Silvia Engels: Am Morgen haben die Bahn-Gewerkschaften ernst gemacht. Auf mehreren Strecken legten Bahnbeschäftigte der Gewerkschaften Transnet und GDBA kurzzeitig die Arbeit nieder. Damit wollen Sie den Lohn- und Gehaltsforderungen für 130.000 Bahnbeschäftigte nach drei vergeblichen Tarifrunden mit der Bahnspitze mehr Nachdruck verleihen. Die Folgen für die Bahnreisenden: Zugausfälle und Verspätungen. Zugeschaltet ist uns der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft Transnet und GDBA, Alexander Kirchner. Guten Morgen, Herr Kirchner!
Alexander Kirchner: Guten Morgen!
Engels: Haben Sie einen Überblick, welche Strecken, welche Regionen derzeit betroffen sind?
Kirchner: Ja, wir machen Warnstreiks an diesem Morgen in fast allen Regionen in der Bundesrepublik, wobei es sich um Warnstreiks handelt, die natürlich nur punktuell gemacht werden. Das heißt, betroffen sind Reisezentren, aber auch der Nah- und Fernverkehr.
Engels: Was denken Sie, wie lange wird dadurch der Zugverkehr heute beeinträchtigt sein?
Kirchner: Also die Warnstreiks haben um sechs Uhr begonnen und werden spätestens um acht Uhr beendet sein. Wie lang die Auswirkungen danach noch sein werden, ist schwer einzuschätzen.
Engels: Wir haben gerade Ferienzeit. Wie wollen Sie angesichts des ja doch zu erwartenden Chaos mit Verständnis der Bevölkerung rechnen?
Kirchner: Wir wissen sehr wohl, dass es sehr schwierig ist für betroffene Reisende, das zu verstehen. Dennoch noch mal ganz klar: Wir bestreiken hier nicht die Reisenden, die Kunden der Bahn, sondern das Unternehmen. Und wir machen das nicht gerne, sondern nach drei vergeblichen Verhandlungsrunden gab es keine Möglichkeit mehr, nachdem der Vorstand in der letzten Runde sein Angebot nicht verbessert hat, war die einzige Möglichkeit, jetzt Nachdruck zu verleihen und den Bahnvorstand aufzufordern, ein neues Angebot auf den Tisch zu legen.
Engels: Grund für die Warnstreiks sind die erfolglosen Tarifverhandlungen, Sie haben es angesprochen, Herr Kirchner. Transnet und GDBA fordern sieben Prozent mehr Gehalt oder mindestens 150 Euro. Die Arbeitgeberseite hat bisher zwei Erhöhungen von je zwei Prozent angeboten. Da bewegt sich ja doch die Bahnführung, für den Beobachter ist es etwas unverständlich, warum man da nicht doch einfach weiterverhandeln konnte.
Kirchner: Also dieses Angebot kam in der zweiten Runde, in der dritten wurde das nicht verbessert. Und Sie müssen dabei sehen, dass es mit Gegenforderungen verbunden war, nämlich eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und noch eine Verlängerung von der Arbeitszeit. Und das sind natürlich für uns nicht annehmbare Positionen des Arbeitgebers.
Engels: Wann spricht man denn wieder miteinander?
Kirchner: Das wissen wir nicht. Es gab keinen neuen Verhandlungstermin. Nachdem der Vorstand am Samstag erklärt hat, er ist nicht bereit, sein Angebot weiter zu verbessern, haben wir dann die Tarifkommission geholt und gestern beschlossen, die Warnstreiks anzusetzen. Wir werden aber sofort wieder verhandeln, wenn der Arbeitgeber sagt, dass er bereit ist, das Angebot aufzubessern.
Engels: Sie haben damit auch angedeutet, dass die ganzen Warnstreiks die ganze Woche über anhalten könnten. Auch noch in der nächsten Woche?
Kirchner: Das hat der Arbeitgeber in der Hand. Wir wollen nicht die ganze Woche und die nächste Woche streiken. Es hängt letztendlich vom Arbeitgeber ab. Wenn er uns erklärt, er ist bereit, sein Angebot nachzubessern, werden die Warnstreiks ausgesetzt, und wir sitzen sofort wieder am Verhandlungstisch.
Engels: Neben diesem Kampf gegen die Bahnführung, den Sie da führen, gibt es ja noch ein anderes Problem: Die Gewerkschaft der Lokführer will als eigene Gewerkschaft anerkannt werden. Sie fordert Änderungen der Gehaltsstruktur, die den Zugführern über 30 Prozent mehr Lohn einbringen würde, und auch sie wollen heute streiken. Sind Sie da in irgendwelchen Kontakten miteinander?
Kirchner: Wir haben über Jahre versucht, mit der Gewerkschaft der Lokomotivführer uns zu verständigen auf eine gemeinsame Politik. Leider Gottes setzt diese Gewerkschaft auf Spaltung der Belegschaft und hat mit ihrer eigenen Forderung ähnlich wie im letzten Jahr der Marburger Bund versucht, die Unternehmensführung dazu zu bringen, einen Tarifvertrag für das Fahrpersonal auszuhandeln. Das ist nicht unser Ding. Wir vertreten alle Beschäftigten und versuchen, für alle Beschäftigten die Einkommenssituation zu verbessern. Und deshalb ist dieser Streik der Lokomotivführer ein Streik, der sich eigentlich auf Spaltung der Belegschaft richtet und kann von uns nicht unterstützt werden.
Engels: Das schwächt also auch die Bahngewerkschaften, wenn man sich aufsplittet. Wie ist denn da die Stimmung unter den Beschäftigten?
Kirchner: Sie haben Recht, das schwächt die Bahngewerkschaften, und wir befürchten, dass der Bahnvorstand darauf sogar setzt und deshalb auch uns kein verbessertes Angebot gibt. Wenn die Gewerkschaft der Lokomotivführer von vornherein sagt, dass sie nicht verhandelt über eine Einkommenserhöhung - sie hat ja jeden Verhandlungstermin bisher verweigert -, dann ist schon zu befürchten, dass die Eskalation, die jetzt entstanden ist, ein Stück weit auch damit verbunden ist. Unsere Mitglieder wollen das nicht. Unsere Mitglieder haben uns einen klaren Auftrag gegeben, keinen Schnickschnack drumherum zu verhandeln, keine neuen Strukturen zu verhandeln, sondern die Kollegen wollen mehr Geld im Geldbeutel und das für alle gleichmäßig.
Engels: Haben Sie denn jetzt irgendwelche Kontakte mit der Gewerkschaft der Lokführer wenigstens dahingehend, dass man sich irgendwann darauf verständigt, wann die Bahnen wieder normal fahren? Denn es nützt ja nichts, wenn Sie wieder arbeiten, aber die Lokführer noch streiken.
Kirchner: Die Gewerkschaft der Lokomotivführer hat jede Zusammenarbeit und Kontakte mit uns abgelehnt.
Engels: Zeigt das nicht auch die unterschiedliche Machtverteilung? Lokführer können einfach den Verkehr ganz anders lahm legen als das andere Personal. Ähnliche Aufsplitterungen haben wir ja beispielsweise in der Luftfahrtbranche zwischen Piloten und Bodenpersonal erlebt.
Kirchner: Das ist eine falsche Wahrnehmung, dass das Lokführer besser könnten. Auch andere Beschäftigtengruppen können das mindestens genauso gut. Wenn der Fahrdienstleiter den Hebel umlegt, dann stehen mehr Züge, als wenn ein Lokomotivführer von der Lokomotive runtergeht. Oder wenn die Kollegen der Werkstatt heute in diesem verzahnten Unternehmen die Reparaturarbeiten einstellen, dann kommen die Fahrzeuge nicht mehr auf die Strecke, und es kann genauso wenig gefahren werden. Also es sind nicht nur die Lokführer, natürlich auch. Auch die anderen Beschäftigten sind in diesem verzahnten Unternehmen so stark integriert, dass, wenn dort an entscheidender Stelle ein Streik begonnen wird, Auswirkungen auf das Gesamtsystem des Bahnverkehrs zu erwarten sind.
Engels: Sie haben es angesprochen, es hänge von der Bahnseite ab, also von der Spitze der Bahn, ab wann wieder verhandelt wird. Nun die Frage an Sie als erfahrenen Verhandlungsführer: Was denken Sie, wie lange sich die Bahnführung das erlauben kann, wann wird wieder geredet?
Kirchner: Also wir hoffen doch, dass im Laufe der Woche Einsehen beim Bahnvorstand ist und wir ein Angebot dazu bekommen. Deshalb haben wir auch nur punktuell mit Warnstreiks begonnen und nicht wie die GDL, die ja wie gesagt bis heute noch keinen einzigen Verhandlungstermin angenommen hat bundesweit und alle Betriebe bestreikt, werden aber im Laufe der Woche unsere Warnstreiks ausdehnen so lange, bis der Bahnvorstand reagiert.
Engels: Soweit der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft Transnet und GDBA, Alexander Kirchner. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Kirchner: Vielen Dank.
Alexander Kirchner: Guten Morgen!
Engels: Haben Sie einen Überblick, welche Strecken, welche Regionen derzeit betroffen sind?
Kirchner: Ja, wir machen Warnstreiks an diesem Morgen in fast allen Regionen in der Bundesrepublik, wobei es sich um Warnstreiks handelt, die natürlich nur punktuell gemacht werden. Das heißt, betroffen sind Reisezentren, aber auch der Nah- und Fernverkehr.
Engels: Was denken Sie, wie lange wird dadurch der Zugverkehr heute beeinträchtigt sein?
Kirchner: Also die Warnstreiks haben um sechs Uhr begonnen und werden spätestens um acht Uhr beendet sein. Wie lang die Auswirkungen danach noch sein werden, ist schwer einzuschätzen.
Engels: Wir haben gerade Ferienzeit. Wie wollen Sie angesichts des ja doch zu erwartenden Chaos mit Verständnis der Bevölkerung rechnen?
Kirchner: Wir wissen sehr wohl, dass es sehr schwierig ist für betroffene Reisende, das zu verstehen. Dennoch noch mal ganz klar: Wir bestreiken hier nicht die Reisenden, die Kunden der Bahn, sondern das Unternehmen. Und wir machen das nicht gerne, sondern nach drei vergeblichen Verhandlungsrunden gab es keine Möglichkeit mehr, nachdem der Vorstand in der letzten Runde sein Angebot nicht verbessert hat, war die einzige Möglichkeit, jetzt Nachdruck zu verleihen und den Bahnvorstand aufzufordern, ein neues Angebot auf den Tisch zu legen.
Engels: Grund für die Warnstreiks sind die erfolglosen Tarifverhandlungen, Sie haben es angesprochen, Herr Kirchner. Transnet und GDBA fordern sieben Prozent mehr Gehalt oder mindestens 150 Euro. Die Arbeitgeberseite hat bisher zwei Erhöhungen von je zwei Prozent angeboten. Da bewegt sich ja doch die Bahnführung, für den Beobachter ist es etwas unverständlich, warum man da nicht doch einfach weiterverhandeln konnte.
Kirchner: Also dieses Angebot kam in der zweiten Runde, in der dritten wurde das nicht verbessert. Und Sie müssen dabei sehen, dass es mit Gegenforderungen verbunden war, nämlich eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und noch eine Verlängerung von der Arbeitszeit. Und das sind natürlich für uns nicht annehmbare Positionen des Arbeitgebers.
Engels: Wann spricht man denn wieder miteinander?
Kirchner: Das wissen wir nicht. Es gab keinen neuen Verhandlungstermin. Nachdem der Vorstand am Samstag erklärt hat, er ist nicht bereit, sein Angebot weiter zu verbessern, haben wir dann die Tarifkommission geholt und gestern beschlossen, die Warnstreiks anzusetzen. Wir werden aber sofort wieder verhandeln, wenn der Arbeitgeber sagt, dass er bereit ist, das Angebot aufzubessern.
Engels: Sie haben damit auch angedeutet, dass die ganzen Warnstreiks die ganze Woche über anhalten könnten. Auch noch in der nächsten Woche?
Kirchner: Das hat der Arbeitgeber in der Hand. Wir wollen nicht die ganze Woche und die nächste Woche streiken. Es hängt letztendlich vom Arbeitgeber ab. Wenn er uns erklärt, er ist bereit, sein Angebot nachzubessern, werden die Warnstreiks ausgesetzt, und wir sitzen sofort wieder am Verhandlungstisch.
Engels: Neben diesem Kampf gegen die Bahnführung, den Sie da führen, gibt es ja noch ein anderes Problem: Die Gewerkschaft der Lokführer will als eigene Gewerkschaft anerkannt werden. Sie fordert Änderungen der Gehaltsstruktur, die den Zugführern über 30 Prozent mehr Lohn einbringen würde, und auch sie wollen heute streiken. Sind Sie da in irgendwelchen Kontakten miteinander?
Kirchner: Wir haben über Jahre versucht, mit der Gewerkschaft der Lokomotivführer uns zu verständigen auf eine gemeinsame Politik. Leider Gottes setzt diese Gewerkschaft auf Spaltung der Belegschaft und hat mit ihrer eigenen Forderung ähnlich wie im letzten Jahr der Marburger Bund versucht, die Unternehmensführung dazu zu bringen, einen Tarifvertrag für das Fahrpersonal auszuhandeln. Das ist nicht unser Ding. Wir vertreten alle Beschäftigten und versuchen, für alle Beschäftigten die Einkommenssituation zu verbessern. Und deshalb ist dieser Streik der Lokomotivführer ein Streik, der sich eigentlich auf Spaltung der Belegschaft richtet und kann von uns nicht unterstützt werden.
Engels: Das schwächt also auch die Bahngewerkschaften, wenn man sich aufsplittet. Wie ist denn da die Stimmung unter den Beschäftigten?
Kirchner: Sie haben Recht, das schwächt die Bahngewerkschaften, und wir befürchten, dass der Bahnvorstand darauf sogar setzt und deshalb auch uns kein verbessertes Angebot gibt. Wenn die Gewerkschaft der Lokomotivführer von vornherein sagt, dass sie nicht verhandelt über eine Einkommenserhöhung - sie hat ja jeden Verhandlungstermin bisher verweigert -, dann ist schon zu befürchten, dass die Eskalation, die jetzt entstanden ist, ein Stück weit auch damit verbunden ist. Unsere Mitglieder wollen das nicht. Unsere Mitglieder haben uns einen klaren Auftrag gegeben, keinen Schnickschnack drumherum zu verhandeln, keine neuen Strukturen zu verhandeln, sondern die Kollegen wollen mehr Geld im Geldbeutel und das für alle gleichmäßig.
Engels: Haben Sie denn jetzt irgendwelche Kontakte mit der Gewerkschaft der Lokführer wenigstens dahingehend, dass man sich irgendwann darauf verständigt, wann die Bahnen wieder normal fahren? Denn es nützt ja nichts, wenn Sie wieder arbeiten, aber die Lokführer noch streiken.
Kirchner: Die Gewerkschaft der Lokomotivführer hat jede Zusammenarbeit und Kontakte mit uns abgelehnt.
Engels: Zeigt das nicht auch die unterschiedliche Machtverteilung? Lokführer können einfach den Verkehr ganz anders lahm legen als das andere Personal. Ähnliche Aufsplitterungen haben wir ja beispielsweise in der Luftfahrtbranche zwischen Piloten und Bodenpersonal erlebt.
Kirchner: Das ist eine falsche Wahrnehmung, dass das Lokführer besser könnten. Auch andere Beschäftigtengruppen können das mindestens genauso gut. Wenn der Fahrdienstleiter den Hebel umlegt, dann stehen mehr Züge, als wenn ein Lokomotivführer von der Lokomotive runtergeht. Oder wenn die Kollegen der Werkstatt heute in diesem verzahnten Unternehmen die Reparaturarbeiten einstellen, dann kommen die Fahrzeuge nicht mehr auf die Strecke, und es kann genauso wenig gefahren werden. Also es sind nicht nur die Lokführer, natürlich auch. Auch die anderen Beschäftigten sind in diesem verzahnten Unternehmen so stark integriert, dass, wenn dort an entscheidender Stelle ein Streik begonnen wird, Auswirkungen auf das Gesamtsystem des Bahnverkehrs zu erwarten sind.
Engels: Sie haben es angesprochen, es hänge von der Bahnseite ab, also von der Spitze der Bahn, ab wann wieder verhandelt wird. Nun die Frage an Sie als erfahrenen Verhandlungsführer: Was denken Sie, wie lange sich die Bahnführung das erlauben kann, wann wird wieder geredet?
Kirchner: Also wir hoffen doch, dass im Laufe der Woche Einsehen beim Bahnvorstand ist und wir ein Angebot dazu bekommen. Deshalb haben wir auch nur punktuell mit Warnstreiks begonnen und nicht wie die GDL, die ja wie gesagt bis heute noch keinen einzigen Verhandlungstermin angenommen hat bundesweit und alle Betriebe bestreikt, werden aber im Laufe der Woche unsere Warnstreiks ausdehnen so lange, bis der Bahnvorstand reagiert.
Engels: Soweit der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft Transnet und GDBA, Alexander Kirchner. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Kirchner: Vielen Dank.