Oliver Thoma: Endlich können also auch amerikanische Raumfähren wieder fliegen. Endlich können die Arbeiten an der Internationalen Raumstation ISS so richtig losgehen. Auch der deutsche Astronaut Thomas Reiter, der musste ja lange warten, bis seine außerirdischen Träume wieder wahr wurden. Gestern Abend hatte er dann mehr als sechs Stunden lang den Supertraum leben dürfen - na ja: "Ausstieg aus der Raumstation", "Reiters Weltraumritt", das trifft es wohl genauso wenig wie das Wort "Spaziergang", denn es ist schon harte Arbeit, nicht nur Traum. Und am Anfang gab es auch kleine Probleme. Und der erste Europäer, der einen Weltraumspaziergang überhaupt unternehmen durfte, das war ein Schweizer, der einzige Schweizer Astronaut überhaupt, Claude Nicollier. Schönen guten Morgen.
Claude Nicollier: Ja, guten Morgen.
Thoma: Ja, bei Ihrem vierten und letzten Flug bisher ins All, da haben Sie das Weltraumteleskop Hubble repariert. Das war schon damals, Ende der 90er Jahre, kein wirklicher Spaziergang, oder?
Nicollier: Ja also, Weltraumspaziergang – sei es auf der Raumstation oder Hubble -, das ist immer, wie es schon gesagt worden ist, Traum und harte Arbeit. Das war dasselbe für mich. Ich muss sagen, wir sind sehr zufrieden, dass es so gut gegangen ist. Das war wirklich ein Musteraußenbordeinsatz gestern von Jeff Williams und Thomas Reiter.
Thoma: Nun wird man das ja noch öfter machen müssen bei der Internationalen Raumstation. Wird also dieser Weltraumspaziergang oder eben auch diese Knochenarbeit, wird das so langsam zum Alltag im All?
Nicollier: Ja, es ist nie wirklich so. Es ist immer eine Herausforderung. Die Reserven sind natürlich weniger groß, als wenn man in der Raumfähre arbeitet. Das ist eine kleine Raumfähre, die man auf sich hat, der Raumanzug, und es ist immer etwas gefährlich. Wir haben weniger Fähigkeiten als in dieser großen Raumfähre, sei es die Raumstation oder das Space Shuttle. Es ist immer etwas heikel, ich muss sagen, ein Weltraumspaziergang. Aber ich muss sagen, mit gutem Training, Talent, das die zwei hatten, und gute Unterstützung vom Boden, es ist gut gegangen.
Thoma: Es heißt immer, es sei ein unbeschreibliches Gefühl. Können Sie das trotzdem versuchen, wie es bei Ihnen war beim Weltraumspaziergang, was Sie da erlebt haben, wie Sie es erlebt haben?
Nicollier: Ja, es ist sehr einmalig. Also die Sicht ist so eindrucksvoll, wenn man die äußere Türe der Schleuse öffnet und es fängt an, die Sicht ist wirklich sehr, sehr einmalig. Natürlich, man sieht auch Erde und Himmel aus der Raumfähre, sei es Shuttle oder Raumstation. Aber das ist durch relativ kleine Fenster mit dicken Scheiben. Und plötzlich, wenn man außen ist, mit Raumanzug, hat man eine Weitwinkelsicht und es ist absolut einmalig. Aber man muss arbeiten.
Thoma: Ja, man muss arbeiten. Man ist ja konzentriert dabei. Man hat natürlich auf der anderen Seite diese tolle Aussicht. Und man hat vielleicht auch ein bisschen Angst. Eine einmalige Mischung?
Nicollier: Ja, ich muss sagen, es ist wie mit kritischen Tätigkeiten hier am Boden. Man hat vielleicht ein wenig Sorge oder Angst - vor der Tätigkeit. Wenn man mitten in der Aktion ist, gibt es keine mehr Angst, ich würde sagen. Aber bevor man aus der Schleuse geht und bevor alles anfängt, hat man Sorgen. Angst vielleicht nicht, aber etwas Sorge.
Thoma: Eine Sorge, die vielleicht aber auch begründet ist, denn es fliegt ja schon relativ viel Weltraummüll dort rum. Und wenn man dann von kleinen Teilen mit 27.000 Kilometer in der Stunde getroffen würde, das wäre schon ziemlich bitter, nicht?
Nicollier: Ja, es gibt immer natürlich diese Möglichkeit. Aber die Wahrscheinlichkeit ist klein. Also mit so vielen Außenbordeinsätzen bis jetzt hat man nie so ein Problem gehabt. Also es gibt eine Wahrscheinlichkeit, die nicht gleich null ist, aber es ist klein.
Thoma: Was hatten Sie gestern für ein Gefühl, als Sie Thomas Reiter gesehen haben? Am Anfang gab es ja ein paar Probleme. Haben Sie da mitgefiebert?
Nicollier: Ja, ich habe das miterlebt. Es gibt immer Probleme natürlich. Das war ganz am Anfang und das war ein relativ seriöses Problem mit der Tür. Aber ich muss sagen, dass der Rest des Weltraumausfluges ist gut gegangen. Man hat gesehen, dass die zwei, Jeff und Thomas, hatten Reserve. Also am Ende des Weltraumausfluges haben sie leicht gesprochen. Und man hatte das Gefühl, die hatten viel Reserven, also die waren nicht an ihrer Grenze. Das ist immer befriedigend da, wenn die Leute nicht an ihren Grenze sind, das heißt, dass wenn es Probleme gibt, dann gibt es noch Möglichkeiten, diese Probleme zu lösen. Also die hatten viel Reserve. Viel Talent auch. Und etwas Glück gehabt auch.
Thoma: Wieso Glück? Wieso hatten die Glück?
Nicollier: Ja, es ist so: Also man kann größere Probleme haben – sei es mit dem Raumanzug oder mit Werkzeugen oder mit Ausrüstung. Und dann kann man nicht das erreichen, was gezielt war. Bei meinem Weltraumausflug im Dezember ’99 bei Hubble - es hatte acht Stunden und zehn Minuten gedauert, geplant war auch sieben Stunden ungefähr - wir hatten Probleme und das war wirklich an der Grenze. Also das, wir waren fast am Limit unserer Sauerstoffzufuhr und Batterien. Und hätten wir etwas mehr Probleme gehabt, wir hätten nicht das erreicht, was geplant war.
Thoma: Dieser Anzug ist ja sowieso sehr speziell. Man ist praktisch aufgeblasen, ist auch sehr viel Wasser drin. Was ist das Hauptproblem, damit zu arbeiten?
Nicollier: Ja, das ist die Herausforderung, in der Schwerelosigkeit zu arbeiten mit einem Raumanzug, der uns beschränkt in unseren Bewegungen. Und das, wie es schon erwähnt worden ist, Kraft benötigt, um Bewegungen zu machen. Und dann wird man müde, man wird physisch und psychisch müde. Und dann es könnte sein, dass man nicht das erreichen kann, was gezielt war.
Thoma: Wenn Sie gestern Thomas Reiter gesehen haben, haben Sie dann gedacht: Ja da wäre ich jetzt auch gerne? Oder haben vielleicht auch gedacht: Jetzt muss ich irgendwann doch noch mal ins All fliegen?
Nicollier: Ja, ich muss sagen, ich war – auf Englisch würde man sagen "envious". Also ich hätte gerne mit ihm gewesen da oben. Wir haben manchmal gesehen sehr schöne Sicht von der Erde, von ihrer sehr speziellen Perspektive. Also ich war wirklich sehr zufrieden für Thomas, für seine Kollegen, für seine Familie, für die ESA. Also das ist wirklich ein sehr guter Punkt für das gesamte bemannte Weltraumprogramm, insbesondere für das europäische Weltraumprogramm.
Thoma: Aber wollen Sie denn noch mal ins All fliegen? Kann man das vielleicht auch im hohen Alter dann noch tun – so alt sind Sie ja auch noch nicht?
Nicollier: Sagen Sie noch einmal bitte.
Thoma: Wollen Sie denn noch mal ins All fliegen?
Nicollier: Ich wahrscheinlich werde keine mehr Möglichkeit haben, das zu tun. Ich möchte gern das tun, ich bin vier Mal in Weltraum gegangen in den 90er Jahren, aber jetzt muss man die anderen lassen für ihre Einsätze. Es kommen mehrere europäische Astronauten in der näheren Zukunft, die in den Weltraum gehen werden. Paolo Nespoli, Christoph Hulesan zuerst, Ende dieses Jahres. Hans Schlegel, ein weiterer Deutscher, fliegt ins All mit wahrscheinlich auch Außenbordeinsätzen mit dem Columbus-Modul in etwa anderthalb Jahren. Also wir können uns freuen, dass es viele Nachfolger gibt von Thomas Reiter. Aber …
Thoma: Und einen zweiten Schweizer möglicherweise? Ich meine, die Schweizer sind ja sowieso irgendwie näher am All mit den hohen Bergen, warum gibt es bisher nur einen, nur Sie als Astronauten?
Nicollier: Ja, die Schweiz ist ein kleines Land. Und wir sind nur zwölf Astronauten in der Europäischen Weltraumorganisation jetzt. Und es gibt 17 Mitgliedsstaaten. Also nicht jeder Mitgliedsstaat der ESA kann einen Astronaut haben jetzt da. Wir brauchen nicht so viele Astronauten. Und die Schweiz ist klein und es gibt nur einen. Und ich muss sagen, ich war sehr, sehr zufrieden, dass ich diese Gelegenheit gehabt habe, als Bürger eines kleinen Mitgliedsstaates der ESA Astronaut zu sein und vier schöne Missionen durchgeführt zu haben.
Claude Nicollier: Ja, guten Morgen.
Thoma: Ja, bei Ihrem vierten und letzten Flug bisher ins All, da haben Sie das Weltraumteleskop Hubble repariert. Das war schon damals, Ende der 90er Jahre, kein wirklicher Spaziergang, oder?
Nicollier: Ja also, Weltraumspaziergang – sei es auf der Raumstation oder Hubble -, das ist immer, wie es schon gesagt worden ist, Traum und harte Arbeit. Das war dasselbe für mich. Ich muss sagen, wir sind sehr zufrieden, dass es so gut gegangen ist. Das war wirklich ein Musteraußenbordeinsatz gestern von Jeff Williams und Thomas Reiter.
Thoma: Nun wird man das ja noch öfter machen müssen bei der Internationalen Raumstation. Wird also dieser Weltraumspaziergang oder eben auch diese Knochenarbeit, wird das so langsam zum Alltag im All?
Nicollier: Ja, es ist nie wirklich so. Es ist immer eine Herausforderung. Die Reserven sind natürlich weniger groß, als wenn man in der Raumfähre arbeitet. Das ist eine kleine Raumfähre, die man auf sich hat, der Raumanzug, und es ist immer etwas gefährlich. Wir haben weniger Fähigkeiten als in dieser großen Raumfähre, sei es die Raumstation oder das Space Shuttle. Es ist immer etwas heikel, ich muss sagen, ein Weltraumspaziergang. Aber ich muss sagen, mit gutem Training, Talent, das die zwei hatten, und gute Unterstützung vom Boden, es ist gut gegangen.
Thoma: Es heißt immer, es sei ein unbeschreibliches Gefühl. Können Sie das trotzdem versuchen, wie es bei Ihnen war beim Weltraumspaziergang, was Sie da erlebt haben, wie Sie es erlebt haben?
Nicollier: Ja, es ist sehr einmalig. Also die Sicht ist so eindrucksvoll, wenn man die äußere Türe der Schleuse öffnet und es fängt an, die Sicht ist wirklich sehr, sehr einmalig. Natürlich, man sieht auch Erde und Himmel aus der Raumfähre, sei es Shuttle oder Raumstation. Aber das ist durch relativ kleine Fenster mit dicken Scheiben. Und plötzlich, wenn man außen ist, mit Raumanzug, hat man eine Weitwinkelsicht und es ist absolut einmalig. Aber man muss arbeiten.
Thoma: Ja, man muss arbeiten. Man ist ja konzentriert dabei. Man hat natürlich auf der anderen Seite diese tolle Aussicht. Und man hat vielleicht auch ein bisschen Angst. Eine einmalige Mischung?
Nicollier: Ja, ich muss sagen, es ist wie mit kritischen Tätigkeiten hier am Boden. Man hat vielleicht ein wenig Sorge oder Angst - vor der Tätigkeit. Wenn man mitten in der Aktion ist, gibt es keine mehr Angst, ich würde sagen. Aber bevor man aus der Schleuse geht und bevor alles anfängt, hat man Sorgen. Angst vielleicht nicht, aber etwas Sorge.
Thoma: Eine Sorge, die vielleicht aber auch begründet ist, denn es fliegt ja schon relativ viel Weltraummüll dort rum. Und wenn man dann von kleinen Teilen mit 27.000 Kilometer in der Stunde getroffen würde, das wäre schon ziemlich bitter, nicht?
Nicollier: Ja, es gibt immer natürlich diese Möglichkeit. Aber die Wahrscheinlichkeit ist klein. Also mit so vielen Außenbordeinsätzen bis jetzt hat man nie so ein Problem gehabt. Also es gibt eine Wahrscheinlichkeit, die nicht gleich null ist, aber es ist klein.
Thoma: Was hatten Sie gestern für ein Gefühl, als Sie Thomas Reiter gesehen haben? Am Anfang gab es ja ein paar Probleme. Haben Sie da mitgefiebert?
Nicollier: Ja, ich habe das miterlebt. Es gibt immer Probleme natürlich. Das war ganz am Anfang und das war ein relativ seriöses Problem mit der Tür. Aber ich muss sagen, dass der Rest des Weltraumausfluges ist gut gegangen. Man hat gesehen, dass die zwei, Jeff und Thomas, hatten Reserve. Also am Ende des Weltraumausfluges haben sie leicht gesprochen. Und man hatte das Gefühl, die hatten viel Reserven, also die waren nicht an ihrer Grenze. Das ist immer befriedigend da, wenn die Leute nicht an ihren Grenze sind, das heißt, dass wenn es Probleme gibt, dann gibt es noch Möglichkeiten, diese Probleme zu lösen. Also die hatten viel Reserve. Viel Talent auch. Und etwas Glück gehabt auch.
Thoma: Wieso Glück? Wieso hatten die Glück?
Nicollier: Ja, es ist so: Also man kann größere Probleme haben – sei es mit dem Raumanzug oder mit Werkzeugen oder mit Ausrüstung. Und dann kann man nicht das erreichen, was gezielt war. Bei meinem Weltraumausflug im Dezember ’99 bei Hubble - es hatte acht Stunden und zehn Minuten gedauert, geplant war auch sieben Stunden ungefähr - wir hatten Probleme und das war wirklich an der Grenze. Also das, wir waren fast am Limit unserer Sauerstoffzufuhr und Batterien. Und hätten wir etwas mehr Probleme gehabt, wir hätten nicht das erreicht, was geplant war.
Thoma: Dieser Anzug ist ja sowieso sehr speziell. Man ist praktisch aufgeblasen, ist auch sehr viel Wasser drin. Was ist das Hauptproblem, damit zu arbeiten?
Nicollier: Ja, das ist die Herausforderung, in der Schwerelosigkeit zu arbeiten mit einem Raumanzug, der uns beschränkt in unseren Bewegungen. Und das, wie es schon erwähnt worden ist, Kraft benötigt, um Bewegungen zu machen. Und dann wird man müde, man wird physisch und psychisch müde. Und dann es könnte sein, dass man nicht das erreichen kann, was gezielt war.
Thoma: Wenn Sie gestern Thomas Reiter gesehen haben, haben Sie dann gedacht: Ja da wäre ich jetzt auch gerne? Oder haben vielleicht auch gedacht: Jetzt muss ich irgendwann doch noch mal ins All fliegen?
Nicollier: Ja, ich muss sagen, ich war – auf Englisch würde man sagen "envious". Also ich hätte gerne mit ihm gewesen da oben. Wir haben manchmal gesehen sehr schöne Sicht von der Erde, von ihrer sehr speziellen Perspektive. Also ich war wirklich sehr zufrieden für Thomas, für seine Kollegen, für seine Familie, für die ESA. Also das ist wirklich ein sehr guter Punkt für das gesamte bemannte Weltraumprogramm, insbesondere für das europäische Weltraumprogramm.
Thoma: Aber wollen Sie denn noch mal ins All fliegen? Kann man das vielleicht auch im hohen Alter dann noch tun – so alt sind Sie ja auch noch nicht?
Nicollier: Sagen Sie noch einmal bitte.
Thoma: Wollen Sie denn noch mal ins All fliegen?
Nicollier: Ich wahrscheinlich werde keine mehr Möglichkeit haben, das zu tun. Ich möchte gern das tun, ich bin vier Mal in Weltraum gegangen in den 90er Jahren, aber jetzt muss man die anderen lassen für ihre Einsätze. Es kommen mehrere europäische Astronauten in der näheren Zukunft, die in den Weltraum gehen werden. Paolo Nespoli, Christoph Hulesan zuerst, Ende dieses Jahres. Hans Schlegel, ein weiterer Deutscher, fliegt ins All mit wahrscheinlich auch Außenbordeinsätzen mit dem Columbus-Modul in etwa anderthalb Jahren. Also wir können uns freuen, dass es viele Nachfolger gibt von Thomas Reiter. Aber …
Thoma: Und einen zweiten Schweizer möglicherweise? Ich meine, die Schweizer sind ja sowieso irgendwie näher am All mit den hohen Bergen, warum gibt es bisher nur einen, nur Sie als Astronauten?
Nicollier: Ja, die Schweiz ist ein kleines Land. Und wir sind nur zwölf Astronauten in der Europäischen Weltraumorganisation jetzt. Und es gibt 17 Mitgliedsstaaten. Also nicht jeder Mitgliedsstaat der ESA kann einen Astronaut haben jetzt da. Wir brauchen nicht so viele Astronauten. Und die Schweiz ist klein und es gibt nur einen. Und ich muss sagen, ich war sehr, sehr zufrieden, dass ich diese Gelegenheit gehabt habe, als Bürger eines kleinen Mitgliedsstaates der ESA Astronaut zu sein und vier schöne Missionen durchgeführt zu haben.