarifvertrages sich konfliktfrei in die Tarifwerke der Gesamtbeschäftigten im Bahnkonzern einfügt.
Meurer: Das Entgegenkommen wird der GDL vielleicht leicht fallen, denn ihr Zusatztarifvertrag sieht ja vor, dass darin die entscheidenden Fragen geregelt werden, nämlich: Wie hoch wird das Gehalt sein, und wie sieht die Arbeitszeit aus?
Kirchner: Ja, gut. Es gibt ja eine ganze Reihe von Regelungen im Bahnkonzern wie Beschäftigungssicherung, Anerkennung vor Vorzeiten, Altersversorgung und, und, und, die einheitlich für alle Beschäftigten geregelt werden müssen. Richtig ist, dass Entgelt und Arbeitszeit die zentralen Themen sind, die jeweils zu regeln sind. Aber nochmals: Es kann ja nicht sein, dass eine Gewerkschaft sagt, wir fordern 30 Prozent, eine Tarifauseinandersetzung führt und dann für ihre Gruppe mehr rausholt, was ungerecht im Verhältnis zu anderen Beschäftigtengruppen sein wird.
Meurer: Aber genau das ist das Ziel und bleibt das Ziel der Lokführer.
Kirchner: Nein, da haben wir den Hinweis, dass die GDL bereit ist, das mittlerweile zu akzeptieren, dass das nicht geht. Und auch die Bahn weiß sehr genau, dass letztendlich ein Tarifabschluss, den sie mit der GDL macht, immer unter dem Gesichtspunkt geprüft wird: Ist die Gerechtigkeit im Hinblick auf andere Berufsgruppen noch gewährleistet? Und wenn das nicht der Fall wäre, dann haben wir tarifliche Regelungen, die dazu führen, dass beispielsweise wir sämtliche Tarifverträge kündigen könnten und für diese Berufsgruppen dann nicht nur nachverhandeln, sondern wieder einen gerechten Anteil verlangen werden.
Meurer: Ganz kurz: Einen ganz großen Hammer werden Sie nicht herausholen und die Revisionsklausel nutzen, also Tarifvertrag kündigen und neu anfangen?
Kirchner: Wenn die Bahn sich auf Grundlage der Vereinbarung mit uns und des Moderationsergebnisses bewegt, dann brauchen wir diese Revisionsklausel nicht. Wenn sie davon abweicht und nicht sicherstellt, dass alle Beschäftigtengruppen entsprechend ihres Anteils vernünftig und gerecht behandelt werden, dann werden wir sie ziehen.
Meurer: Alexander Kirchner, Verhandlungsführer bei Transnet. Schönen Dank, Herr Kirchner, und auf Wiederhören.
Kirchner: Vielen Dank, auf Wiederhören.
Die größere Gewerkschaft Transnet verhandelt auch noch mit der Bahn. Verhandlungsführer ist Alexander Kirchner, Mitglied im Vorstand von Transnet. Guten Morgen, Herr Kirchner!
Alexander Kirchner: Guten Morgen!
Meurer: Wie viel besser, fürchten Sie, werden die Lokführer abschneiden?
Kirchner: Befürchten tue ich da gar nichts. Ich gehe davon aus, dass die Verhandlungen mit der GDL in dem Rahmen sich dort finden, wie wir auch mit der Bahn derzeit die Verhandlungen führen beziehungsweise schon Vereinbarungen getroffen haben. Sie wissen, dass wir im letzten Jahr viereinhalb Prozent vereinbart haben, darüber hinaus eine garantierte Entgelterhöhung von zehn Prozent in den nächsten drei Jahren und noch mal vier Prozent in der Struktur für einzelne Berufsgruppen.
Meurer: Versuchen Sie jetzt also darzustellen, beide Seiten kriegen gleich viel? Das wird Ihnen manches Mitglied nicht glauben.
Kirchner: Sie wissen, dass im letzten Jahr es ein Moderationsergebnis gegeben hat mit Biedenkopf und Geißler, in dem vereinbart worden ist, dass die Tarifverträge, auch wenn es einen eigenständigen Tarifvertrag für Lokführer gibt, Konflikt- und Widerspruchsfreiheit darstellen müssen. Das bedeutet, Konfliktfreiheit, es kann nicht sein, dass eine Berufsgruppe deutlich besser wegkommt als andere Berufsgruppen in diesem Bahnkonzern. Und darauf werden wir achten.
Meurer: Gehen Sie denn davon aus, dass die acht bis zehn Prozent mehr Gehalt für die Lokführer gestreckt werden bis 2010?
Kirchner: Ich gehe zumindest davon aus, dass die Lokomotivführer neben dem Thema Entgelt auch Arbeitszeitkomponenten mit verhandeln werden, wie wir im Übrigen auch. Auch wir verhandeln über verbesserte Regelungen für Familie und Beruf, dass das in dieses Teilabschlusspaket mit reinkommt und dass es nicht mit einem Schritt zehn Prozent mehr geben wird für die Lokführer.
Meurer: Unter dem Strich sagen Sie: Das wird ein gleiches Ergebnis werden für die Lokführer, wie Sie es bisher erzielt haben?
Kirchner: Ja, denn ansonsten ist das, was letztendlich auch die Bahn und die Moderatoren Geißler und Biedenkopf gesagt haben, nicht gewährleistet. Der Sozialverbund Bahn muss erhalten bleiben. Und, wie gesagt, es muss auch die GDL akzeptieren, dass letztendlich nicht einige Berufsgruppen von diesem Kuchen, der zu verteilen ist, sich ein großes Stück rausschneiden, die anderen nur die Krümel bekommen.
Meurer: Wenn das tatsächlich so kommt, wie Sie sagen, dann bliebe für Sie allerdings noch ein wichtiger Punkt, der eigenständige Tarifvertrag, den Sie ja immer als unsolidarisch empfunden haben. Ist das ein eigenständiger Tarifvertrag?
Kirchner: Nein, unsolidarisch haben wir empfunden, dass Einzelberufsgruppen besser sein wollen. Die GDL hat heute schon einen eigenständigen Tarifvertrag. Sie hat ja nie auf unserem Tarifvertrag mit unterschrieben, sondern immer auch eigenständig ihre Unterschriften unter Tarifverträge gesetzt. Das Einzige, was jetzt neu ist, ist, dass wir akzeptieren, dass die GDL für die Berufsgruppe der Lokomotivführer eine Vorrangstellung bekommt, weil sie dort auch anerkannter Weise die meisten Mitglieder organisiert hat oder mehr Mitglieder organisiert hat, als wir das haben. Aber sie hat auch eine Gesamtverantwortung für alle Beschäftigen und für das Gesamtunternehmen. Und das muss sie akzeptieren. Und wenn sie das akzeptiert, dann akzeptieren wir auch andererseits den Tarifvertrag, den sie abschließt.
Meurer: Akzeptieren Sie es, dass dieser gesonderte Tarifvertrag der Lokführer von Transnet nicht unterschrieben und gegengezeichnet wird?
Kirchner: Ja, der muss ja unterschrieben werden, beziehungsweise es muss in gegenseitigen Anerkennungstarifverträgen Tarifeinheit wieder hergestellt werden. Denn letztendlich ist es so, dass Tarifbindung ja nur aus der Mitgliedschaft zu den jeweiligen Gewerkschaften entsteht. Das heißt, unsere Mitglieder erhalten die Leistungen dieses Tarifvertrages nur insoweit, als auch wir diesen Tarifvertrag unterschreiben. Und anderseits hat die GDL ja auch Mitglieder, zum Beispiel im Zugbegleitdienst oder in anderen Berufsgruppen, die nicht Lokführer sind, die ja auch nur von unseren Tarifverträgen partizipieren können, wenn die GDL ihrerseits anerkennt, was wir dort vereinbaren.
Meurer: Die "Frankfurter Rundschau" berichtet heute, dass der Kompromiss bei der Bahn wohl so aussieht, dass der Zusatztarifvertrag für die Lokführer von Transnet nicht unterschrieben wird. Stimmt das nicht?
Kirchner: Das stimmt insoweit nicht. Die Frage ist in der Tariftechnik, wie es passiert. Entweder müssten wir den inhaltsgleich unterschreiben oder, was wir vorgeschlagen haben, ist, durch sogenannte Anerkennungstarifverträge das zu tun. Das heißt, dass wir anerkennen, dass die GDL für die Berufsgruppe der Lokomotivführer einen Tarifvertrag hat, der auf unsere Mitglieder wirkt. Das ist dann so ein Anerkennungstarifvertrag. Dann muss man nicht den gleichen Tarifvertrag unterschreiben. Das geht aber wieder, wie gesagt, nur, wenn im Gegenzug die GDL das für andere Berufsgruppen genauso tut und wenn sichergestellt ist, dass das Niveau dieses Tarifvertrages sich konfliktfrei in die Tarifwerke der Gesamtbeschäftigten im Bahnkonzern einfügt.
Meurer: Das Entgegenkommen wird der GDL vielleicht leicht fallen, denn ihr Zusatztarifvertrag sieht ja vor, dass darin die entscheidenden Fragen geregelt werden, nämlich: Wie hoch wird das Gehalt sein, und wie sieht die Arbeitszeit aus?
Kirchner: Ja, gut. Es gibt ja eine ganze Reihe von Regelungen im Bahnkonzern wie Beschäftigungssicherung, Anerkennung vor Vorzeiten, Altersversorgung und, und, und, die einheitlich für alle Beschäftigten geregelt werden müssen. Richtig ist, dass Entgelt und Arbeitszeit die zentralen Themen sind, die jeweils zu regeln sind. Aber nochmals: Es kann ja nicht sein, dass eine Gewerkschaft sagt, wir fordern 30 Prozent, eine Tarifauseinandersetzung führt und dann für ihre Gruppe mehr rausholt, was ungerecht im Verhältnis zu anderen Beschäftigtengruppen sein wird.
Meurer: Aber genau das ist das Ziel und bleibt das Ziel der Lokführer.
Kirchner: Nein, da haben wir den Hinweis, dass die GDL bereit ist, das mittlerweile zu akzeptieren, dass das nicht geht. Und auch die Bahn weiß sehr genau, dass letztendlich ein Tarifabschluss, den sie mit der GDL macht, immer unter dem Gesichtspunkt geprüft wird: Ist die Gerechtigkeit im Hinblick auf andere Berufsgruppen noch gewährleistet? Und wenn das nicht der Fall wäre, dann haben wir tarifliche Regelungen, die dazu führen, dass beispielsweise wir sämtliche Tarifverträge kündigen könnten und für diese Berufsgruppen dann nicht nur nachverhandeln, sondern wieder einen gerechten Anteil verlangen werden.
Meurer: Ganz kurz: Einen ganz großen Hammer werden Sie nicht herausholen und die Revisionsklausel nutzen, also Tarifvertrag kündigen und neu anfangen?
Kirchner: Wenn die Bahn sich auf Grundlage der Vereinbarung mit uns und des Moderationsergebnisses bewegt, dann brauchen wir diese Revisionsklausel nicht. Wenn sie davon abweicht und nicht sicherstellt, dass alle Beschäftigtengruppen entsprechend ihres Anteils vernünftig und gerecht behandelt werden, dann werden wir sie ziehen.
Meurer: Alexander Kirchner, Verhandlungsführer bei Transnet. Schönen Dank, Herr Kirchner, und auf Wiederhören.
Kirchner: Vielen Dank, auf Wiederhören.