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Traumdeutung
Von Tischerückern und Handlesern

Wer etwas über die Zukunft lernen will, kann das Angebot des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg nutzen. Das Haus ist zwar geschlossen, aber online zeigt die Ausstellung „Zeichen der Zukunft“, was Menschen tun, um etwas über das vor uns Liegende in Erfahrung zu bringen – in Europa wie in Asien.

Von Christian Röther | 15.02.2021
Blick auf den Berg Parnassus und das antike Orakel von Delphi.
Mythische Weissagungsstätte der westlichen Welt - das antike Orakel von Delphi (imago images / Panthermedia)
Was bedeutet es, wenn man von einer Ente träumt? Einen Wasserschaden – zumindest sagt das ein Traumbuch aus Österreich. Ein Herzog aus China hingegen deutete den Traum von einer Ente als ein Zeichen für Reichtum. Auch geträumte Pferde wurden unterschiedlich gedeutet: in Europa als etwas Gutes, in Ostasien als böses Omen für einen frühen Tod.
Traumdeutung – das ist nur eine Methode von vielen, mit denen Menschen versucht haben, die Zukunft vorherzusagen. Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg hat diese Methoden gesammelt. Sie reichen vom Tempelorakel über Geisterbeschwörung bis zum Handlesen, vom Sterne- oder Wolkendeuten bis zum Tischerücken.

Geister-Schreiben

"Die werden mal populär, und dann verlieren sie stark an Popularität. Und manche kommen aber auch später wieder." Sagt Benjamin Rowles, der beim Germanischen Nationalmuseum in der digitalen Vermittlung arbeitet. Die Ausstellung "Zeichen der Zukunft" kann das Museum bislang nur im Internet präsentieren. Wegen der Corona-Pandemie bleibt die echte Ausstellung geschlossen. Aber auch die Online-Variante lohnt sich. Sie wurde von Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern gemeinsam entwickelt: aus Europa und aus Asien. Ein Beispiel, das sie ausgewählt haben: das Geister-Schreiben aus China.
Ein Video davon ist in die digitale Ausstellung eingebunden. Zwei Männer halten gemeinsam einen Griffel und schreiben damit Schriftzeichen, die später gedeutet werden. Denn nicht sie selbst führen den Griffel, heißt es, sondern ein Geist.

Wenn Menschen an Grenzen stoßen

Auch Dominik von Roth arbeitet im Germanischen Nationalmuseum. Er sagt, Wahrsagen sei dann ein großes Thema, wenn Menschen an ihre Grenzen stoßen: "Das ist ein ähnliches Konzept wie in den großen Religionen. Dort, wo es um Leben und Tod geht. Dort, wo es um Heilung und Krankheit geht."
Viele Religionen machen aber auch selbst Aussagen über die Zukunft: wenn Propheten auftreten oder wenn man die Götter direkt befragt. Auch Herrscher ließen sich munter Vorhersagen machen – denn wer die Zukunft kontrolliert, der kontrolliert auch das Hier und Jetzt. Den einfachen Leuten hingegen war das Wahrsagen in verschiedenen Gesellschaften zeitweise verboten. Das ließ sich aber nicht dauerhaft durchhalten. Zu sehr hängen die Menschen an ihrer Zukunft. Rowles:
"Wenn man eine Kultur über verschiedene Zeiten hinweg betrachtet und die dann mit anderen Kulturen vergleicht, so sind die Bedürfnisse und die Ausdrucksformen von Wahrsagung dann doch ziemlich ähnlich und vergleichbar. Da scheint es so etwas wie eine menschliche Grundkonstante zu geben. Auch wenn es schwer ist, in Worte zu fassen, was die genau ist."
Von Roth: "Unsere Sorgen, unsere Wünsche, die scheinen in unterschiedlichsten Kulturkreisen einmal um den Erdball herum sich kaum gewandelt zu haben."

Stark bewölkt mit Schneefall

Und heute, hier, in unserer vermeintlich "aufgeklärten Gesellschaft"? Das Wetter! "Stark bewölkt oder bedeckt, zeitweise Schneefall. Im Westen sonnige Abschnitte." Und wenn es bloß das Wetter ist: Auch wir wollen wissen, was die Zukunft bringt, meint Dominik von Roth: "Es ist ein großes Bedürfnis nach wie vor für uns, solche Dinge vorhergesagt zu bekommen."
Konkrete Vorhersagen macht das Germanische Nationalmuseum zwar nicht. Trotzdem erfährt man in den "Zeichen der Zukunft" eine ganze Menge Wissenswertes - über den Menschen und wie er versucht, der Zukunft ihre Geheimnisse zu entlocken. Und man weiß jetzt auch, was es bedeuten könnte, wenn man das nächste Mal von einer Ente träumt.