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Transparency International: von Pierer war möglicherweise nicht informiert

Im Zusammenhang mit der Schmiergeld-Affäre bei Siemens hält der Vorstandsvorsitzende von Transparency International, Hansjörg Elshorst, es für möglich, dass Heinrich von Pierer nichts von den schwarzen Kassen gewusst hat. Es sei durchaus üblich, dass "die nach außen agierende Spitze keine Ahnung hat was läuft und auf diese Weise umso überzeugender nach außen wirkt".

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Gestern wurde Thomas Ganswindt, der frühere Zentralvorstand von Siemens, verhaftet. Er bleibt vorerst hinter Gittern, bestätigte die Staatsanwaltschaft in München. Der Konzern ist offenbar tief in die Korruptionsaffäre verstrickt, weswegen die Rufe nach einem Rücktritt des langjährigen Vorstandsvorsitzenden und jetzigen Aufsichtsratschefs Heinrich von Pierer lauter werden. Am Telefon ist nun Hansjörg Elshorst, der Vorstandsvorsitzende von Transparency International, von der eben die Rede war, eine weltweit agierende, nichtstaatliche Organisation mit Sitz in Berlin, die sich für die Korruptionsbekämpfung engagiert. Guten Tag Herr Elshorst!

    Hansjörg Elshorst: Guten Tag Herr Spengler!

    Spengler: Herr Elshorst, wir haben es eben gehört. Siemens ist Mitglied bei Transparency International. Wie lange noch?

    Elshorst: Zunächst muss ich klarstellen: Siemens ist Mitglied bei Transparency International Deutschland. Wir haben in 90 Ländern so genannte National Chapters und eines davon ist das in Deutschland. Das führe ich und da ist Siemens Mitglied. Wir haben Siemens, um auf Ihre Frage zu kommen, am 24. November eine Mail geschickt und haben gesagt, wir möchten uns von ihnen trennen, also schon in einer relativ frühen Phase des Skandals, als es noch um 20 Millionen ging, weil wir auch eine Vorgeschichte haben. Die Vorgeschichte ist, dass Siemens seit zweieinhalb Jahren nicht mehr aktives Mitglied ist. Die Mitgliedschaft ruht wegen eines anderen Korruptionsskandals und wir waren mit der Kooperationsbereitschaft von Siemens bei der Aufklärung dieses Themas nicht zufrieden.

    Spengler: Sie möchten sich trennen. Wann ist das dann vollzogen? Gibt es so eine Art Kündigungsfrist, oder wie muss man sich das vorstellen?

    Elshorst: So ähnlich. Es ist ja ein Mitglied und da muss man nach Vereinsrecht und Satzung arbeiten. Wir haben Siemens in diesem Brief eine Frist bis zum kommenden Freitag gesetzt. Bis dahin sollen sie sich dazu äußern, ob sie ausscheiden wollen, eine einvernehmliche Lösung finden wollen, oder ob wir sie ausschließen. Dieser Prozess läuft also noch.

    Spengler: Nun hat ja Siemens einen der Mitbegründer von Transparency International Michael Hershman mit der Untersuchung der eigenen Schwarzgeld-Affäre beauftragt. Gibt das mildernde Umstände?

    Elshorst: Nein. Ich hoffe, dass Siemens Michael Hershman, den ich gut kenne, nicht beauftragt hat, weil er Mitbegründer von Transparency ist, sondern weil er eine der bekanntesten Anti-Korruptions-Firmen in den USA leitet. Die Tatsache, dass er Mitbegründer von Transparency vor 13 Jahren war, spielt heute eigentlich gar keine Rolle mehr. Nein, ich glaube Michael Hershman ist aus seiner Perspektive heraus in einen sehr schwierigen Auftrag eingetreten. Er weiß was er tut, weil er schon vorher Kontakte mit Siemens hatte. Siemens unterstreicht, dass er Mitbegründer von Transparency war, weil sie sich möglicherweise davon einen Bonus in Deutschland erhoffen, was eigentlich nur zeigt, dass man Transparency ernst nimmt, aber ansonsten ist das ein kommerzieller Auftrag an Michael Hershman, der mit uns nichts zu tun hat.

    Spengler: Wie erklären Sie sich denn dieses Schmiergeldsystem bei einem Vorzeigeunternehmen?

    Elshorst: Zunächst mal muss man schon sagen, dass Siemens in einer langen Tradition einen Teil seines Geschäftes durch politischen Einfluss und durch Formen der Beeinflussung der Auftraggeber praktiziert hat, die dann Ende der 90er Jahre erst kriminell wurde.

    Spengler: Also kein Vorzeigeunternehmen?

    Elshorst: Nein! Siemens war in keiner Weise ein Vorzeigeunternehmen bis zum Ende der 90er Jahre, aber dann hat Heinrich von Pierer eine wichtige Rolle gespielt bei einer dramatischen Veränderung der Szene, in der 34 Länder Korruption im Ausland zu einem strafwürdigen Verdikt gemacht haben. Heinrich von Pierer hat den Widerstand zusammen mit anderen Wirtschaftsführern, den Widerstand der Bundesregierung gegen diese so genannte OECD-Konvention gekippt. Das war auch der Grund, weshalb wir ihn dann ernst genommen haben in seinem Wunsch, Transparency beizutreten, weil wir gesagt haben wir wissen, dass ihr Probleme habt. Ihr braucht Zeit, um die Probleme zu überwinden. Wir werden nicht gleich von euch erwarten, dass ihr lupenrein seid, aber wir gehen davon aus, dass ihr alle Anstrengungen macht.

    Spengler: Aber bei dieser Rolle von Heinrich von Pierer ist es doch umso unverständlicher, dass genau während seiner Vorstandstätigkeit dieses System offenbar etabliert wurde?

    Elshorst: Etabliert wurde ist falsch. Das System weiter angedauert hat muss man sagen. Das System der schwarzen Kassen, der verbreiteten Korruption war ja bis zu diesem Zeitpunkt Ende der 90er Jahre in der gesamten Wirtschaft üblich. Es war steuerabzugsfähig, es wurde sozial toleriert. Es geht darum: Wie konsequent hat man etwas, was in der Vergangenheit üblich war, verändert. Das hat Siemens offensichtlich nicht konsequent genug getan, vielleicht auch deswegen, weil man meinte, wenn der Heinrich von Pierer schon Bücher schreibt über dieses Thema und einen so guten Ruf hat, dann reicht das erst mal vorläufig.

    Spengler: Herr Elshorst, nun sagen viele an den Finanzmärkten, Siemens habe eigentlich das gemacht, was alle machen, die in gewissen Weltregionen Geschäfte machen wollen. Siemens habe sich nur erwischen lassen. Teilen Sie die Analyse?

    Elshorst: Nein, die teile ich nicht. Wenn Sie sich nur mal die Ergebnisse eines Index ansehen, den wir neulich veröffentlicht haben, wo Deutschland obwohl dreimal so viele Exporte wie Frankreich und andere als Exportweltmeister im oberen Fünftel der Wertung ist. Deutschland gehört zu dem oberen Fünftel der Länder, deren Firmen relativ viel oder wenig schmieren, und ober heißt wenig. Dann entnimmt man daraus, dass es ja unterschiedliche Verfahren gibt, mit denen Firmen Geschäfte machen, und dass die deutschen Firmen gar nicht mal die schlimmsten sind, im Gegenteil relativ gut dastehen. Allein das zeigt, dass es nicht überall gleichermaßen vorgeht, sondern dass tatsächlich Firmen, die eine entsprechende Anstrengung machen, auch Dank ihrer Leistung technisch und kaufmännisch Aufträge bekommen, dass es einfach falsch ist zu sagen, alle machen das.

    Spengler: Das heißt es ist keine Alternative zu sagen, wir bleiben sauber, aber dafür geraten wir in die roten Zahlen?

    Elshorst: Die Alternative kann vorübergehend entstehen, aber auch wenn man es zu seinem Profil macht, dass man nicht schmiert, kriegt man dadurch Märkte, weil es gibt auch in vielen Ländern natürlich einen wachsenden Druck auf Korruption aus diesen Ländern heraus, Dank Demokratisierung, durch Opposition, durch Zivilgesellschaft, durch auch zunehmende Reformen im Rechtswesen und so weiter. Ich bin überzeugt davon, dass es Möglichkeiten gibt, ohne direkt in Korruption involviert zu sein auch Geschäfte zu machen.

    Spengler: Herr Elshorst, gehört zur Korruptionsbekämpfung Ihrem Verständnis nach, dass Verantwortliche auch Verantwortung übernehmen?

    Elshorst: Sie meinen jetzt innerhalb einer Firma?

    Spengler: Ich meine, dass Heinrich von Pierer zu der Zeit eben, als die schwarzen Kassen geblüht haben, Vorstandsvorsitzender war, er ist heute noch Aufsichtsratsvorsitzender und er ist der Innovationsbeauftragte der Bundesregierung. Ist er dann noch haltbar in solchen Positionen?

    Elshorst: Ich glaube das ist keine Frage an die Korruptionsbekämpfung, sondern an das Verständnis von Management und Verantwortlichkeit. Da wiederum müsste man vermutlich unterscheiden zwischen der persönlichen Verantwortlichkeit und der institutionellen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass in Siemens dafür gesorgt worden ist, dass Heinrich von Pierer nicht informiert war. Das ist im Übrigen auch in anderen Firmen üblich, dass die nach außen agierende Spitze keine Ahnung hat was läuft und auf diese Weise umso überzeugender nach außen wirkt. Ob man trotzdem eine institutionelle Verantwortlichkeit abfordert und sagt, du warst in der Zeit Vorsitzender oder nicht, das kann man tun, aber das hängt auch von anderen Aspekten ab. Ich glaube nicht, dass wir das jetzt unter der Perspektive Korruptionsbekämpfung alleine beurteilen sollten. Ich verstehe die Forderung, aber ich meine nicht, dass wir jetzt diejenigen sind, die da ein Votum abgeben können.